9. Wissenschaftliche Fachtagung des
Berufsverbandes der Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen (bkj) »SEIN
oder Ich-SEIN – Facetten der Identitätsbildung in unserer multioptionalen
Gesellschaft«
Exposé
Angelehnt an das berühmte Hamlet-Zitat
möchten wir uns auf der Jubiläumstagung 2019 mit einer Thematik
auseinandersetzen, die sich in der öffentlichen Debatte um Leitkultur und
Globalisierung ebenso abbildet wie in sehr individuellen intrapsychischen
Vorgängen zur Orientierung in einer zunehmend unübersichtlichen,
reizüberflutenden und wertbeliebig erscheinenden Zeit.
Ruft Hamlet seine Verzweiflung
angesichts der mentalen Instrumentalisierung durch den Geist des Vaters in das
Stück hinein, um seine Ambivalenz zwischen der realen und imaginativen
Wirklichkeit zu artikulieren, so leben Menschen und insbesondere unsere
Patient*innen und familiären Bezugssysteme in der Gegenwart zwar nicht in
Zwischenwelten, jedoch in Orientierungs- und Identitätsbildungsprozessen, die
sowohl überfordernd als auch destabilisierend wirken können. Auf der einen
Seite gibt es eine Pluralität von Lebensentwürfen, andererseits breitet sich
eine Polarisierung aus, die sich zwischen den Positionen »alles aus sich machen
können« und »selber schuld, wenn es nicht gelingt« bewegt.
Wie kann der Einzelne dabei seine
Identität finden? Wann werden Lebensentscheidungen getroffen und wie leicht
werden diese wieder aufgegeben? Dies alles begegnet Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeut*innen, wenn Familie zerfällt, die Kinder Erlebtes nur
schwer verarbeiten können, und führt – insbesondere bei Jugendlichen – zu fragilen
Identitätsfindungsversuchen.
Postmoderne Risiken der
Identitätsfindung und die intergenerationale Reproduktion von äußerer und innerer
Ab- und Ausgrenzung fügen sich ein in eine rasante Modernisierung von Scheinwelten
– imaginative Identitäten in virtuellen Räumen, spirituelle Sehnsüchte und
Flucht in die Sucht sind scheinbare Lösungsansätze, sich sowohl der Entfremdung
zu widersetzen, als auch sich einer kohärenten Selbstfindung zu entziehen.
Kinder und Jugendliche verorten sich in Submilieus, als Versuch einer
Definierung über kollektive Abgrenzung. Geschlossene Kommunikationsgruppen in »sozialen«
Medien reduzieren die eigene Wahrnehmung und reproduzieren parallele
Scheinrealitäten. Die Aufhebung von Zeitfenstern, in denen bestimmte
Entwicklungsaufgaben zu meistern sind, führt zu immer späterer Autonomie oder
auch zu vorgerückten Herausforderungen. Generationengrenzen verschwimmen und
gesellschaftliche Normen verlieren ihre Trennschärfe. Geschlechtliche und sexuelle Diversität,
normabweichende Identitäten, brüchige Lebensläufe – was auch Eltern mit der
Herausforderung irritierter Rollenfindung konfrontiert.
Wie gehen Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeut*innen mit diesen Diffundierungen um, was macht das
auch selbstreflexiv mit uns? Wie kann Identitätsfindung noch gelingen? Viele
Kinder und Jugendliche entziehen sich mit unterschiedlichsten Strategien dem
Druck: externalisieren, internalisieren oder flüchten. Angriff, Totstellen oder
Flucht – die urmenschlichen Reaktionen auf existenzbedrohenden Stress. Bewährte
und vertraute Normen scheinen zu verschwinden – aber sind sie das wirklich? Ist
das existenziell relevante Zugehörigkeitssystem Familie nicht bedeutungsvoller
als je zuvor – gerade angesichts transgenerational weitergegebener Stress- und Verarbeitungsmuster
? Wie können wir unsere Patient*innen und ihre Familien dabei hilfreich
unterstützen?
Als Auftakt zur Tagung wollen wir uns
am Freitag zunächst mit der eigenen Berufsidentität vor dem Hintergrund der
Psychotherapie-Ausbildungsreform befassen, die neue und noch unklare
Herausforderungen mit sich bringen wird, aber auch anlässlich des 25-jährigen
Bestehens des bkj die Perspektiven der Zukunft unseres Berufes diskutieren – mit
anschließendem Festakt!
Samstags und sonntags folgen
fachlich-inhaltliche Symposien, in denen aus zwei alternierenden Vorträgen eine
Auseinandersetzung der Referent*innen untereinander und mit dem Auditorium
entstehen kann, beginnend mit der soziologischen Analyse und einer
psychotherapeutischen Perspektive, fortgesetzt mit dem Fokus auf die allgegenwärtige
Angst und Verunsicherung der Identitätsentwicklung und der ihr gegenüberstehenden
Resilienz, die es ermöglicht, mit Gelassenheit und Anpassung zu reagieren. In
weiteren Workshops und Seminaren werden spezielle Fragestellungen vertieft,
auch um uns für die Anforderungen der postmodernen Entwicklungen besser rüsten zu
können. Nicht zu vergessen das dazugehörende Tagungsfest am Samstagabend – auch
ein wichtiger Beitrag zur Identitätsstiftung.
Termin:
22. bis 24. März 2019
Veranstalter:
Berufsverband der Kinder- und
JugendlichenpsychotherapeutInnen (bkj)
Brunnenstraße 53
65307 Bad Schwalbach
info@bkj-ev.de
Weitere Informationen:
www.bkj-ev.de
Passende Lektüre im
Psychosozial-Verlag:
 | Annelinde Eggert-Schmid Noerr, Urte Finger-Trescher, Johannes Gstach, Dieter Katzenbach (Hg.) Zwischen Kategorisieren und Verstehen Diagnostik in der psychoanalytischen Pädagogik. Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 25
| EUR 24,90 |
Diagnosen sind in pädagogischen Kontexten seit jeher umstritten: Einerseits dienen sie als Grundlage fachlich begründeter Entscheidungen, andererseits werden sie als Kategorisierungen, die dem Einzelfall nicht gerecht werden, problematisiert. Die BeiträgerInnen des vorliegenden Bandes behandeln das spannungsvolle Verhältnis zwischen Kategorisieren und Fallverstehen mit Blick auf verschiedene pädagogische Handlungsfelder. [ mehr ] Sofort lieferbar. Lieferzeit (D): 2-3 Werktage |
 | Susanne Leitner »Wir scheißegal. Ab nach Kosovo!« Innere und äußere Realitäten straffälliger junger Männer mit unsicherem Aufenthaltsstatus aus dem Kosovo
| EUR 34,90 |
Vor dem Hintergrund erneuter starker Zuwanderung ist es wichtig, die Biografien junger straffälliger MigrantInnen zu verstehen, um pädagogische Angebote für heutige Flüchtlingskinder besser reflektieren und gegebenenfalls modifizieren zu können. Am Beispiel von in Deutschland sozialisierten jungen Männern, die in den Kosovo abgeschoben werden sollen, eröffnet Susanne Leitner Verstehenszugänge zum subjektiven Erleben der Betroffenen und gibt Empfehlungen für einen angemessenen Umgang mit ihnen. [ mehr ] Sofort lieferbar. Lieferzeit (D): 2-3 Werktage |
 | Bernd Ahrbeck, Margret Dörr, Rolf Göppel, Heinz Krebs, Michael Wininger (Hg.) Innere und äußere Grenzen Psychische Strukturbildung als pädagogische Aufgabe. Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 24
| EUR 24,90 |
In der Erziehung bestimmte Grenzen zu setzen und einzufordern, ist ebenso selbstverständlich wie die Tatsache, dass sie im Alltag unterlaufen, verletzt und missachtet werden. Die Autorinnen und Autoren befassen sich interdisziplinär mit dem spannungsreichen Wechselverhältnis von Grenzsetzung und -überschreitung, mit ihrer Begründung, Verhandlung und Durchsetzung. Dabei berücksichtigen sie den jeweiligen historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Rahmen, in dem Erziehung und Sozialisation stattfinden. [ mehr ] Sofort lieferbar. Lieferzeit (D): 2-3 Werktage |
 | Dieter Funke Idealität als Krankheit? Über die Ambivalenz von Idealen in der postreligiösen Gesellschaft
| EUR 24,90 |
Dieter Funke untersucht die unserer Gesellschaft zugrunde liegenden Ideale und stellt einen Zusammenhang zu Krankheiten wie Depression und Persönlichkeitsstörungen her. Mit seiner relational fundierten Theorie des Ich-Ideals, schafft er ein Instrumentarium, mittels dessen er sowohl den destruktiven als auch den konstruktiven Einfluss von Idealen und damit auch ihr entwicklungsförderndes Potenzial aufdeckt. [ mehr ] Sofort lieferbar. Lieferzeit (D): 2-3 Werktage |
 | Christiane Ludwig-Körner, Karsten Krauskopf, Ulla Stegemann (Hg.) Frühe Hilfen - Frühförderung - Inklusion Stärkung der Eltern-Kind-Beziehung im Kindergarten
| EUR 24,90 |
Damit Frühförderung, frühe Bildung und Inklusion im Kindergarten keine bloßen Schlagwörter bleiben, müssen grundlegende Veränderungen geschaffen werden. Die AutorInnen zeigen, wie innovative kooperative Ansätze im Kindergarten Kinder und Familien erreichen können und verdeutlichen gleichzeitig den wachsenden Handlungsbedarf. [ mehr ] Sofort lieferbar. Lieferzeit (D): 2-3 Werktage |
 | Annelinde Eggert-Schmid Noerr, Joachim Heilmann, Ilse Weißert (Hg.) Unheimlich und verlockend Zum pädagogischen Umgang mit Sexualität von Kindern und Jugendlichen
| EUR 29,90 |
Die AutorInnen des vorliegenden Buches beschreiben die zahlreichen Facetten der sexuellen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und bieten pädagogischen Fachkräften Orientierungshilfen für einen bewussteren Umgang mit Verunsicherungen, Tabus, Ängsten und Mythen, die um das Thema Sexualität kreisen. Zugleich tragen die AutorInnen durch die Beschäftigung mit diesen Fragen zu einem positiven Zugang zur Sexualität bei. [ mehr ] Sofort lieferbar. Lieferzeit (D): 2-3 Werktage |
 | Margret Dörr, Johannes Gstach (Hg.) Trauma und schwere Störung Pädagogische Arbeit mit psychiatrisch diagnostizierten Kindern und Erwachsenen. Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 23
| EUR 24,90 |
Mit welchen strukturellen, institutionellen, kulturellen und methodischen Herausforderungen sehen sich Pädagoginnen und Pädagogen konfrontiert, wenn sie mit Menschen arbeiten, die als psychiatrisch krank diagnostiziert wurden oder von psychischer Erkrankung bedroht sind? Die hier versammelten Beiträge ermöglichen einen fundierten Einblick in gelungene, aber auch misslungene Praxiserfahrungen in unterschiedlichsten pädagogischen Kontexten mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Familien. [ mehr ] Sofort lieferbar. Lieferzeit (D): 2-3 Werktage |
 | Joachim Heilmann, Annelinde Eggert-Schmid Noerr, Ursula Pforr (Hg.) Neue Störungsbilder - Mythos oder Realität? Psychoanalytisch-pädagogische Diskussionen zu ADHS, Asperger-Autismus und anderen Diagnosen
| EUR 32,90 |
PädagogInnen und SozialarbeiterInnen sehen sich in ihren jeweiligen Arbeitsfeldern vermehrt mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen konfrontiert und geraten dabei an ihre Handlungsgrenzen. Die Häufung von Diagnosen wie ADHS, Asperger-Syndrom, Bipolarer Störung oder der Stimmungsstörung Disruptive Mood Dysregulation Disorder (DMDD) bestätigen diesen Eindruck. Doch haben psychische Störungen wirklich zugenommen? Oder hat sich nicht viel mehr die Sensibilität gegenüber diesen Auffälligkeiten verändert? [ mehr ] Sofort lieferbar. Lieferzeit (D): 2-3 Werktage |
 | Josef Christian Aigner, Gerald Poscheschnik (Hg.) Kinder brauchen Männer Psychoanalytische, sozialpädagogische und erziehungswissenschaftliche Perspektiven
| EUR 24,90 |
Während Erziehung und Bildung lange Zeit als »Frauensache« angesehen wurde, gewinnt neuerdings die Bedeutung von Männern in der Pädagogik ebenso wie in der Familie zunehmend an Aufmerksamkeit. Die Beiträgerinnen und Beiträger analysieren und diskutieren die Gründe der aktuellen Situation, geben einen Überblick über den gegenwärtigen Fachdiskurs und erörtern die neuesten Forschungsergebnisse. [ mehr ] Sofort lieferbar. Lieferzeit (D): 2-3 Werktage |
 | Susanne Walz-Pawlita, Beate Unruh, Bernhard Janta (Hg.) Identitäten Eine Publikation der DGPT
| EUR 36,90 |
In Zeiten zunehmender Globalisierung privater und beruflicher Lebensverhältnisse wird die Suche nach Identität und Selbstvergewisserung immer wichtiger. Im vorliegenden Band werden Identitätskonzepte verschiedener Wissenschaften zusammengeführt und diskutiert. Dabei werden die individuelle Entwicklung der Identität im Hinblick auf Alter, Geschlecht oder Religion ebenso wie die Möglichkeiten therapeutischer Unterstützung mittels Einzel- und Gruppentherapie betrachtet. [ mehr ] Sofort lieferbar. Lieferzeit (D): 2-3 Werktage |