Rezension zu Bewaffneter Widerstand
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Rezension von Cassandra Schiller
Während des zweiten Weltkriegs lebte Tuvia Bielski mit seinen
Eltern und Geschwistern im Dorf Stankiewicz, nahe der Stadt
Nowogródek. Als die Judenverfolgung durch die Deutschen auch in
ihrem Dorf Einzug hielt flohen Tuvia und einige seiner Brüder und
kämpften zuerst nur um ihr eigenes Überleben. Als jedoch die Eltern
und Geschwister gefangen genommen und ins Ghetto deportiert wurden,
trafen sie erstmalig die Entscheidung auch anderen Juden zu helfen.
Die Bielski-Einheit rettete unzähligen Menschen das Leben. Sie
entwickelte sich zu einer der stärksten, und zeitweise mit über
1200 Mitgliedern auch größten, Partisanengruppen in den Wäldern
Weissrusslands. Von Tuvia Bielski angeführt glaubten sie daran,
dass ihre Sicherheit von ihrer Größe abhängig sei und nahmen
bedingungslos jeden auf, der ihr Schicksal teilte. Obwohl dies dazu
führte, dass der Großteil ihrer Einheit aus »nutzlosen Essern«
bestand und bewaffnete Kämpfer Mangelware waren, verloren sie
deutlich weniger Mitglieder, als jede andere Partisanengruppe.
Unter dem Motto »Es ist besser einen Juden zu retten, als tausend
Deutsche zu töten!« wurden sie zum Wandervolk, das meistens lieber
floh als kämpfte – und somit viele kluge Entscheidungen traf. Nur
für die Familie der Bielski-Brüder kam jede Hilfe zu spät. Sie
wurden am 08. Dezember 1941 zusammen mit drei- bis viertausend
anderen Juden im Ghetto von Nowogródek von den Deutschen
erschossen.
Die Familie Bielski lebte als Bauern mit eigener Getreidemühle in
ehemals polnischem Gebiet. Der zurückhaltende Vater und die
freundliche Mutter brachten ihren Kindern Respekt vor anderen,
jedoch vor allem auch vor sich selbst bei. Sie lehrten sie vom
ersten Tag an sich Unrecht nicht gefallen zu lassen und legten mit
ihrer Erziehung wahrscheinlich den Grundstein für die mutige
Entschlossenheit mit der die Bielski-Brüder Tuvia, Zus und Asael
später die wohl beeindruckendste Partisaneneinheit der Welt
anführten.
Nechama Tec, deren Eltern und Geschwister ebenfalls durch die
Bielski-Einheit vor dem Tod bewahrt wurden, traf Tuvia nur wenige
Tage bevor er starb und führte ein ebenso erstaunliches, wie
berührendes Interview mit ihm. Es dauerte gerade einmal zwei
Stunden und doch hatte sie am Ende das Gefühl ihn wieder zu
erkennen, obwohl sie ihm selbst vorher nie begegnet war – wieder zu
erkennen aus all den Interviews, die sie zuvor mit unzähligen
ehemaligen Mitgliedern der Bielski-Einheit geführt hatte. Sie
erkannte ihn als charismatischen und, trotz seines bereits
fortgeschrittenen Alters, noch immer sehr gut aussehenden Mann, als
beeindruckende Persönlichkeit mit widerstreitenden Gefühlen und
einer Ausstrahlung, die zugleich so autoritär, als auch sanft
schien, dass sie erahnen konnte, wie er es schaffte, in einer so
schweren Zeit, wie dem zweiten Weltkrieg, in eine so große Gruppe
von Menschen, deren Leben bedroht war, Disziplin und Ordnung,
jedoch auch Wärme und Verständnis einzubringen.
In ihrem Buch liefert sie die Fakten der damaligen Zeit und
beschreibt die grauenhaften Umstände, denen so viele ausgesetzt
waren. Den vielen Menschen, die sie durch Interviews zu Wort kommen
lässt, gibt sie jedoch die Möglichkeit eine Geschichte zu erzählen
– ihre Geschichte.
»Bewaffneter Widerstand – Jüdische Partisanen im Zweiten Weltkrieg«
gewinnt gerade durch seinen massiven subjektiven Stil an
Objektivität und hilft der Wahrheitsfindung wie kein zweites Buch,
indem es alle Kritiker zugleich sprechen lässt, nichts zensiert und
Alltag, heroischen Taten und Desastern gleichermaßen Platz gibt. Es
zeigt, dass Juden sich keineswegs immer nur der Opferrolle fügten.
Es zeigt, dass viele ihr Schicksal einfach selbst in die Hand
nahmen und Lebensumstände in den Wäldern akzeptierten, die wir uns
heutzutage wahrscheinlich nicht einmal vorzustellen vermögen, um zu
überleben.
Nechama Tec schrieb die Geschichte eines beeindruckenden Mannes
nieder, doch sie schrieb keine reine Lobeshymne. Sie beschrieb,
wofür er lebte – Freiheit und Gerechtigkeit.