Anja Röhl
Das Elend der Verschickungskinder
Kindererholungsheime als Orte der Gewalt
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Buchreihe: Sachbuch Psychosozial
Verlag: Psychosozial-Verlag
305 Seiten, Broschur, 148 x 210 mm
2., korrigierte Auflage 2022
Erschienen im September 2022
ISBN-13: 978-3-8379-3119-8, Bestell-Nr.: 3119
DOI:
https://doi.org/10.30820/9783837931198»Endlich! Anja Röhl hat ein erstes Grundlagenbuch über die
gigantische Verdrängung einer kollektiven Traumatisierung von
Millionen von Kindern durch Verschickungen geschrieben. Dank ihrer
Beharrlichkeit und dem Mut zahlloser Betroffener beginnt nun die so
notwendige Aufarbeitung.«
Karl-Heinz
Brisch
Zwischen den 1950er
und 1990er Jahren wurden in Westdeutschland zwischen acht und zwölf
Millionen Kinder im Alter von zwei bis zehn Jahren auf
kinderärztliches Anraten und auf Kosten der Krankenkassen ohne
Eltern zur »Erholung« verschickt. Während der meist sechswöchigen
Aufenthalte an der See, im Mittelgebirgsraum oder im Hochgebirge
sollten die Kinder »aufgepäppelt« werden. Tatsächlich erlebten sie
dort jedoch oft Unfassbares: Die institutionelle Gewalt, die sich
hinter verschlossenen Türen ereignete, reichte von Demütigungen
über physische Gewalt bis hin zu sexuellem Missbrauch. Betroffene
leiden noch heute an den Folgen der erlittenen Traumata.
Anja Röhl gibt den Verschickungskindern eine Stimme und möchte die
Träger ehemaliger Verschickungsheime in die Verantwortung nehmen.
Sie zeigt, welches System hinter den Kinderkuren stand, und geht
möglichen Ursachen für die dort herrschende Gewalt nach. Das Buch
ist ein erster großer Schritt zur Aufarbeitung eines bisher
unerforschten Bereichs westdeutscher Nachkriegsgeschichte und zur
Anerkennung des Leids Betroffener.
Anja Röhl steht gerne für Lesungen, Buchvorstellungen oder
Interviews bereit. Bitte nehmen Sie über den Verlag Kontakt
auf: presse@psychosozial-verlag.de
Inhaltsverzeichnis
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Das Verdrängte kehrt zurück – Vorbemerkung
Verschickungskinder finden sich
Erste Schritte zur
Aufarbeitung
Erste Indizien
Aufarbeitung und Anerkennung des Leids
Ein Blick in die
Literatur
Kinderverschickung – bisher kein
Forschungsgegenstand
Medizinische Pädagogik in
pädiatrischer Fachliteratur
der 1950er und 1960er Jahre
Hände hoch! Medienresonanz
»Verschickung« – Versuch einer kritischen
Annäherung
Begriff, Definition und
historischer Hintergrund
Erste Zahlen für die
1960er Jahre
Diagnostik im Sinne des Geschäftsmodells
Bedingungen des Aufenthalts
Kindererholungsheime
Die Kinderheilstätte
Seehospiz auf Norderney
Heime und Berichte der Nordseeinsel Föhr
Heime und Berichte der Insel Borkum
Bad Salzdetfurth als Kinderheim-Heilbad
Der Kurort Bad Rothenfelde und seine Heime
Der Heimkurort Bad Sachsa
Berchtesgaden
Scheidegg
Erste empirische Zahlen
Bestrafungen für
unwillkürliche Vorgänge
Zu Demografie und Trägeranalyse
Ursachensuche
Erster Ursachenstrang:
Biografische Prägung während des Nationalsozialismus
Zweiter Ursachenstrang: Prägung durch NS-Schwesternschaft und
Pflegeberuf
Dritter Ursachenstrang: Strafende Pädagogik
Vierter Ursachenstrang: »Totale Institution«
Fünfter Ursachenstrang: NS-Geschichte der Kinderheilkunde
Sechster Ursachenstrang: Balneologie sowie Klimaheilkunde und
-therapie
Siebter Ursachenstrang: Medizinische Forschungen
Achter Ursachenstrang: Ökonomie und Rendite
Neunter Ursachenstrang: Sadismus
Für eine empathische Pädagogik – Schlussbemerkung
Literatur
Danksagung
Rezensionen
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PSYCHE, Zeitschrift für psychoanalytische Theorie und ihre Anwendungen, 76. Jahrgang, Heft 11, November 2022
Rezension von Birgit Gaertner
»Mit ihrem im persönlichen Leid mitbegründeten Engagement ist es Röhl erstmals gelungen, dieses dunkle Kapitel bundesrepublikanischer Wirklichkeit im pädagogischen Umgang mit einer schon aufgrund ihres Alters und der Trennung von ihren Bezugspersonen vulnerablen Gruppe kleiner Kinder aufzudecken und seit nunmehr 15 Jahren zu durchdringen. Auch wenn es sich hier gerade nicht um ein systematisch geplantes Forschungsvorhaben handelt, so überzeugen die gründlichen Recherchen der Autorin und insbesondere die hohe Authentizität der Berichte der Betroffenen. Darüber hinaus ist die Dokumentation ein gutes Beispiel für die Produktivität einer internetgestützten Recherche: Röhl erreichte mit vergleichsweise geringen Mitteln eine große und anhaltend wachsende Zahl ehemaliger Verschickungskinder und erhielt trotz des zeitlichen Abstandes von manchmal mehr als 50 Jahren außerordentlich persönliche und präzise Schilderungen des angsterfüllten und oft qualvollen Alltags in den ›Kindererholungsheimen‹. Damit konnte ein Fundus empirischer Daten erhoben werden, dessen systematische Auswertung noch am Anfang steht…«
Factum, 5/22
Rezension von Isabelle Kobe
»Mit der Frage, weshalb es zu solchen Grausamkeiten gegenüber Kindern gekommen ist, beschäftigt sich die Autorin im letzten Teil des Buches und skizziert neun mögliche Ursachenstränge. Ein besonderes Augenmerk legt sie auf den Nationalsozialismus. Sie sieht einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Brutalität und Mitleidslosigkeit der ›Tanten‹ in den Verschickungsheimen und der Prägung durch die NS-Ideologie, die sie in der eigenen Kindheit erfahren haben […]. Ihr Werk ist ein entscheidender Schritt in diese Richtung…«