Rezension zu Analytische Körperpsychotherapie
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Rezension von Anna Kathrin Strauß
Das Buch »Analytische Körperpsychotherapie. Eine Bestandsaufnahme«
von Peter Geißler wird seinem Titel gerecht. Als Mediziner und
Psychotherapeut beschreibt er fachlich reflektiert seinen
persönlichen Weg zur psychoanalytischen Körperpsychotherapie. Diese
Reflektion erlaubt durch Falldarstellungen und Beispiele zunächst
tiefere Einblicke in die Abläufe bioenergetischer Analysen und der
Diagnose des »main issue« nach Jacques Berliner. Im weiteren
Verlauf unterzieht Geißler die moderne Psychoanalyse einer
kritischen Reflexion bezüglich der allgemeinen Bedeutsamkeit des
menschlichen Körpers, seiner Affekte und der grundlegenden
Einflüsse früher Kind-Eltern-Interaktionen. Nicht zuletzt durch die
Darstellung des aktuellen Wissenstands der Säuglingsforschung wird
deutlich, dass sich traditionelle Ansichten im Rahmen der
Psychoanalyse weiterentwickelt haben. Peter Geißler weiß diese
theoretische Neuorientierung anschaulich mit den Konzepten der
analytischen Körperpsychotherapie zu verbinden und verständlich
darzustellen. Aus einem Zusammenspiel aus modernen Konzepten der
Psychoanalyse und neueren Erkenntnissen der Säuglingsforschung
entsteht im Laufe des Buches für den Leser ein neues Konzept der
Analytischen Körperpsychotherapie, das über die bloße Auslösung
dramatischer Affektzustände beim Patienten hinausgeht. Den
grundlegenden Prinzipien der Tiefenpsychologie wie Übertragung und
Gegenübertragung bleibt Geißler dabei treu und diskutiert diese
ausführlich anhand praktischer Beispiele im Rahmen
unterschiedlicher Therapiesituationen. Ein im Rahmen dieses Buches
immer wieder diskutiertes Moment ist die Entwicklung der
menschlichen Sinne. Geißler versucht nicht zuletzt im letzten
Kapitel mit der Überschrift »Die Welt ist Klang«, die sinnliche
Erfahrungswelt des Menschen darzustellen und den therapeutischen
Nutzen dieser erlebbar zu machen. Auch hier greift er immer wieder
auf die Erkenntnisse der modernen Säuglingsforschung zurück und
verbindet diese mit analytischen Prinzipien, eigenen Thesen und
weiterführenden Fragestellungen bezüglich seiner Vorstellungen
einer zeitgemäßen analytischen Körperpsychotherapie. Der Autor
schildert eindrücklich wie mithilfe ganzheitlicher
Sinneswahrnehmungen therapeutisch wirksame Affektzustände bei
Patienten ausgelöst und dadurch effektiv bearbeitet werden
können.
Peter Geißler beschreibt durch seine inhaltlichen Abhandlungen
Stufe für Stufe seine persönliche und inhaltliche Fortentwicklung
als Psychotherapeut im Rahmen der Körpertherapie. Durch die
Einblicke in die Persönlichkeit des Autors rücken diese
theoretischen Abhandlungen für den Leser in eine unmittelbare Nähe.
Die einzelnen Kapitel des Buches sind jedoch häufig in sich
abgeschlossen, sodass sich der Leser den roten Faden der
Entstehungsgeschichte der Analytischen Körperpsychotherapie nach
Geißler stellenweise immer wieder selber herstellen muss. Durch die
fundierte Berufserfahrung und der inhaltlich tiefen Verstrickung
des Autors in diesen Themenkomplex fällt es zuweilen schwer, allen
Gedankengängen zufrieden stellend zu folgen. Trotz der gelungenen
Bemühung um Wissenschaftlichkeit, an vielen Stellen scheint der
Autor auch spirituellen Ansätzen nicht unbedingt abgeneigt, was
gelegentlich überrascht und stellenweise irritiert. Das Buch
vermittelt abschließend den Eindruck, dass es sich hierbei in der
Tat zunächst nur um eine erste Gedankensammlung bezüglich moderner
Körperpsychotherapie nach Geißler handelt und noch keine
ausgereifte Darstellung eines neuen Therapieansatzes darstellt. Den
Ansprüchen einer Bestandsaufnahme wird es jedoch gerecht. Die
vielen anschaulich dargestellten Praxisbeispiele liefern dem Leser
eine gute Vorstellung neuer Impulse und Hintergrundideen einer
wachsenden modernen Analytischen Körperpsychotherapie, die die
ganzheitlichen und sinnlichen Körpererfahrungen als
Erkenntnisquelle immer mehr zu nutzen weiß.