Thekla Bartl
Der Umgang mit Schuld in der Aufarbeitung der SED-Diktatur am Beispiel der halleschen IM-Liste (PDF-E-Book)
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14 Seiten, PDF-E-Book
Bestell-Nr.: 26658
DOI:
https://doi.org/10.30820/0171-3434-2022-3-38Im Sommer 1992 wurde in Halle an der Saale eine Liste von rund
4.500 registrierten Inoffiziellen Mitarbeiter:innen der
Staatssicherheit veröffentlicht. Anhand dieses Ereignisses wird die
Aufarbeitung der DDR-Geschichte im Hinblick auf den Umgang mit
Schuld beleuchtet. Im Rahmen von problemzentrierten Interviews
wurden Hallenser:innen zu ihrer Meinung über die Veröffentlichung
und ihren Reflexionen zum Thema Schuld in der SED-Diktatur befragt.
Die Befragten zeigten sehr ähnliche Auffassungen über schuldhaftes
Verhalten. Ob sie allerdings die Kollaboration mit der
Staatssicherheit generell als schuldhaft bewerten, hängt stark von
ihren eigenen Verstrickungen ab. Die Auffassung davon, wie viel
Schuld die SED-Diktatur als System trägt, unterscheidet sich
ebenfalls deutlich bei den Teilnehmenden. Allerdings ist die
Annahme einer Systemschuld nicht gleichbedeutend mit einer geringer
veranschlagten Tatverantwortung der Einzelnen. Die Voraussetzungen,
um mit der vermeintlich anderen Seite in den Dialog zu treten,
unterschieden sich diametral. Gleichzeitig bieten solche Ereignisse
der Nachwendezeit, in denen Täter:innenund Opferkategorien nicht
immer eindeutig sind, einen idealen Ausgangpunkt, um mit
Zeitzeug:innen über das komplexe Thema Schuld ins Gespräch zu
kommen.
Abstract:
In the summer of 1992, a list of 4.500 registered unofficial
employees (IM) of the Secret Service of the former GDR (Ministerium
für Staatssicherheit der DDR) was published in Halle an der Saale.
On the basis of these events, the reappraisal of GDR history in
terms of dealing with guilt is examined. Within the framework of
problem-centred interviews, citizens of Halle were questioned about
their opinion on the publication of the list and their reflections
on the subject of guilt in the SED dictatorship. The respondents
have very similar views about culpable behaviour. However, whether
they generally consider collaborating with the secret service as
culpable depends largely on their own entanglements. The opinions
of how much guilt the SED dictatorship bears as a system also
differ greatly among the participants. However, assuming that the
system is to blame does not mean that individuals are supposedly
less responsible for their actions. The preconditions for entering
into dialogue with the supposed »enemy« differed considerably. At
the same time, such events from the period of post-reunified
Germany, in which the categories of perpetrator and victim are
ambiguous, offer an ideal starting point for talking with
contemporary witnesses about the complex subject of guilt.