Rezension zu Die »Generation der Kriegskinder«
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Rezension von Christel Scheja
Die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts haben nicht nur in
Bauwerken und der Erde Spuren hinterlassen, sondern auch in den
Menschen, die Luftangriffe, Bombenabwürfe, Besetzung und
schließlich Flucht oder Vertreibung miterleben und –machen durften.
Vor allem die Kinder, die die Zeit der Angst, Not und des Elends
mitmachten, sind davon betroffen. Sie haben nicht die Reife von
Erwachsenen, um die Erlebnisse so einfach wegzustecken. Tief in
ihrem Inneren wühlt teilweise auch heute noch, was sie von damals
zurück erhalten haben.
Durch die Gedenkfeiern zum 60. Jahrestag der Beendigung des Zweiten
Weltkrieges und dazu entstandene Berichte im Fernsehen,
beziehungsweise Bücher, beschäftigten sich erstmals die Medien und
Fachleute mit dem Thema und betrachteten offen wie sehr der Krieg
und die Vertreibung die Menschen, die nun das Rentenalter erreicht
haben, prägten.
Das Buch »Die Generation der Kriegskinder« fasst mehrere
psychologische Essays und Artikel von unterschiedlichen Autoren zum
Thema zusammen. Sie betrachten nicht nur den Krieg selbst, auch die
Erziehung, die im Dritten Reich gang und gäbe.
Wie in der Kaiserzeit wurden auch jetzt noch Kinder wie kleine
Erwachsene betrachtet, von denen man ab einem bestimmten Alter
verantwortungsvolles Verhalten und Benehmen erwartete. Neben den
traditionellen Werten wurden aber auch solche vermittelt, die in
der Gesellschaft hoch gehalten wurden. Jungen sollten stark, mutig
und tapfer sein und durften sich all das erlauben, was ihren Wert
als kleine Krieger bewies. Mädchen dagegen wurden schon früh auf
ihre Rolle als Mutter vorbereitet. Sie sollten fleißig und
verantwortungsvoll sein, stiller und wohlerzogener als ihre Brüder
und sich um kleinere Geschwister kümmerte. Und sie wurden auch
entsprechend im Rang zurückgesetzt.
Das führte dazu, dass Mädchen im Krieg weniger emotional durch den
Weggang und sogar Tod des Vaters betroffen waren als die Jungen.
Während die Jungen ihren Vorbildern nachtrauerten, die an der Front
kämpften, dort vielleicht sogar starben oder in
Kriegsgefangenschaft gerieten, nahm die Mädchen es schwerer mit,
dass die Mütter darunter litten und sie versuchten ihn entsprechend
zu helfen.
Vieles von dem heruntergeschluckten Leid nahmen die »Kriegskinder«
mit in ihr eigenes Erwachsenenleben und die Erziehung der eigenen
Kinder. Ohne es wirklich bewusst zu wollen schufen sie damit eine
weitere Generation, die unter der emotionalen Verkrüppelung und den
altertümlichen Werten zu leiden hatten, die sie selbst aus ihrer
Kindheit mitgenommen hatten. Die Elterngeneration der 1960er Jahre
war darin allerdings gespalten in die Gruppe, die den Krieg und
seine Folgen bereits bewusst mitbekommen hatten und denen, die erst
in der Zeit zwischen 1940 und 1945 geboren wurden und später quasi
auch zur »68er-Generation« wurde. Und nicht zuletzt betrachten die
Autoren auch noch die Auswirkungen des modernen Medieninteresses,
das all das, was all die Jahre verschwiegen wurde, wieder
aufarbeitet – ob immer zum Besseren bleibt allerdings offen.
»Die Generation der Kriegskinder« ist ein psychologisches Sachbuch
und betrachtet die Auswirkungen auf die Betroffenen und die
Gesellschaft natürlich unter rein analytisch-wissenschaftlichen
Gesichtspunkten. Dementsprechend trocken sind die Erörterungen, so
dass sich Laien allenfalls an den Zitaten und Beispielen
orientieren können, aber nicht wirklich die Aussage und den Sinn
dahinter verstehen können. Hier fehlt die emotionale Nähe zu dem,
was man vielleicht im eigenen Umfeld (Eltern und nahe Verwandte
zweiten Grades) miterlebt hat.
Allerdings bleibt das Thema auch fachlich sehr oberflächlich. Die
Texte reißen die einzelnen Aspekte des breit gefächerten Komplexes
»Kriegskinder« nur an – angefangen mit der frühkindlichen Erziehung
im Dritten Reich über die Rolle der Mutter bis hin zu der am
eigenen Leib erlebten Vertreibung aus der vertrauten Umgebung nur
an, gehen aber nicht wirklich in die Tiefe und scheinen eher als
Vortragsskripte der Einführung in die Problematik gedacht zu sein.
Will man sein Studium vertiefen muss man wohl selbst die zitierten
Werke der jeweiligen Literaturlisten zu Rate ziehen.
Alles in allem ist das Buch weniger für Laien geeignet als eher für
diejenigen, die sich im Studium oder Beruf mit psychosozialen
Themen beschäftigen und auch einen Einstieg in diesen Bereich
finden wollen.
Wertung:
Gesamt:
4/6 Punkten
Anspruch:
5/6 Punkten
Aufmachung:
4/6 Punkten
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