Seema Bawa
Vergeschlechtlichte Körper (PDF-E-Book)
Fragen an die Historiografie vormoderner indischer Kunst
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17 Seiten, PDF-E-Book
Erschienen im November 2022
Bestell-Nr.: 26668
DOI:
https://doi.org/10.30820/0171-3434-2022-4-62Der Beitrag spürt ausgewählten jüngeren historiografischen Trends
nach, die sich auf die Wiederherstellung und Interpretation
westlicher kolonialer Gelehrsamkeit konzentrieren, die ein Bild der
indischen Geschichte im Allgemeinen und der indischen Kunst im
Besonderen als »minderwertig« in technischer, ästhetischer und
sogar »moralischer« Hinsicht entworfen hat. Dies prägt nicht nur
die Meinungen über die unterworfene Nation, sondern auch die
thematischen und chronologischen Präferenzen der frühen Archäologen
und Kunsthistoriker. Sie bevorzugten als Arbeitsfeld die
»graeco-buddhistische« Kunst, während die frühmittelalterliche
Kunst und Architektur eher vernachlässigt wird. Die vorgebrachten
Argumente wurden häufig um das Bild einer »weibischen«
(effeminate), schwachen, rückständigen, abergläubischen indischen
Zivilisation konstruiert, die von ihrem kräftigen, männlichen,
rationalen, westlichen Gegenstück kontrolliert und reguliert werden
sollte. Diese Kategorisierungen wurden häufig mit dem Verweis auf
kulturelle Produktionen begründet. Der Beitrag zeigt, wie
abweichende Vorstellungen von Sexualität und Moral propagiert
wurden, um die angebliche Minderwertigkeit der indischen Kunst und
Kultur herauszustellen. Die nationalistische Antwort auf diesen
Diskurs war oft ähnlich aufgebaut, nur dass sie Argumente über die
relative und kompensatorische Vitalität und Männlichkeit von
Darstellungen vorbrachte. Noch ab der Mitte des 20. Jahrhunderts
entwickelte sich ein spirituell-feministischer Diskurs, der einen
positiven Entwurf des sexualisierten weiblichen Körpers als
Repräsentation von Fruchtbarkeit und schöpferischer Kraft in den
Vordergrund stellte, als ob das Argument umgekehrt werden sollte.
Im Rahmen der Entkolonialisierung der indischen Kunst und ihrer
Geschichte gewinnt jedoch noch eine andere Stimme Gewicht; sie
behauptet die Gültigkeit der vormodernen indischen Weltsicht, in
der nicht nur Dharma, sondern auch Artha und Kama (Begehren)
positiv gewertet werden. Aus dieser Perspektive werden auch die
sexualisierten weiblichen und männlichen Figuren in den größeren
Kontext einer »indischen« Tradition eingeordnet, während die
verschiedenen Stimmen, die eine »Verweiblichung« diskutieren,
erneut infrage gestellt werden.
Abstract:
The paper traces select recent historiographical trends that focus
on the recovery and interpretation of Western colonial scholarship
that has projected an image of Indian history in general and Indian
art in particular as »inferior« in technical, aesthetic and even
»moral« terms. This shaped not only opinions about the colonised
nation, but also the thematic and chronological preferences of
early archaeologists and art historians. They preferred
»Graeco-Buddhist« art as a field of work, while early medieval art
and architecture tended to be neglected. The arguments put forward
were often constructed around the image of an effeminate, weak,
backward and superstitious Indian civilisation that should be
controlled and regulated by its vigorous, masculine and rational
Western counterpart. These categorisations were often justified by
reference to cultural productions. The paper shows how deviant
notions of sexuality and morality were propagated to highlight the
alleged inferiority of Indian art and culture. The nationalist
response to this discourse was often similar in structure, except
that it made arguments about the relative and compensatory vitality
and masculinity of representations. Still from the mid-20th
century, a spiritual feminist discourse developed that foregrounded
a positive design of the sexualised female body as a representation
of fertility and creative power, as if to reverse the argument.
However, within the decolonisation of Indian art and its history,
another voice gains weight; it asserts the validity of the
pre-modern Indian worldview in which not only dharma but also artha
and kama (desire) are positively valued. From this perspective, the
sexualised female and male figures are also placed in the larger
context of an »Indian« tradition, while the various voices
discussing »feminisation« are again questioned.