Rezension zu Psychotherapie mit Müttern und ihren Babys
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Rezension von Mira Horschinek
Das vorliegende Standardwerk aus dem Bereich der Psychotherapie mit
Müttern und ihren Babys beeindruckt in erster Linie durch die
Verbindung eines hohen wissenschaftlichen Niveaus in der
theoretischen Darstellung mit lebhaften Falldarstellungen, die die
Theorie nachvollziehen helfen. Von Beginn an überzeugt das Lehrbuch
von Cramer und Palacio-Espasa durch eine große inhaltliche Dichte
und wird durch seinen thematischen Aufbau dem Anspruch gerecht,
diese relativ neue Errungenschaft innerhalb psychotherapeutischer
Ansätze umfassend darzustellen.
Der Stil innerhalb der theoretischen Kapitel ist prägnant und
verlässlich in seiner inhaltlichen und formalen Stringenz. Dabei
ist insbesondere die Einbettung ausführlicher klinischer
Falldarstellungen in einen theoretischen Rahmen als hilfreich und
in diesem Sinne als positiv zu bewerten.
Die ersten 60 Seiten widmen sich, ohne den Leser dabei mit Theorien
und therapeutischen Ansätzen zu »überfrachten«, den historischen
und theoretischen Grundlagen der gemeinsamen Therapien von Müttern
und Kleinkindern. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Darstellung
der besonderen psychischen Gegebenheiten der Mutter im Postpartum,
die diese Therapieform, beziehungsweise die Besonderheiten
hinsichtlich deren Wirksamkeit, bedingen. Die wichtigsten Aspekte
werden dabei wiederholt formuliert, stellen jedoch keine störenden
Redundanzen dar, sondern helfen vielmehr, das Zentrale in den
Vordergrund zu rücken.
Im folgenden Teil gelingt es den Autoren mittels eingängiger
Falldarstellungen, die zuvor betrachtete Theorie in die Praxis zu
übertragen, wodurch die theoretischen Grundlagen eine andere Tiefe
erreichen. Die Lebhaftigkeit im Stil erlaubt es, am Geschehen zu
partizipieren und den therapeutischen Prozess mit Interesse und
Spannung zu verfolgen. Die Kommentare, die abschnittsweise an die
kurzen Auszüge zum Therapieablauf angefügt sind, sind besonders
wertvoll für das Verständnis der Abläufe der therapeutischen
Sitzungen und die entsprechenden, sich im Verlauf vollziehenden
Entwicklungen in der Mutter-Kind-Interaktion. Dass die
Lebhaftigkeit der Schilderung durch die Übersetzung nicht verloren
ging, ist sicherlich ein Verdienst der Übersetzerin.
Auch im Anschluss erlaubt eine detaillierte Falldarstellung, die
Ursachen der therapeutischen Veränderungen, Befragungstechniken und
auch Grenzen der Eltern-Kleinkind-Psychotherapien besser
nachzuvollziehen. Das vorliegende Lehrbuch zieht Grenzen zur
klassischen Psychoanalyse, beziehungsweise psychoanalytischen
Psychotherapie, indem es die Eltern-Kleinkind-Therapie als einen
gesonderten Bereich mit besonderen therapeutischen Bedingungen
herausstellt, die durch die besondere „psychische Ausstattung“ der
Mutter im Postpartum erst ermöglicht werden. Für Laien eignet sich
das vorliegende Lehrbuch sicherlich nur bedingt, da ein gutes
Basiswissen im Bereich psychoanalytischer Ansätze vorausgesetzt
wird und typische psychoanalytische Begriffe und Konzepte nicht
näher erläutert werden. Dem gemeinen deutschen Psychologie-
beziehungsweise Medizinstudenten, an den sich die Autoren, vom
Fachpublikum abgesehen, wenden, werden im Rahmen seines Studiums
leider nur bedingt Kenntnisse zur Psychoanalyse vermittelt. Sofern
der Leser sich entsprechende Grundlagen nicht selbst angeeignet
hat, sollte er folglich ein gewisses Maß an Bereitschaft
mitbringen, sich im Vorfeld mit Psychoanalyse vertraut zu machen,
um das Werk von Cramer und Palacio-Espasa in seiner Fülle begreifen
zu können.
Ich, als Psychologiestudentin mit ausgeprägtem Interesse an der
psychoanalytischen Theorie und Praxis und dem Wunsch, den Bereich
der Eltern-Kleinkind-Psychotherapie bereits während des Studiums
näher kennen zu lernen, fühle mich nach der Lektüre des Werks von
Cramer und Palacio-Espasa zumindest auf der theoretischen Ebene
sehr gut informiert. Aus meiner Perspektive ist dieses Werk überaus
empfehlenswert und verdient es, auch im deutschsprachigen Raum ein
»Klassiker« zu werden.