Rezension zu Befreiungsbewegung für Männer

Darmstädter Echo

Rezension von Gernot Böhme

»Das Buch wird als Stein des Anstoßes in der Landschaft liegen, thematisiert es doch Missstände, die offensichtlich sind, wenngleich man in der Regel nicht darüber stolpert. Selbst als Betroffener ist man erstaunt, was man bisher so alles stillschweigend hingenommen hat. Es geht um die missliche Lage der Männer in unserer Gesellschaft. Häufig angiffslustig, seltener besonnen, nur vereinzelt mit Humor und eher durch Statistik als durch Fallstudien belegt macht das Buch deutlich, dass den Männern mit ihren Problemen nicht genügend Aufmerksamkeit zugebilligt wird.«

»Als Zeichen der Benachteiligung von Männern wird immer wieder die im Verhältnis zu Frauen kürzere Lebenserwartung angeführt. Sie beträgt mittlerweile in Gesellschaften wie der BRD etwa sechs Jahre. Gerade hier sind allzu viele geneigt, die Fakten als naturgegeben hinzunehmen. Einerseits ist die Differenz jedoch nicht immer so groß gewesen, andererseits zeigt eine – auch in diesem Buch dargelegte – Studie an Klosterinsassen, dass die höhere Sterblichkeit der Männer in Wahrheit von den kulturellen Lebensbedingungen abhängt. Daraus folgern die Autoren und Autorinnen, dass die geringere Lebenserwartung ein deutliches Indiz für die soziale Schlechterstellung der Männer sei. Im Einzelnen wird gezeigt, dass die Selbstmordrate bei Männern wesentlich höher liegt, dass sie traditionell fast alle risikobeladenen und gesundheitsschädigenden Berufe ausüben und dass solchermaßen ihre Lebensweise lebensverkürzend ist. Damit zahlten die Männer für eine kulturelle Delegierung von Aufgaben, die von der Frauenbewegung immer als privilegiert bezeichnet wurde: höhere Berufsbelastung, weniger Eigenzeit, keine Chance, Gefühle auszuleben, oder Kränkungen aufzuarbeiten.«

»Das lässt am Ende doch die Frage zu, ob die Probleme, die das Buch mit geradezu erschreckender Deutlichkeit darlegt, wirklich durchweg Gender-Probleme sind, also die Männer treffen, weil sie Männer sind. Es könnte ja auch sein, dass sie allgemein Probleme unserer forciert auf Leistung setzenden Gesellschaft sind – und dann würden die Frauen, je mehr sie in alle Bereiche dieser Leistungsgesellschaft integriert sind, davon ebenso betroffen sein.«

Zitiert aus dem »Darmstädter Echo (17.11.2009).

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