Rezension zu Weibliche Ejakulation

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Rezension von Sophie Schmalian

»Weibliche Ejakulation« ist eine Doktorarbeit, basierend auf einer umfangreichen Studienbefragung. Die Verfasserin Sabine zur Nieden, die seit 1984 als Ärztin, Autorin und Sexualwissenschaftlerin agiert, veröffentlichte unter anderem ein Buch mit dem bekannten Sexual-Aufklärer Oswalt Knolle. Das Thema ihrer Arbeit ist die unerwartet umfangreiche Homologie weiblicher und männlicher Sexualorgane und -anlagen, die so umfassend und präzise zum ersten Mal benannt werden.

»Embryologie und Anatomie der menschlichen Sexualorgane« ist der erste Teil ihres Buches, in dem die Entwicklung der Organe und die Homologie unter den Geschlechtern beschrieben werden. Die für die Autorin wichtigen Teile werden erläutert, benannt und lokalisiert. (Zur Nieden ist für eine Neuerung der momentanen Termini der Geschlechtsanlagen und führt für bis dato unbenannte Teile neue Begrifflichkeiten ein.) Auf diesem Wege lernt der Leser auch die »weibliche Prostata« und die »männliche Klitoris« kennen, und es wird ein Verständnis für die im zweiten Teil beschrieben Funktionen und Wirkungsweisen geschaffen.
»Die Ejakulation« beschreibt dann die Ejakulation an sich sowie den historischen Background des schon im alten Griechenland bekannten Phänomens. Des Weiteren geht zur Nieden auf die männliche Ejakulationsstörung und die weibliche Inkontinenz ein. Diese Erläuterungen helfen auch dem allgemeinen Verständnis dieser meist totgeschwiegenen Themen.
»Vaginaler contra klitoraler Orgasmus« ist der dritte Teil, in welchem Orgasmustypen aufgrund ihrer physiologischen Anlagen erläutert werden. Diese Ausführungen sind für jede Frau wichtig für das Selbstverständnis ihres Körpers und können zu einer Bereicherung des heimischen Sexuallebens beitragen.
In »Empirische Untersuchung« werden von der Autorin dann abschließend die Inhalte ihrer Befragungen der Studienprobanden genannt, die Zielsetzung ihrer Arbeit aufgezeigt und beides von einer Selbstreflexion begleitet.
Mich überrascht an »Weibliche Ejakulation« vor allem, dass die Thematik trotz der sehr fachspezifischen Details auch für »Laien« verständlich ist. Beispiele wie die hormonell beeinflusste Geschlechtsumpolung bei Fischlarven lockern auf und zeigen Möglichkeiten der Einflussnahme und damit im Umkehrschluss eine Dualität der Entwicklung, die mir bis dahin nicht bekannt waren.
Wie schon erwähnt sind einige Fakten und Erläuterungen für viele nützlich zur Einschätzung des eigenen Körpers und seiner »Eigenheiten« sowie zum Verständnis des menschlichen Körpers an sich und für seine Entwicklung. So nimmt es dem einem oder anderem vielleicht ein wenig die Scham vor sich selbst, besonders in Bezug auf die weibliche Ejakulation an sich, welche oft falsch verstanden und deshalb als »abstoßend« wahrgenommen wird.

Hauptsächliche Kritikpunkte sind für mich zum einen, dass die genannten Zeichnungen der Sexualorgan und ihrer neu benannten Teile fehlen. Damit wird die optische Unterstützung des Verständnisses genommen, die eindeutig ab und an nötig wäre.
Des Weiteren störten mich die zu anstrengend betont feministischen Parolen und Kommentare, die wohl besser in die »Emma« gehören, als in eine medizinische Veröffentlichung. Dabei sollte man aber nicht denken, dass deshalb die komplette Arbeit nur der Emanzipierung dient. Medizinisch gesehen werden die Sexualanlagen von Mann und Frau in dieser Arbeit nicht emanzipiert, sondern einfach neutral gleichgestellt.
Kritisch ist allerdings auch, dass es trotz der Neuauflage nicht zur Aktualisierung der Daten und zu neuen Studien gekommen ist. Leider bleibt es bei dem Stand von 1994, obwohl eine Gegenüberstellung mit aktuellen Ergebnissen sicher interessant wäre und vielleicht auch »Fortschritte« bei der allgemeinen Akzeptanz und Erkenntnisse zu der heutigen Häufigkeit der Ejakulation Frau bringen könnte.
Alles in allem ist es eine empfehlenswerte Lektüre, die zwar auch nach 15 Jahren noch ihren kleinen Schönheitsfehler hat, aber, darüber hinweggesehen, lesenswert und bildend ist.


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