Rezension zu Film und Psychoanalyse

Zeitschrift für psychoanalytische Theorie und Praxis, Jahrgang XXIV, 2009, 3

Rezension von Philipp Soldt

»(...) An diesem Band ist nun spannend, dass die einzelnen Beiträge selbst, so zerstreut sie infolge der jeweils eigenen Art der Annäherung an den jeweiligen Film auch sein mögen, sich zum Konzentrat einer gegenwärtigen sozialen Symptomatologie verdichten (lassen). So finden sich wiederkehrende Themenkomplexe, denen sich die einzelnen Filme zuordnen lassen, und über die Zusammenhänge, die so entstehen, lassen sich Elemente beschädigter heutiger Subjektivität erkennen. Einen inhaltlichen Schwerpunkt bildet etwa die Auseinandersetzung mit Filmen, die sich jenem Aspekt unserer Gegenwart stellen, ihn sich visuell zunutze machen, um ihn damit gleichzeitig auch zur Anschauung frei zu geben, den man die medial vermittelte Entwirklichung der Wirklichkeit nennen könnte, bzw. die »Virtualisierung der Differenz zwischen Realität und medialer Realität« (S. 16). In diesem thematischen Feld sind zuletzt so viele sehenswerte Filme entstanden, dass ein Sammelband allein hierzu denkbar gewesen wäre.

Der Filmwissenschaftler Manfred Riepe nimmt die beiden Filme »Matrix« (Wachowski bzw. Wachowski, USA 1999) und »eXistenZ« (Cronenberg, USA, CDN, GB 1998) unter die Lupe, von denen ersterer bereits bei seiner Uraufführung Klassikerstatus erhalten zu haben scheint. Derart paradigmatisch und radikal wird hier der oben Virtualisierung genannte Umgang mit Realität vorgeführt. Dass dieser Film jedoch seine Geschichte einzig erfinde, um daran den Zuschauer an neuartige digitale Effekte gewöhnen zu können, wie es die These Riepes ist, wage ich zu bezweifeln. Dazu ist der zentrale Widerspruch der Geschichte dem Widerspruch in der Rezeption dieses Films zu verwandt. Ganz nah werden wir Zuschauer an einen tiefgreifenden Trugschluss unserer käuflichen Realität herangeführt, das Gefühl des Protagonisten Neo, dass etwas grundsätzlich nicht stimmt, ist als unser eigenes zum Greifen nah. Die überwältigende Visualität des Films, seine wahrhaft opulente Bildgewalt selbst fungiert jedoch als blaue Pille, die uns zum Schlucken über die gesamte Dauer des Films angeboten ist, um uns diese schreckliche Verunsicherung vom Leib zu halten, indem wir das, was wir sehen, als perfektes Martial-Arts-Ballett zu sehen bekommen. Mit diesem Film, so kann man es etwas düster sehen, scheint ein Schicksal besiegelt: Ein für alle Mal hat die ästhetisierte Oberfläche, das, was von dahinter zu uns durchscheint, unerreichbar versiegelt – versiegelt sie sich, indem wir uns sehend für das bloße Sehen entscheiden. (...)«


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