Rezension zu Tat-Sachen
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Rezension von Dr. Andreas G. Franke
Thema und Zielsetzung
Die Autoren begegnen der allgemeinen Angst und dem Unverständnis
gegenüber (pädophilen) Sexualstraftätern und der in der Literatur
qualitativ und quantitativ nur gering ausgeprägten
Auseinandersetzung mit diesem schwierigen Thema mit der Analyse
therapeutischer Gruppensitzungen von inhaftierten
Sexualstraftätern. Auf der Basis von Transkripten nutzen und
erklären die Autoren zum einen die KANAMA (Konversations-,
Narrations- und Metaphernanalyse) als sozialwissenschaftlich und
psychologisch innovative Technik, klären zum anderen über den
Umgang der Täter mit ihren Taten auf und erlauben weit reichende
Einblicke in die Erlebens- und Erklärungswelt von paraphilen
Sexualstraftätern.
Entstehungshintergrund
Die Sektion Forensische Psychotherapie der Universität Ulm wertete
90 1,5-stündige audiovisuelle Aufzeichnungen gruppentherapeutischer
Sitzungen mit 16 inhaftierten überwiegend pädophilen
Sexualstraftätern aber auch Exhibitionisten aus, die von zwei
erfahrenen Psychologen einer Justizvollzugsanstalt geleitet wurden.
Die Aufzeichnungen wurden aufmerksam transkribiert und ergaben
aufschlussreiche Tat-Narrative.
Autoren
Das Autorentrio besteht aus Michael B. Buchholz, Franziska Lamott
und Katrin Mörtl.
Prof. Dr. Dr. Dipl.-Psych. Michael B. Buchholz ist
Sozialwissenschaftler und Psychologe. Er war Leiter der
Forschungsabteilung einer psychiatrischen Klinik der Universität
Göttingen, ist seit 1995 Professor für Sozialwissenschaften der
Universität Göttingen, Mitbegründer der Sigmund-Freud-Universität
(Wien) und Lehranalytiker (DGPT, DPG) und verfügt über Expertise in
mehreren Psychotherapieverfahren. Er veröffentlichte zahlreiche
wissenschaftliche Aufsätze sowie zahlreiche Fach- und
Sachbücher.
Die Soziologin und Sozialpsychologin Frau Prof. Dr. Franziska
Lamott ist an der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin
und Psychotherapie in der Sektion Forensische Psychotherapie tätig.
Franziska Lamott sammelte mehrere Jahre Erfahrungen am Institut für
Strafrecht der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie hat eine
Gastprofessur zur Genderforschung in Basel inne und engagiert sich
als Gleichstellungsbeauftragte an der Universität Ulm. Aus ihrer
Feder stammen zahlreiche Publikationen.
Frau Mag. phil. Kathrin Mörtl ist als wissenschaftliche
Mitarbeiterin an der Universitätsklinik für Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie Ulm tätig.
Aufbau und Inhalt
Das Buch gliedert sich auf 525 Seiten in 8 Kapitel, von denen jedes
wiederum in übersichtliche Abschnitte bzw. Unterkapitel unterteilt
ist.
Nach Geleit- und Vorwort beginnen die Autoren mit einem Kapitel
über »Text und Kontext«, nähern sich hier dem Forschungsfeld an und
schildern ihre Ziele. Zunächst findet ein kurzer Überblick über die
bestehende forensische Literatur, die Entwicklung forensischer
Begriffe in der Diagnostik und die Ätiologie vor allem aus
psychoanalytischer Perspektive statt. Darauf folgend beschreiben
die Autoren die aufgezeichneten Gruppensitzungen genauer. Sie gehen
auf Teilnahmebedingungen, Rollenwechsel und Motivdarstellungen von
Sexualstraftätern unter den speziellen Bedingungen in einer
Justizvollzugsanstalt bzw. einer soziotherapeutischen Einrichtung
des Strafvollzugs und den sich aus diesem Spannungsfeld ergebenden
Diskrepanzen ein. Auch ergeben sich in diesem Kapitel erste
Hinweise auf Erklärungsversuche von pädophilen Sexualstraftätern
für ihre Taten aus bestehender Literatur und der vorliegenden
Untersuchung.
Schließlich formulieren die Autoren die »Ziele dieser Studie« und
nennen hier die (Wieder-) Aufarbeitung der Biographien der Täter im
Rahmen des Kausalitätsprinzips und das Durcharbeiten der Tat bzw.
der Taten. Gleichzeitig wird allerdings auch auf die kausale
Begrenztheit von biographischen Darstellungen hingewiesen, um eine
»allgemeine Theorie des Sexualstraftäters (zu) destillieren«.
Generell gilt: die Taten sind keineswegs motiviert von freier und
fröhlich enthemmter Lust (-auslebung) oder gar von »Sexualmonstern«
begangen worden, sondern von Tätern mit einem kärglichen und
verzagten Bild von Sexualität, großer Verklemmtheit und
Verschüchterung, wobei das moralische Moment der Schuld (-frage)
von den Betreffenden verleugnet und verdrängt bzw. beständig
(nach-) verleugnet wird.
Das zweite Kapitel stellt als Methodenkapitel die »KANAMA:
Konversations-, Narrations- und Metaphernanalyse« als qualitative
Forschungsmethode der Sozialwissenschaften und Psychoanalyse
ausführlich dar, bei der die Art und Weise der Schilderungen
(beinahe) größeres Gewicht bekommt als der Inhalt. Bei der
Würdigung der hierfür relevanten Literatur wird mehrfach auf
Studien von »Baby-Watchern« wie beispielsweise Daniel Stern und
weitere Studien an Kindern hingewiesen, die Auskunft über
grundlegende und intrinsische kommunikative Fähigkeiten geben.
Das Autorentrio beginnt mit einem Unterkapitel über die
Konversationsanalyse, wobei zuerst auf den interaktiven Vollzug von
Konversation und dann auf die interne Kommentierung hingewiesen
wird, wodurch die Analyse verkompliziert wird, gleichzeitig aber
gerade relevante Aussagen über den Sprecher und dessen Beimessung
von Bedeutung zum Gesagten erlaubt, allerdings wiederum vom
Sprecher auf den Zuhörer zugeschnitten wird. In weiteren
Unterkapiteln geben die Autoren Auskunft über das Entschlüsseln von
Abwehrmechanismen in der Konversationsanalyse, die Fähigkeit sich
selbst beim Denken zu beobachten und eigene Motive zu konstruieren
(Mentalisierung), »Erzählung und Erzählen«, die interaktive
Verständigung über Symbolkonstruktion und -gebrauch, wie sie
bereits zwischen Mutter und (Klein-) Kind deutlich wird
(interaktiver Symbolbegriff) und den »Augenblick und die Kinetik
der Interaktion«. Hier nehmen sie erneut intensiv Bezug auf die
Studien der Bostoner Forschungsgruppe um Daniel Stern (z.B.
implizites Beziehungswissen, somethinig more, fitting together,
being sync).
Die Narrationsanalyse ist Thema des nächsten Unterkapitels, die
recht ausführlich besprochen wird. Die Autoren verwenden u.a. den
Terminus des »Mind Reading«, dem sie ein Unterkapitel gewidmet
haben, und führen aus, wie sich ein Zuhörer Erschließungshilfen
bedient und wie intensiv sich der Sprecher bei der Darstellung von
Sachverhalten, impliziten Voraussetzungen und Erwartungen bedient
(»Die meisten Menschen nehmen einfach an, dass andere die gleichen
Dinge kennen wie sie auch und dass sie diese auf die gleiche Weise
kennen.«). Dabei wird der Stellenwert des »social brain« und des
unbewussten und impliziten Erspürens betont, wobei anschauliche
Beispiele und Berichte von Forschungsergebnissen helfen. Es wird
deutlich, wie gut und schnell sich pädophile Straftäter in das
Seelenleben ihrer Opfer und von Polizei- und Vollzugsbeamten sowie
Therapeuten etc. einfühlen können und wie versiert sie ihre
Fähigkeiten in der Kontaktanbahnung zu potentiellen Opfern zu
nutzen wissen. Am Ende des Kapitels findet sich ein Unterkapitel
über »Desorganisierte Geschichten« und eines über »Narrative
Räume«, in denen anhand erster Aussagen von Studienteilnehmern das
bislang in diesem Kapitel Dargestellte Anwendung findet.
Das letzte Unterkapitel stellt die Metaphernanalyse dar, wobei
Metaphern weit mehr sind als Verzierungen der Sprache. Die Metapher
reduziert und steigert gleichzeitig die Komplexizität von Sprache.
Diese Analyse ist immer eine individuelle Analyse, die auch
Auskunft über den therapeutischen Wandel gibt. Am Ende greifen die
Autoren beispielhaft auf »idealisierte kognitive Modelle« vor, die
im Verlauf des Buches noch näher erläutert werden. Schließlich wird
die Software zur Durchführung der Textanalyse vorgestellt, gefolgt
von einer Zusammenfassung der KANAMA-Methode.
Das nächste Kapitel, »Der therapeutische Kontext in der
Darstellung«, analysiert in mehreren Unterkapiteln erste von den
pädophilen Sexualstraftätern angewandte Stilmittel aus den Anfängen
der therapeutischen Sitzungen. Hier geht es um die Erkämpfung des
(ersten) Rederechtes, Rangordnung sowie Sieg und Niederlage während
des Auftaktes. Hier werden kunstvolle Modi von deviantem
Konformismus (»Gleiche unter Gleichen«) und der Auszeichnung der
Teilnehmer durch die Tat zur Zugehörigkeit einer exklusiven Gruppe
(»Umbau von Strafe zu Auszeichnung«) als gemeinsame psychosoziale
Abwehr deutlich.
»Die Schaffung der ›dritten Option‹« zeigt die Umgehung von
Eindeutigkeit von schwarz vs. weiss, schuldig vs. nicht-schuldig in
der Narration der Sexualstraftäter auf. Daraufhin werden in einem
Kapitel über »Gegengifte gegen die dritte Option« gegensteuernde
therapeutische Mittel dargestellt. Hier wird deutlich, wie die
teilnehmenden Pädophilen nativ und unter therapeutischem Druck in
den Schilderungen ihrer Straftaten »Haken schlagen« und sich mit
verschiedenen Stilmitteln um die Entstehung von Klarheit
»herumdrücken«.
Das nächste Kapitel fokussiert »Abwehrformen in der Gruppe«.
Zunächst wird die »Zählt-als-Umwandlung« dargestellt (Vgl. papierne
Geldscheine »zählen als« Geld), die in der Metaphorik von den
Teilnehmern häufig angewendet wird. Wie sie sich »als«
Schicksalsgemeinschaft »zählen«, so »zählen« und ordnen sie auch
ihre Taten »als« bestimmte Kategorie ein, was folgenreich für den
Umgang mit dem Geschehenen ist. Hierzu zählt die
Selbst-Kategorisierung der Täter und ihrer Taten z.B. zu
»Sexualstraftätern« oder zu »sexuellem Fehlverhalten« und decken
eine Hierarchisierung unter den Straftätern auf (generelle
»Kinderficker« vs. inzestuöse Unzucht). Im Verlauf des Kapitels
erarbeiten die Autoren »Das ironische Spiel mit der
Kategorisierung« und beleuchten die »Sozialen Scanning-Fähigkeiten«
von Sexualstraftätern, die zu erstaunlichen empathischen Leistungen
in der Lage sind und daraus schnell und mühelos die Intentionen
ihres jeweiligen Gegenübers (mitsamt des Therapeuten) ableiten
können, wobei die Täter selbst schnell die Rolle als »Gutachter«
über ihre eigenen Taten und die anderer Teilnehmer einnehmen, somit
sich beinahe als Co-Therapeuten zu verorten suchen. Diese Rolle
können sie allerdings auf Grund der Diskrepanz zwischen eigener Tat
und erkannter Moral nicht durchhalten. Danach begibt sich das
Autorentrio auf die Suche nach »originellen« und »passenden«
Metaphern für das Tatmotiv und Bagatellisierungen bei den an der
Studie teilnehmenden Sexualstraftätern. »So wird zum Beispiel das
Delikt zu einem First Date« umgestaltet und die darauf folgende Tat
als Suche einer Lolita nach Nähe, Liebe und adulter Sexualität
dargestellt.
Aufschlussreicherweise nehmen die Täter solcherlei Umgestaltungen
im impliziten Wissen um ihre Schuld und der Schändlichkeit ihres
Handelns vor. »Passivierungen« sind in Schilderungen vieler
Sexualstraftäter zur Abwehr bzw. Schuldentlastung zu finden und
besagen, dass sie selbst nicht aktiv gehandelt haben, sondern das
Geschehen ihnen quasi zugestoßen ist. Auch dieser Modus der
Darstellung kann von den Tätern nicht durchgehalten werden, wie an
der Analyse der Narrative gezeigt wird.
Passivierungen werden durch »Entsubjektivierung« im darauf
folgenden Kapitel gesteigert, mit der die Täter bereits das
bewusste Tatmotiv zu leugnen versuchen.
Durch die »Szenische Umkehrung« im nächsten Kapitel, das über einen
ausführlichen Exkurs über das Unbewusste verfügt, transformiert
sich der Sexualstraftäter über die Passivierung und
Entsubjektivierung endgültig in die Opferrolle. Die Autoren
berichten hier von einem pädophilen Busfahrer, der über kleinere
Ämter im Sportverein seine Opfer »rekrutiert«, angeblich vom
Dorfpfarrer und Bürgermeister gedeckt wird, dadurch die Gelegenheit
bekommt, weitere Sexualstraftaten zu begehen, bei rechtzeitiger
Anzeige aber von weiteren Taten abgehalten worden wäre, wodurch er
durch angebliches »Wegschauen« zur Kontinuierung seiner Straftaten
verleitet wird und so in die Opferrolle schlüpft.
Eine weitere Möglichkeit der Entlastung in der Narration ist die
Vergabe der Verfolgerrolle an das Opfer, das dem Täter nachgestellt
habe. Hier schildert ein Patch-Work-Vater, wie es die Stieftochter
auf sexuelle Kontakte »anlegte«. Darüber hinaus schildert ein
anderer Patch-Work-Vater, wie die Stieftochter eine Art
Komplizenschaft mit ihm eingegangen sei und die »gemeinsamen
sexuellen Erlebnisse« der Mutter gegenüber verschwiegen habe, ihn
selbst damit gedeckt hätte und von der Justiz quasi gegen ihren
Willen gezwungen worden war, ihn zu beschuldigen.
Darüber hinaus werden im Verlauf weitere perfide Narrative der
pädophilen Sexualstraftäter dargestellt. Die Zusammenfassung des
Kapitels trägt den Titel: »Eine Liebe, die schadet«, wenn adulte
perverse – wie es in älteren Diagnosemanualen benannt wird –
sexuelle Interessen an Kindern und Jugendlichen ausgelebt werden
und schwere Schäden in ihrer sensiblen psychosexuellen Entwicklung
anrichten.
Das nächste Kapitel gibt Auskunft über »Mikrostrukturen der
Konversation« und beginnt mit der Darstellung konversationeller
Strategien sexueller Straftäter, ihren Erzählungen Glaubhaftigkeit
zu verleihen, wobei klar wird, dass sie sich gegenseitig in ihrer
Glaubhaftigkeit anzweifeln, was anhand zahlreicher Beispiele
illustriert wird. Darüber hinaus müssen Schilderungen von
Sachverhalten nicht unbedingt der Aufarbeitung dienen, sondern
erregen mitunter pädophile Phantasien anderer Gruppenmitglieder.
Weiterhin wurden »Konversationelle Anpassungen« im Rahmen einer
Übernahme des Therapeutenjargons und daraus folgend eine Art
Fügsamkeit der Straftäter beobachtet. Ein weiteres beobachtbares
Phänomen ist die Identifikation der Gruppenmitglieder mit dem Opfer
(oder dem Täter), was die Erzählungen schambesetzter Inhalte
anderer Gruppenmitglieder mitunter zu erleichtern scheint. Auch
leisten die Sexualstraftäter mit der Identifikation selbst
therapeutische Arbeit, indem sie sich gegenseitig die
Abscheulichkeit ihrer Taten durch Perspektivübernahme der Opfer
widerspiegeln.
Das Kapitel wird abgeschlossen mit einem Unterkapitel über
„Initialzündung – Der Blick“. Hier wird darüber informiert, wie
bereits die Sichtweise (»wie er das Mädchen angeschaut hat«) auf
ein potentielles Opfer determinierende Funktion auf die spätere Tat
haben kann.
Das vorletzte Kapitel gibt Auskunft über »Die Rolle der Metapher in
der Konversation« und zeigt zunächst die Anwendung von passenden
und »schrägen«, sowie »kreativen« nicht-passenden Metaphern, die an
Beispielen illustriert werden. Generell scheint das Stilmittel der
Metaphorik im therapeutischen Prozess zunehmend von den
Gruppenteilnehmern Verwendung zu finden. Das nächste Unterkapitel
beschäftigt sich dann mit »Metaphorischen
Biographiekonstruktionen«, in denen die Gruppenteilnehmer
Erklärungsansätze für ihre Taten in ihrer Biographie suchen.
Schließlich wird das Augenmerk auf »Die Übertragung biographischer
Erzählformate« (Tragödie, Komödie, etc.) gelegt und dargestellt,
wie und welche Formate die Gruppenteilnehmer für ihre Taten
heranziehen. Dabei konnten die Autoren vier typische Typen von
Erzählungsmodi herauskristallisieren: die Krankengeschichte, der
Entwicklungsroman, die Vita Sexualis und das Familiendrama, die von
den Straftätern erklärend für ihr Verhalten bzw. zur
Schuldentlastung herangezogen werden. Hier erscheinen Narrative von
Interesse an Photographie, uro-genitalen Insuffizienzen und
Operationen, Übermacht von Frauen am Arbeitsplatz, »Schwäche« in
der Frühkindheit, nicht erfüllter elterlicher Erwartungen, früher
Kontakt mit Pornographie etc.
Das letzte Kapitel dreht sich um »Männlichkeits- und
Weiblichkeitskonstruktionen« und fragt nach dem männlichen
Selbstbild der pädophilen Sexualstraftäter und der Beziehung zum
Weiblichkeitsbild. Das stählerne Männlichkeitsideal steht dabei dem
empfindsamen weiblichen Bild gegenüber, wobei das Nicht-Erfüllen
des männlichen Ideals erneut zu Hierarchisierung und zu
Stigmatisierung auch unter den Gruppenmitgliedern führt, wie es
sich in deren Interaktion deutlich zeigt. Diese idealisierten
kognitiven Modelle enthalten nicht nur kognitive, sondern auch
emotionale Aspekte. Darüber hinaus untersuchen die Autoren im
ersten Unterkapitel »Idealisierte Gender-Konfigurationen« und
stellen dar, wie Männlichkeit durch deviante Sexualpräferenz unter
Druck gerät und welche Formen beschädigter Männlichkeit in den
Narrativen zu finden sind. Verknüpft werden die analysierten
Gender-Vorstellungen der Gruppenteilnehmer mit deren Erfahrungen
der Vater- und Mutterrolle. Dies wird in Bezug zu den begangenen
Straftaten gesetzt, wobei sich die unterschiedlichen
Gender-Vorstellungen der pädophilen Straftäter zeigen: von der
männlichen Dominanz des verständnisvollen Mannes als Retter der
Frau über den selbstbezogenen, sexuell-aggressiven Mann, den
verführten, unschuldigen Mann bis hin zur mütterlich-weiblichen
Dominanz der Frau und dem Ausgeliefertsein des beschämten Mannes
und der Impotenz des Mannes.
Nach einer Zusammenfassung dieses Kapitels werfen die Autoren einen
»Rückblick auf eine lange Strecke« und runden ihr Werk mit
Literaturangaben und Kurzbiographien der Gruppenteilnehmer ab.
Zielgruppe
Das Buch zielt zum einen auf eine Klientel ab, die sich beruflich
mit pädophilen Sexualstraftätern beschäftigt und zum anderen auf
diejenigen, die an einer psychologisch und sozialwissenschaftlich
innovativen qualitativen Forschungsmethodik (Konversations-,
Narrations-, Metaphern-Analyse, KANAMA) und deren Anwendung
interessiert ist.
Fazit
Michael B. Buchholz, Franziska Lamott und Kathrin Mörtl berichten
in ihrem Buch nicht nur über »Tat-Sachen« im Zusammenhang mit
inhaftierten (pädophilen) Sexualstraftätern, sondern stellen enorm
theoriefundiert und kenntnisreich aufschlussreiche Hintergründe,
Motive, Erklärungen, Abwehrmechanismen, den Umgang mit dem
Geschehenen, Effekte therapeutischer Interventionen, etc. dar. Die
Autoren schildern daran theoriefundiert und kenntnisreich eine
innovative sozialwissenschaftlich und psychologisch qualitative
Analysemethode (Konversations-, Narrations-, Metaphern-Analyse,
KANAMA).
Aus der Boulevardpresse bekannte »reißerisch-skandalisierende«
Inhalte über Sexualstraftäter erfährt der Leser nicht, sondern er
gewinnt an Tiefe in dieser schwierigen Thematik und zudem an
Erkenntnis in qualitativer Forschungsmethodik.
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