Rezension zu Psychoanalyse lesbischer Sexualität

Ärztliche Psychotherapie und Psychosomatische Medizin 03/2009

Das Buch ist die Veröffentlichung der Dissertation. Die Schreibe wirkt wissenschaftlich. Die Gliederung erfolgt formgerecht: Allgemeiner Theorieteil, Darstellung der empirischen Arbeit, Auswertung und Fokussierung der speziellen neuen Theoriebildung, umfassende Bibliografie.

In der Theoriebildung finden wir eine gute Zusammenfassung bisheriger psychoanalytischer Literatur zum Thema. Die empirische Untersuchung wirft, ob der Stichprobe wie der Reduzierung des Materials auf vier telefonisch geführte Interviews, deutlich Fragen auf; Mängel in der sozialwissenschaftlichen Methodik sind evident. Mittels einer eklektizistischen Melange unterschiedlicher psychoanalytischer Ansätze untermauert Torelli ihre theoretische Implikationen und Interpretationen. Zentrales Thema ist die Generativität von Frauen und Lesben. Torelli sieht in der biologischen Umsetzung des Kinderwunsches und sozialen Integration des Elternpaars die Lebenserfüllung. Ohne diese erfuhren Frauen und Lesben tiefgreifende, traumatische, kaum zu kompensierende Verletzungen in ihrer Identität. Ist die Psychoanalyse insgesamt erfahren in Symbolisierung und Sublimierung, wirkt die Autorin hier biologistisch. Ihre These der Generativität wird als selbstverständlich postuliert. Die Bedeutung weiblicher Kreativität losgelöst vom Muttermodell (Modersohn-Becker, A. B. Toklas, G. Stein) wird nicht aufgenommen. Im historischen Diskurs fehlen wichtige Details. Der §175 wurde erst 1994 – in Angleichung an DDR-Recht – aufgehoben,

Torellis Buch ist ein ernstzunehmender Theoriebaustein in der Diskussion. Hoffnungen auf eine positivkonstruktive Theoriebildung zu lesbischer Sexualität und Identität werden enttäuscht. Zurück bleibt eine erneut pathologisierende Defizittheorie.

Rezension von Christina Baer, Antje Doll

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