20. Februar 2017 (Berlin)
2017-02-20
Buchvorstellung von
Christof Windgätter: »Wissenschaft als Marke – Schaufenster, Buchgestaltung und
die Psychoanalyse«
Ein einzelner Vortragsabend im Rahmen der Reihe »Aktuelle
Themen der Psychoanalysegeschichte«. Diese wird organisiert vom Berliner Forum
für Geschichte der Psychoanalyse und unterstützt von LUZIFER-AMOR, Zeitschrift
für Geschichte der Psychoanalyse.
Im Unterschied zur Ideen- und Personengeschichte der
Psychoanalyse sind deren materialen Voraussetzungen lange Zeit ohne gesonderte
Aufmerksamkeit geblieben. Dass man dabei keineswegs nur an soziale, technische
oder politische Aspekte denken muss, hat Lydia Marinelli in ihren wegweisenden
Arbeiten über die Institutionalisierungsgeschichte des Internationalen
Psychoanalytischen Verlages gezeigt. Das vorliegende Buch greift diese
Perspektive auf, um sie medienwissenschaftlich zu erweitern,
wissenschaftshistorisch ans Material zu binden und designtheoretisch produktiv
werden zu lassen. Dabei sind erstmals systematisch die konkreten Einband- und
Umschlaggestaltungen des Wiener Verlages in den Mittelpunkt gestellt worden. An
ihnen lässt sich zeigen, dass Bücher nicht nur inhaltlich, begrifflich oder
argumentativ in Diskurse eingreifen, sondern zuvor schon durch ihre
Erscheinungsweise epistemische Relevanz gewinnen. Genauer noch: Der
Internationale Psychoanalytische Verlag wird als Pionier einer Entwicklung
beschrieben, durch die um 1920 Markenbildungsprozesse aus den Industrie- und
Konsumkulturen in die Legitimationsstrategien wissenschaftlichen Wissens
eingeführt worden sind. So verschieben sich Geltungsbedingungen vom Menschen
auf Materialien, von Einsichten auf Einbände. Als Branding, Corporate Design
oder Labelling stellen sie seither und bis heute prägende Eigenschaften des
Wissenschaftsbetriebes dar. Aber auch im späteren Verlagswesen (etwa bei
Suhrkamp oder Merve) lassen sich designgetriebene Versuche zur Durchsetzung
spezifischer Theorieformen finden. Im Falle der Wiener Buchgestaltung sind ihre
wesentlichen Merkmale Namen, Farben, Typographien und Logos; als wesentliche
Bühne dient ihnen das Schaufenster, das zur selben Zeit eine städtebauliche
Größe in Europa geworden ist. Ziel des vorliegenden Buches ist es, durch die
Auf- und Umwertung von Äußerlichkeiten neue Forschungsperspektiven in der
(historischen) Epistemologie herauszufordern. Der Internationale Psychoanalytische
Verlag ist dafür ein privilegiertes Beispiel. Ungeachtet ästhetischer
Bewertungen seiner Bücher und auch jenseits ökonomischer Missgeschicke zeigt
er, dass eine Wissenschaftsgeschichte der Moderne nicht länger auf eine
Markengeschichte der Wissenschaften verzichten kann.
Termin:
20. Februar 2017 um 20:15 Uhr
Veranstaltungsort:
FUNDUS Antiquariat und Buchhandlung
Knesebeckstr. 20/21
10623 Berlin
Kosten:
Der Eintritt kostet 5,- Euro, ermäßigt 3,- Euro.