Rezension zu Die kultursensible Therapiebeziehung

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Rezension von Katalin Karolyi

Über das Buch »Die kultursensible Therapiebeziehung«

In dem Buch »Die kultursensible Therapiebeziehung« geht es um ein Studie, die von der Autorin durchgeführt wurde, um festzustellen bzw. aufzuzeigen, welche spezifischen Störungen es in Therapiebeziehungen bei ausländischen Klienten gibt und geben kann und wie diese gelöst werden können. Hierzu wurden jeweils zwölf PatientInnen und TherapeutInnen befragt. Während die PatientInnen alle türkischer Herkunft sind, gibt es bei den TherapeutInnen nur vier muttersprachliche TherapeutInnen, die seit vielen Jahren überwiegend mit türkischen KlientInnen zusammenarbeiteten. Die restlichen acht TherapeutInnen sind deutschsprachig; vier von ihnen haben vorher noch nie oder selten mit türkisch sprachigen PatientInnen zusammengearbeitet. Die restlichen vier haben bereits vorher sehr viel interkulturelle Erfahrungen mit türkische KlientInnen gesammelt.

Bei der Psychotherapie mit ausländischen Klienten kann es häufig zu Missverständnissen kommen. Diese müssen nicht unbedingt immer sprachlicher Natur sein, sonder können auch auf kulturellen Ansichten beruhen. Die Autorin stellt und analysiert die Schwierigkeiten, die sich in einer interkulturellen Therapie ergeben und führt (Fall-)Beispiele an, wie die Zusammenarbeit funktionieren kann. Ein besonders gut gelungenes Beispiel, an dem ein gravierendes Problem dargestellt wird, ist die Geschichte eines Patienten – Herrn B.: Herr B. ist wenige Wochen nach dem Freitod seiner Frau an eine Beratungsstelle überwiesen worden. Frau B. litt an Halluzinationen, auf Grund dessen sie auch in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurde. Wie sich später herausstellte, waren diese auf einen größeren Hirntumor zurückzuführen. Da Herr B. nicht genügend deutsch sprach, um sich mit den Ärzten über den Gesundheitszustand seiner Frau zu unterhalten, dienten ihm seine Frau und sein Schwager als Dolmetscher. Seine Frau erzählte ihm, dass die Ärzte ihr gesagt hätten, dass der Tumor entfernt werden und sie wie vorher sein würde. Wenig später hat sich Frau B. das Leben genommen. Nun vermutet Herr B., dass seine Frau nicht immer wahrheitsgemäß übersetzt hatte, um ihn nicht zu beunruhigen. Nun quälen ihn unerträgliche Schuldgefühle, da er die Situation ganz anders betrachtet hätte, wenn er die Wahrheit gewusst hätte. Evtl. würde seine Frau dann noch leben.

Dieses Fallbeispiel zeigt, wie wichtig professionelle Sprachvermittler für Patienten und Angehörige sind. In vielen Fällen werden Familienangehörige – oftmals auch die Kinder oder Enkel – oder auch Außenstehende, die zufällig in der Nähe sind, als Übersetzer herangezogen. Dass hierbei oftmals nur ein Bruchteil von dem ankommt, was berichtet wird, ist nicht verwunderlich. Zumal auch (peinliche, für die Behandlung jedoch wichtige) Details aus Scham gegenüber der Familie ausgelassen werden.
Die sprachlichen Barrieren spielen aber auch in der Psychotherapie selbst eine gewaltige Rolle; zum einen können sich manche Patienten nicht verständlich ausdrücken, was nicht nur in der Therapie selbst, sondern auch schon vorher bei der »Leidensfeststellung« durch die Ärzte zu Schwierigkeiten führen kann. Kann sich jemand nicht richtig verständlich machen, kommt es oft zu dem Fall, dass demjenigen erst gar kein Therapieplatz zugewiesen wird, da das Problem nicht erkannt wird. Wenn der Patient dann doch in eine professionelle Beratung gelangt, können weitere Probleme auftauchen. Patienten, die sich nicht verstanden fühlen, können sich dem Therapeuten nicht öffnen und wirken eher gefühlskalt, was nicht gerade zu einem verbesserten Patient-Therapeut-Verhältnis verhilft. In einem solchen Fall ist es besonders notwendig dem Patienten einen Dolmetscher zur Seite zu stellen oder ihn direkt zu einem türkisch sprachigen Therapeuten zu überweisen.

Aber auch bei Patienten, die der deutschen Sprache mächtig sind, kann es zu Schwierigkeiten kommen. Dort sind die Probleme dann eher kultureller Natur. Viele Therapeuten, die noch nie mit türkischstämmigen Patienten zu tun hatten, können sich nicht in die persönlichen Probleme, Lebensziele und sozialen Konflikte, die auf den kulturellen Unterschieden beruhen, hineinversetzen und erwecken entweder durch übermäßig viele Fragen Misstrauen bei den Klienten oder stellen sich, wenn auch unbewusst, arrogant und übermächtig dar. Jedoch empfinden andere Patienten das viele Fragen auch als Anzeichen dafür, dass der Therapeut sich mit den Problemen beschäftigt und schafft so eine Basis für eine intensive und erfolgreiche Zusammenarbeit.
Die kulturellen Unterschiede können jedoch auch von Vorteil sein: manchen Patienten sind froh, wenn sie eine andere Sichtweise ihrer Probleme dargestellt bekommen.
Im Allgemeinen kann festgehalten werden, dass es bei der interkulturellen Therapie vermehrt darauf ankommt, dass sich Patient und Therapeut von Anfang an gut verstehen. Das Zwischenmenschliche ist oftmals wichtiger als die kulturellen Kenntnisse. Jedoch muss in Fällen, in denen sprachliche Probleme auftauchen sofort ein Dolmetscher herangezogen werden. Denn nur so kann den Problemen auf den Grund gegangen werden.
Die Autorin stellt die Problematik, die sich auf Grund verschiedener kultureller Hintergründe ergeben kann, nachvollziehbar dar und erweckt durch viele Fallbeispiele und Interviews das Interesse des Lesers an der Thematik.


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