Rezension zu Kinder der Shoah
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Rezension von Christin Frankenberg
»Kinder der Shoah« von der Autorin Jolanda Gampel, die in ihrem
Buch eigene Erfahrungen und damit verbundene Gefühle und Gedanken
verarbeitet, reflektiert die traurige Geschichte der Shoah aus den
Augen der Kinder überlebender KZ-Gefangener und Flüchtlinge, die
unweigerlich die Wucht der seelischen Trümmer der Eltern oder
Großeltern zu spüren bekommen. Yolanda Gampel berichtet von
außergewöhnlichen Therapiesitzungen in denen jene Kinder – Kinder,
deren Eltern während des zweiten Weltkriegs dem Tod nur knapp
entflohen sind – ihr Wissen als Therapeutin auf spektakuläre Weise
unter Beweis stellen. Ihre unbewussten, auf die Traumata der Eltern
gerichteten, Reaktionen münden in Symptomen wie Angstzuständen,
Aggressionen oder willkürlich auftretende Änderungen ihrer
Persönlichkeit. In ihren meist sehr jungen Jahren, sind diese
Kinder nicht in der Lage ihre Gefühle verbal zum Ausdruck zu
bringen. Es bedarf der Hilfe einiger therapeutischer
Verfahrensweisen, die in diesem Buch auf entsprechende Fälle
jeweils Anwendung finden. Die von harten Schicksalsschlägen
durchwucherte Vergangenheit der Eltern, spielt in jedem Fall eine
entscheidende Rolle. Durch nachvollziehbare Beispielfälle
verdeutlichte Arbeiten von Yolanda Gampel, wird nicht allein
angehenden oder praktizierenden Psychoanalytikern die Faszination
dieses Buches zuteil, vielmehr wird auch interessierten, jungen wie
auch älteren Menschen die Möglichkeit gegeben, in die Thematik und
Geschichte der Shoah einzutauchen und den Gedanken der Autorin
bezüglich der Folgegenerationen zu folgen. Hilfreich für eine
solche Vertiefung sind mehrfach illustrierte Skizzen von Patienten,
die spielerisch
die Botschaften aus ihrem Innersten versuchen nach außen zu tragen.
Dem Leser kommt somit die Rolle eines Zuschauers zu, der Schritt
für Schritt die Handlung verfolgen kann.
Gegliedert ist das Buch in zehn Kapitel, die somit die Trennung von
Fall zu Fall erleichtern.
Persönliche Anmerkungen der Autorin lassen gar nicht erst den
Gedanken zu, dass es sich hierbei lediglich um einen Abklatsch
einer, mit fachspezifischen Phrasen ausgestalteten, Doktorarbeit
handeln könnte. Im Literaturverzeichnis wird dem Leser die
Möglichkeit gegeben, sich mit den Quellen des Buches zu
beschäftigen, um je nach Wunsch weiter in die Thematik
einzutauchen.
Dieses Buch stellt für mich eine gelungene Abwechslung zum
realitätsverdrängenden Fantasiekrieg anderer Bücher dar. Es regt
unweigerlich zum Nachdenken an und vermittelt Eindrücke, die sich
im eigenen Denkvermögen festhaken. »Kinder der Shoah« zeigt auf,
dass Vergangenes nicht einfach durch eine gedachte, heile Welt
ersetzt werden kann, sondern nach wie vor präsent ist und einer
Verarbeitung bedarf. Die Nachwirkungen des Krieges und dessen
Beschreibungen in diesem Buch sind freilich schwer verdaulich,
nichtsdestotrotz schafft es die Autorin, dass man sich damit
auseinandersetzen möchte, um verstehen zu können. Für jüngere
Leser, die fernab des Krieges, hautnahen Kriegserfahrungen
und Menschen, die diesem Grauen ausgesetzt waren, in einer heilen
Welt aufwuchsen und mit
Worten wie Judenverfolgung, Konzentrationslager oder Flucht
lediglich so etwas wie
unterrichtsbezogenen Lernstoff assoziieren, stellt dieses Buch
dennoch eine gewisse geistige
Herausforderung dar. Umso leichter fällt es, sich vorzustellen,
warum nach so vielen Jahren noch immer Angst und Trauer das Leben
Überlebender bestimmen, da Yolanda Gampel ihre persönlichen
Eindrücke so bildhaft wie möglich darbietet. Kritisch zu betrachten
wäre lediglich, dass sich die Geschichten in den einzelnen Kapiteln
zwar spezifisch voneinander unterscheiden, jedoch grundlegend eine
immer wieder kehrende Ähnlichkeit besteht, die gegen Ende des
Buches leicht schleifend und damit dem Mitgefühl, einer, auf sich
selbst
projizierten Starre, ausgelöst durch Erkenntnis, unweigerlich
entgegenwirkt.
Schlussendlich bleibt nur die Anmerkung, dass dieses Buch wahrlich
dazu beiträgt, dass die, während der Schulzeit im
Geschichtsunterricht gelernten, Stichpunkte, die irgendwo in den
dunklen Ecken unserer Gedanken schmoren, nun neu geordnet und in
einen eigenen emotionalen Zusammenhang gebracht werden können.
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