7. bis 10. März 2019 (Berlin)
2019-03-07 - 2019-03-10
Kongress der Neuen
Gesellschaft für Psychologie: Krieg
nach innen, Krieg nach außen – Die Intellektuellen als Stützen der
Gesellschaft?
Anfang 2018 hat das Bulletin of the Atomic Scientist die seit 1947 bestehende
Weltuntergangsuhr erneut vorgestellt. Aus seiner Sicht steht die Welt zwei
Minuten vor Mitternacht, also kurz vor der Apokalypse.
Mit dem Symposium »Trommel für den Krieg« 2014 und dem Kongress »Krieg um die
Köpfe« 2015 hat sich die NGfP eingehend mit den institutionellen und
psychologischen Vorbereitungen zu Kriegen und die Rechtfertigung von Kriegen
aus angeblicher Verantwortung heraus, beschäftigt. Wir wollen erneut die von der
Mehrheit der Bundestagsabgeordneten angemahnte stärkere Beteiligung
Deutschlands an Kriegseinsätzen und die ausgeweitete deutsche Waffenproduktion,
die zunehmenden Feind-Erklärungen nach außen und nach innen, thematisieren und
in ihren Zusammenhängen, ihren Ursachen und Auswirkungen, verstehen.
Letztlich geht es um die Zementierung der bestehenden Macht- und
Reichtumsverhältnisse. Dafür wird das innenpolitische Klima mit allen Mitteln
nach rechts gedrückt, werden demokratische Errungenschaften gekippt, soziale
Sicherheiten ab gebaut, Kontrollen der staatlichen Apparate über Bord geworfen,
wird ein Klima des Verdachts und des Misstrauens untereinander geschaffen.
Gleichzeitig wird die größte Bedrohung aller, die seit Generationen vorausgesagt
worden ist, die sogenannte »Umweltkatastrophe« mit nichts als leeren
Versprechungen beschworen. Zu den Folgen dieser immer unabweisbarer sich
anbahnenden Katastrophe gehören Ströme von Menschen, die nur durch Flucht der
Zerstörung ihrer Lebensgrundlage durch Krieg, Dürre, Überschwemmungen entkommen
können. Alle diese Einzelphänomene wirken zusammen in der Formierung des
innenpolitischen Klimas und Bewusstseins; das Spiel mit der inneren »Sicherheit«
wird die Kriegsangst eher in Schach halten, die neokoloniale Lebensweise wird
auf Kosten der Ausbeutung des neokolonialen »Rests« der Bevölkerung der Welt
zusammen mit der zunehmenden Spaltung der Bevölkerung in Profiteure und
Verlierer beitragen.
Sowohl die ständig steigende Zahl der an Hunger sterbenden, durch Krieg getöteten
oder Verkrüppelten, die ebenso ständig steigende Zahl der durch Verlust ihrer
Arbeit aus dem sozialen Leben ausgeschlossenen, ebenso wie die ständig
wachsende Drohung mit einem Atomkrieg müssten bei jedem Menschen den Impuls
auslösen, alles zu unternehmen, die bestehenden mörderischen Zustände zu
beenden und die Gefahr zu bannen – anstatt diese zu verleugnen. Hier müssten in
erster Reihe die, die an den ökonomischen, politischen, ideologischen Hebeln
der Macht sitzen bzw. einen Zugang haben, die die diese Zusammenhänge sehen und
formulieren können, eingreifen und aufschreien.
Erinnern wir uns daran, dass es auch eine Tradition gibt, an die wir anknüpfen
können: gegen die Bedrohung durch eine Wiederholung des Einsatzes von
Atomwaffen meldeten sich viele Intellektuelle und Wissenschaftler*innen zu
Wort. Physiker*innen stellten die Zerstörungskraft der Waffen dar und
reflektierten ihre Rolle bei deren Herstellung, Mediziner*innen bauten
Organisationen wie die Ärzte gegen den Atomkrieg oder auch Ärzte ohne Grenzen
auf, Psychoanalytiker*innen deuteten die väterlose Gesellschaft und das
schwierige Verhältnis zu Autoritäten, an vielen Fakultäten gründeten sich
Gruppen, die ihre Institutsgeschichte in der Nazizeit aufarbeiten wollten.
Politiker*innen und Künstler*innen liefen auf den Ostermärschen mit oder
wollten in ihren Arbeiten kritisieren und aufklären. Ihre geschichtlichen
Wurzeln sind die zwei Weltkriege und danach die Erfahrung des Kalten Krieges,
der sich sicht- und fühlbar im geteilten Deutschland abspielte. Vor dem
Hintergrund, dass zwei Weltkriege von Deutschland ausgingen und große Teile der
Welt zerstörten, bildeten sich Friedensbewegungen, eine neue Politik zwischen
BRD und DDR, die auf Ausgleich ausgerichtet war, und weitere Bewegungen. Der
Motor dieser Bewegungen war das Aufbegehren der jungen Generation gegen den
Widerspruch zwischen der Behauptung von »Verantwortung« und der
Verantwortungslosigkeit im Verhalten der politischen Klasse und der Generation
der Eltern. Diese Kritik ergriff viele bis dahin schweigenden Minderheiten und
stärkte das Selbstbewusstsein eines nicht unbeträchtlichen Teils der
Bevölkerung bis heute. Und tatsächlich gibt es trotz aller Kriegsvorbereitung
in Deutschland weiterhin breite Ablehnung gegenüber Kriegseinsätzen und immer
noch viel Wohlwollen gegenüber den Geflüchteten, neben einem weit verbreiteten
gelasseneren Umgang gegenüber autoritären Vorschriften und Gepflogenheiten. Es
gibt noch: Das Bulletin of the Atomic Scientist, die Ärzte gegen den Atomkrieg,
gesellschaftskritische Künstler*innen usw. Doch ihre Stimmen verhallen. Was der
Club of Rome macht, weiß kaum einer mehr, das Potsdamer Institut für
Klimaforschung erhascht kurz in den Zeitungen Aufmerksamkeit, die aber auch
schnell wieder verloren geht. Und das Ganze geschieht, obwohl sie
Beängstigendes berichten und Aussagen zu globalen Krisen und in der Folge auch
zu Kriegen machen.
Stattdessen wird ein anderer Diskurs geführt, der die »Kriege«
als bedauerlich, aber notwendiges und somit auch »legitimes« Mittel der Auseinandersetzung
darstellen will. Hier wird die »Verantwortungsübernahme« angemahnt, die das
geeinte und demokratische Deutschland in der Welt übernehmen soll. Jetzt werden
erneut Kriegsgründe konstruiert, Feindbilder aufgebaut, Hass geschürt und mit
den »Säbeln« gerasselt. Clausewitz’ Wort vom Krieg als die Fortsetzung der
Politik mit anderen Mitteln soll wieder salonfähig gemacht werden. So fehlt
völlig eine Politik des Austauschs und des Ausgleichs – weder zwischen den
Völkern, Nationen und Regierungen, noch zwischen den Klassen innerhalb der
Gesellschaft. So haben weiterhin sehr große Teile der in Deutschland Lebenden
nicht am Reichtum teil, nicht an der Arbeit, nicht an Bildung. Die versteckte
Arbeitslosigkeit ist weiterhin hoch, die Löhne sind weiterhin eingefroren, die
Arbeitsplätze prekär, Hartz IV und die Sanktionierung der Betroffenen gilt
weiter. Die neuen Gesetze aus Bayern, – sie werden vermutlich in den Bund
exportiert – das Polizeigesetz und das neue Psychiatriegesetz, lassen einen nur
erschaudern. Gerade letzteres, das Psychiatriegesetz, muss uns als Psychologen
und Psychotherapeuten, beschäftigen.
Und die »Verantwortung der Intellektuellen«,
also unsere Verantwortung? Franca Basaglia-Ongaro und Franco Basaglia nannten
die »Dienstbarkeit der Intellektuellen« gegenüber der Macht »Befriedungsverbrechen«.
Müssen wir uns als Psychologen nicht den Vorwurf gefallen lassen, den Subjekten
noch bei ihrer Anpassung an im Grunde unmenschliche Zustände 4 zu helfen, sie
im Sinne der herrschenden Verhältnisse zu subjektivieren und gegebenenfalls zu
pathologisieren? Die Intervention der NGfP von 2014 in die Kampagne der
Bundeswehr und der Bundespsychotherapeutenkammer, deren Ziel es war, die
Psychotherapeuten in die Kriegsvorbereitung einzuspannen, hat mit ihrer
begrenzten Wirkung gezeigt, wie weit das Bewusstsein dieser Gruppe der
Intellektuellen von der Wahrnehmung der Bedrohung entfernt ist. Müssen wir
nicht das zentrale »Befriedungsverbrechen« der Intellektuellen darin sehen, als
»Meinungsmacher« die für die Aufrechterhaltung dieser Zustände nötigen »Erklärungen«
zu liefern? Zugleich liegt in der Möglichkeit der Kritik dieser »Erklärungen«
der Ansatzpunkt für unsere Arbeit. Es geht erst mal und auf weite Strecken um
das Benennen der Zusammenhänge.
Klaus-Jürgen Bruder, Christoph Bialluch, Bernd Leuterer, Jürgen Günther, Raina
Zimmering und Werner Köpp
Termin:
7. bis 10. März 2019
Veranstaltungsort:
Wegen Problemen bei der Raumreservierung muss der Kongress an zwei
Standorten stattfinden!
Der Kongress findet Donnerstag und Freitag (7. und 8. März 2019) am
Kongressstandort 1 statt:
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin
Der Kongress findet am Samstag (9. März 2019) am Kongressstandort 2 statt:
Tagungswerk
Lindenstraße 85
10969 Berlin
Die Mitgliederversammlung am Sonntag (10. März 2019) findet wieder am
Kongressstandort 1 statt:
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin
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