Rezension zu Bewaffneter Widerstand
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Rezension von Stefanie Trikojat-Klein
Das Buch mit dem Titel »Bewaffneter Widerstand« von Nechama Tec ist
im Verlag Haland und Wirth im Psychosozial-Verlag 2004 auf deutsch
erschienen. Es behandelt detailliert die Geschichte des jüdischen
bewaffneten Widerstandes im 2. Weltkrieg in der Gegend des
damaligen Weißrussland. Nechama Tec ist Autorin mehrerer Bücher
über die Situation und die Erfahrungen jüdischer Partisanen und den
von ihnen geretteten Menschen. Aus eigener Betroffenheit – sie war
ein Kind jüdischer Eltern, das mit falscher Identität als
christliches Kind drei Jahre bei polnischen Christen überlebte –
begann sie 1975 sich mit den Erfahrungen anderer in ähnlichen
Lebenslagen zu beschäftigen. Da dieses Thema nach Bearbeitung
verlangte, begann sie ihre Autobiographie zu verfassen. Hierbei
stellte sich für sie immer deutlicher die Frage nach Rettern und
Geretteten in den Mittelpunkt ihres Interesses, wer waren diese
Menschen, die andere selbstlos vor dem Tode bewahrten und dabei
selber ihr Leben aufs Spiel setzten. Dies führte weiter zu der
Erkenntnis, dass auch Juden Retter und Widerständler waren, die
andere vor den Grauen der Deportation und der Konzentrationslager
bewahrten. 1986 erreichte sie die Anfrage israelischer Überlebender
eine Dokumentation über Tuvia Bielski zu schreiben, einen der
charismatischen Untergrundkämpfer, die in den Wäldern Weißrusslands
überlebten. Leider war nur eine persönliche Begegnung mit ihm vor
seinem Tode möglich, er starb vor der nächsten Begegnung. Andere
Mitpartisanen geben in den unterschiedlichsten Berichten über ihn
ein differenziertes Bild seiner Persönlichkeit und seines Handelns,
die gemeinsam mit den von der Autorin gesammelten Informationen die
Grundlage des erstmals 1993 in New York erschienenen, sehr
empfehlenswerten Buches bilden.
Das Buch ist in 15 kurze, flüssig geschriebene Kapitel aufgeteilt,
die chronologisch die Entstehung und Entwicklung der jüdischen
Partisanengemeinschaften unter der Leitung von Tuvia Bielski
beschreiben. Hierbei stützt sich die Autorin auf die oben erwähnten
Zeitzeugenberichte und legt detailliert die Schritte dar, die Tuvia
Bielskis Weg zu den Partisanen führten. Es werden die Aktionsweisen
und politischen Ausrichtungen unterschiedlicher Partisanengruppen
wie die der Russen im Gegensatz zu jüdischen Gruppen beleuchtet und
der auch hier bestehende Antisemitismus nicht außer Acht gelassen.
Interessant sind besonders die Kapitel , die die Zeit vor dem
Aufbau der Gruppe beschreiben, machen sie doch den Kontrast und den
Bruch im Leben jedes einzelnen noch deutlicher, dem die Menschen
durch den Krieg und die Nationalsozialisten ausgesetzt waren. Tuvia
Bielskis Devise »Es ist besser einen Juden zu retten als tausend
Deutsche zu töten« wird mit vielen Beispielen belegt und
kennzeichnet den Weg zur Rettung von schließlich fast 1200 Juden in
den Wäldern Weißrusslands. Sehr bedrückend sind im Gegensatz dazu
die Schilderungen der Tötungen von Menschen, was gerade durch die
sachliche Erzählweise noch verstärkt wird, das Buch aber deutlich
zu einer anspruchsvollen und stellenweise schwer zu verdauenden
Lektüre machen. Es drängen sich Fragen nach eventuellen eigenen
Handlungsweisen und Reaktionen auf, gerade wenn man die
Schilderungen mit Berichten aus heutigen Krisengebieten der Welt in
Beziehung setzt, und sich so in die Situation der damals
Betroffenen hineinversetzt.
Das Buch durchzieht ein sachlicher, erzählender Stil, der aber
insgesamt sehr spannend ist und nie ins roman- oder voyeurhafte
abgleitet. Vielmehr bekommt der Leser Anregungen und Lust sich
tiefer mit diesem Thema zu befassen und auch andere Bücher mit
geschichtlichen Themen und Aufarbeitungen zur Hand zu nehmen. Der
sich auf das Buch beziehende Film »Unbeugsam« kommt in keiner Weise
an das sehr differenziert gezeichnete Bild im Buch von Tuvia
Bielski und seiner Familie heran und lässt nur ansatzweise erahnen,
welche Fülle von Informationen und Details die Autorin recherchiert
hat. Die Autorin lässt Themen des sozialen Lebens im entstehenden
Lager wie Liebesbeziehungen, sich einen Mann zum Schutz suchen,
Alkoholismus und so fort nicht aus und zeichnet damit ein
ungeschöntes Bild der Realität im Lager und verhindert somit eine
unreflektierte Heldenverehrung von Tuvia Bielski und Reduzierung
auf das Bild eines hollywoodtauglichen Kämpfers. Seine
Handlungsstrategien und seine Ausstrahlung auf andere Menschen
waren im Krieg angemessen, nicht aber für die Zeit nach dem Krieg
tragfähig. Dies wird besonders deutlich am Ende des Lebens von
Tuvia Bielski. Nach Kriegsende versucht er als Taxifahrer seine
Familie zu ernähren, schafft es aber nicht zu Wohlstand zu kommen
wie sein in die USA ausgewanderter Bruder und eine ähnliche soziale
Stellung zu erlangen wie als Partisanenführer. Er stirbt
desillusioniert und fast vergessen in den USA, im Alter von
einundachtzig Jahren.
Es ist der besondere Verdienst dieses Buches Bielskis Leistung für
andere Menschen im 2. Weltkrieg herauszustellen und somit zum einen
die verengte Anschauungsweise von Juden als Opfer aufzubrechen und
Aspekte des Widerstandes aufzuzeigen. Zum anderen wird mit diesem
besonderen Buch die persönliche Lebensleistung Tuvia Bielskis
gewürdigt und vor dem Vergessen bewahrt. Ein Buch, das zu empfehlen
ist und dem eine weite Verbreitung zu wünschen ist.
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