Juliane Hummitzsch

Hyperaktivität und Erregungsüberschüsse

Zum Nutzen der Triebtheorie für ein psychoanalytisches Verständnis von ADHS

Cover Hyperaktivität und Erregungsüberschüsse

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Buchreihe: Forschung Psychosozial

Verlag: Psychosozial-Verlag

288 Seiten, Broschur, 148 x 210 mm

1. Aufl. 2020

ISBN-13: 978-3-8379-2937-9, Bestell-Nr.: 2937

Warum gelingt es Kindern mit ADHS nicht, ihre Erregung produktiv zu nutzen? Unter anderem dieser Frage geht Juliane Hummitzsch nach und macht sich für eine triebtheoretische Lesart von ADHS stark. Über ihre Lektüre von Sigmund Freud, Wilfred Bion und André Green trägt sie dazu bei, die motorisch und in ihrer Aufmerksamkeit unruhigen Kinder differenziert zu verstehen. Die Autorin betont dabei die Bedeutung der Sexualität, der Symbolisierung und des unbewussten Sinns psychischer Symptomatiken, auch für die sogenannten unrepräsentierten Zustände. Die Erregung der betroffenen Kinder kann so als leibliche Verankerung der Affekte betrachtet werden.

Juliane Hummitzsch bietet einen umfassenden Überblick über die psychoanalytische ADHS-Debatte im deutschen Sprachraum und regt dazu an, sich damit auseinanderzusetzen, was die Psychoanalyse als Lehre vom Unbewussten im Unterschied zu anderen Wissenschaften vom Menschen charakterisiert und überzeugend macht.











Inhaltsverzeichnis

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Danksagung

Einleitung

Teil I Die psychoanalytische Debatte über ADHS: vom Konflikt zum Defizit

1 Zur Geschichte der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung

2 Vom Konflikt zum Defizit in der psychoanalytischen Debatte über ADHS
2.1 1993: Erste konfliktzentrierte Beiträge zum Hyperkinetischen Syndrom (HKS)
2.2 2000–2003: Hyperaktivität – überwiegend neurotisch bedingt
2.2.1 Nervöse Unruhe als Ausdruck der Angst vor dem Tod als Subjekt
2.2.2 Frühe Theorien zu Hyperkinese und gegenwärtige Theorien zu fehlendem Halt, Bindungs- und Abstimmungsproblemen zwischen Mutter und Kind
2.2.3 Zur Bedeutung des Geschlechts
2.3 2006–2010: Defizite in der Mentalisierung und Affektregulierung werden dominant
2.3.1 ADHS als frühe Störung der Affektregulation und Mentalisierung
2.3.2 Jungen in der Krise – fehlende Triangulierung, Empathie und Grenzsetzung
2.4 Seit 2011: Zur Selbstbehauptung der Psychoanalyse

3 Was durch den veränderten Fokus auf ADHS für ein psychoanalytisches Verstehen verloren gehen kann

Teil II Das neurotische Symptom, der Trieb und die Sexualität

1 Freuds Verständnis von neurotischer Erkrankung
1.1 Konflikt, Verdrängung und neurotisches Symptom
1.2 Der Drang des Triebes
1.3 Zur Frage der Befriedigung durch das Symptom
1.4 Unbewusste Phantasien und die Geltung der psychischen Realität
1.5 Das Verhältnis von Wunscherfüllung und Triebbefriedigung
1.6 Das Liebesobjekt, äußere und innere Versagung

2 Freuds Verständnis von Sexualität und deren Bedeutung für das Psychische
2.1 Wesentliches am Sexualtrieb: das Erleben von Lust und die Fortpflanzung
2.2 Die infantile Sexualität als polymorph-perverse und das Genitalprimat
2.3 Freuds Begriff von Sexualität: zwischen biologischer und psychologischer Sichtweise
2.4 Zusammenfassung: Sexualität als Psychosexualität

3 Der Ödipuskomplex als Entwicklungsschritt und innere Strukturbildung
3.1 Freud: Die Zweizeitigkeit der Sexualität und der Ödipuskomplex
3.2 Löchel: Über das Umgehen mit der Geschlechterdifferenz zur Subjektwerdung
3.3 Freud: Seelische Strukturbildungen als Ergebnis des Ödipuskomplexes
3.4 Loewald: Der psychische Akt des Elternmordes als Entwicklungsnotwendigkeit
3.5 Gröller: Die konstitutive Intervention der Anderen und des Dritten
3.6 Zusammenfassung: Der Ödipuskomplex als Paradigma der Triangulierung und der Einführung von Differenz

Teil III Psychotische Mechanismen, Destruktivität und mangelnde (Ver-)Bindung

1 Das Krankheitsbild der Psychose

2 Kleins Theorie und die Bedeutung von destruktiven Regungen
2.1 Der Anfang des Psychischen als Bewältigungsversuch von Vernichtungsangst
2.2 Die Errungenschaften der depressiven Position
2.3 Schwäche und Stärke von Kleins Theorie

3 Bions Theorie des Denkens als Affekttheorie
3.1 Projektive Identifizierung und Containment oder: Warum der Hass gehasst werden kann
3.2 Das Denken beweise sich an der Fähigkeit, Versagung zu ertragen
3.3 Alpha-Funktion und Beta-Elemente
3.4 Löchel: Symbolisierung als Fähigkeit, verneinen zu können, statt vernichten zu müssen
3.5 Bions Beitrag zu einer Psychoanalyse des Negativen

4 Das Denken mit dem Konzept des Todestriebs

Zum Abschluss: Zum Nutzen der Triebtheorie für ein psychoanalytisches Verständnis von ADHS

Literatur

Rezensionen

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Socialnet.de am 26. Oktober 2021

Rezension von Manfred Gerspach

»Das Buch wird dem selbst formulierten Anspruch, eine triebtheoretische Konzeption zum Verstehen von und therapeutischen Arbeiten mit Kindern mit der Diagnose ADHS vorzulegen, mehr als gerecht. Vor dem Hintergrund dieser Lektüre erscheinen mir im Nachhinein die bisherig vorliegenden und reichhaltig empirisch unterlegten psychoanalytischen Abhandlungen zu ADHS in Kernbereichen beinahe etwas fragmentarisch. Die hier vorgenommene und Unterscheidung in neurotische und vor-neurotische, psychosenahe Störungsbilder überzeugt in ihrer Argumentation deshalb so nachhaltig, weil sie in der Art, wie eine nicht-psychotische Spielart früher verfehlter Affektregulierung und Symbolisierung ins Spiel gebracht wird, der Gefahr einer klinischen Pathologisierung zuvorkommt. Zugleich bietet die damit gesetzte tendenzielle Unterscheidung von Defekt versus Konflikt einen behandlungstechnischen Hinweis, welche ungestillten Bedürfnisse und maßlosen Ängste hinter der manifesten Störung verborgen sind und wie diese auf sensible und entwicklungsfreundliche Weise beantwortet werden können…«