Rezension zu Das Gutachterverfahren für tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psychotherapie
PSYCHE
Rezension von Peter Kutter
»Wie schon das vierstellig bezifferte, hochdifferenzierte
Inhaltsverzeichnis zeigt, folgt das Buch dem Berichtsschema der
Richtlinien und damit implizit dem medizinischen Krankheitsmodell.
Explizit werden aber die methodischen Essentials der Psychoanalyse
wie Widerstand, Übertragung und Gegenübertragung lehrbuchartig und
ebenso detailliert abgehandelt wie die Abwehr- und Krankheitslehre.
Favorisiert wird dabei ein pragmatischer Zugang für das Verständnis
der Psychodynamik, während spezielle Theorien wie die von Melanie
Klein und Bion oder die Regressions- und Fixierungsmodelle,
besonders in der Psychosenlehre als »dramatisierende Aufkleber«
eigenwillig und respektlos kritisiert werden. Krill folgt einer für
viele leicht nachvollziehbaren ich-psychologischen
Kompromisstheorie. Damit löst er das oben erwähnte Dilemma der
Quadratur des Kreises zwischen klassischer Psychoanalyse und
Psychotherapie-Richtlinien, jedenfalls was die Anwendungen der
Psychoanalyse auf analytische und tiefenpsychologisch fundierte
Psychotherapie betrifft. Die Illusion, klassische Psychoanalyse im
Rahmen der Psychotherapie-Richtlinien durchführen zu können, ist
aufgegeben. Daraus resultiert allerdings die Notwendigkeit, dass
angehende Psychoanalytiker nicht nur in der klassischen
Psychoanalyse ausgebildet werden; sie sollten tunlichst zusätzlich
»analytische Psychotherapie« und »tiefenpsychologisch fundierte
Psychotherapie« erlernen, und zwar ausgerichtet an den
Psychotherapie-Richtlinien und am dazu gehörigen Kommentar.
Der Autor diskutiert noch den Einfluss des Therapeuten auf
Diagnose, Prognose, Indikation und Behandlungsplan und widmet auch
den häufigen Partnerschaftskonflikten ein Kapitel. Beherzigenswerte
Hinweise für eine verständliche Sprache ohne juristischen,
politischen oder populärpsychologischen Jargon und zwei genehmigte
Berichte als Muster beenden das übersichtliche und leicht lesbare
Handbuch. Hier werden – jenseits aller unfruchtbaren Polemik – in
vorbildlicher Weise »tiefenpsychologisch fundierte« und
»analytische Psychotherapie« zu Recht nicht nur als eigenständige
Anwendungen der Psychoanalyse aufgefasst, sondern auch als mit
Richtlinien und Kommentar kompatibel dargestellt: ein für alle am
Gutachterverfahren Beteiligten eminent nützliches Werk, das sich
auch gut zum Nachschlagen eignet.«
Zitiert aus der Zeitschrift PSYCHE, Ausgabe Januar 2010.