Thorsten Mense
Repressive Harmonie (PDF-E-Book)
Das Lob der Provinz als regressive Antwort auf die Zumutungen der Moderne
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18 Seiten, PDF-E-Book
Erschienen im März 2022
Bestell-Nr.: 21395
DOI:
https://doi.org/10.30820/1434-7849-2021-2-11Die Idylle des Landlebens ist ein verklärtes Bild, das von Beginn
an nur als bürgerliche Projektion existierte. Schon zur Zeit der
Romantik hatte es mit dem harten bäuerlichen Leben kaum etwas
gemein, und auch heute denkt niemand dabei an die Tristesse der
abgehängten Orte, fehlende Infrastruktur und repressive
Sozialstrukturen. Als Mythos aber waren das Landleben, die schöne
Natur und die eigene Verbundenheit mit (wohlgemerkt nicht
Abhängigkeit von) ihr, stets wichtige Pfeiler deutscher kollektiver
Identitätskonstruktion. Sie waren die Grundlagen deutscher
Heimatkonzeption, die sich als Teil der Gegenaufklärung im 19.
Jahrhundert rausbildete und gegen die Moderne in Stellung gebracht
wurde. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde diese Idylle in den
Heimatfilmen zum imaginären Zufluchtsort für das Volk der Täter:
Dort gab es keine zerstörten Städte, keine Kriegsschuld und keinen
Zivilisationsbruch, und somit keinen Bruch mit der deutschen
Identität, die durch Nationalsozialismus und Holocaust in
Bedrängnis geraten war. Die Bilder haben sich geändert, doch der
Mythos, und mit ihm auch der Kitsch, lebt fort. Dahinter steht die
Sehnsucht nach Naturverbundenheit, Authentizität und
Ursprünglichkeit. Nach einem überschaubaren Ort, wo man sich kennt,
die Welt noch in Ordnung ist und ich mein Lebensumfeld selbst
gestalten kann, sei es die Renovierung des alten Bauernhauses oder
das Rosenbeet im Garten. Was dem Bedürfnis nach Freiheit und
Selbstbestimmung entspricht, und als solche verkauft wird, ist in
Wahrheit aber ihre Negation, die freiwillige Einhegung ins
repressive Kollektiv.
Abstract:
The idyll of rural life is a glorified image that existed from the
beginning only as a projection. Even at the time of Romanticism, it
had little in common with the hard life of the peasantry, and even
today no one thinks of the dreariness of isolated places, the lack
of infrastructure and repressive social structures. As a myth,
however, rural life, beautiful nature and one’s own attachment to
it (not dependence on it) have always been important pillars of
German collective identity construction. They were the foundations
of the German concept of Heimat, which emerged in the 19th century
as part of the Counter-Enlightenment and was positioned against
modernity. After the Second World War, this idyll in the Heimat
movies became an imaginary refuge for the people of the
perpetrators: there were no destroyed cities, no war guilt and no
break with civilization, and thus no break with German identity,
which had come under pressure from National Socialism and the
Holocaust. The images have changed, but the myth, and with it the
kitsch, lives on. Behind it is the longing for closeness to nature,
authenticity and originality. For a manageable place where people
know each other, where the world is still in order and where I can
design my own living environment, be it the renovation of the old
farmhouse or the rose bed in the garden. What corresponds to the
need for freedom and self-determination, and is sold as such, is in
reality its negation, the voluntary enclosure in the repressive
collective.