Rezension zu Weibliche Ejakulation

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Rezension von Christiane Fleischmann

Es ist so weit: Der lange vergriffene Titel »Weibliche Ejakulation« von Frau Dr. med. Sabine zur Nieden erschien 2009 in der zweiten Neuauflage im Psychosozial-Verlag und behandelt nun auf 148 Seiten das Titelthema und noch weitere Thematiken in folgender Grobgliederung:

Kapitel 1: Embryologie und Anatomie der menschlichen Sexualorgane
Kapitel 2: Die Ejakulation
Kapitel 3: Vaginaler kontra klitoraler Orgasmus
Kapitel 4: Empirische Untersuchung

Im ersten Kapitel beschreibt die Autorin sehr einleuchtend und anschaulich die Homologie der männlichen und weiblichen Geschlechts- und Wolllustorgane – eine Hinführung auf das Titelthema »Weibliche Ejakulation«. Die »Ejakulation« an sich würde man ja alleine aus dem Sprachgebrauch her dem Mann zuschreiben und nicht auf den ersten Blick auch den Frauen zuordnen. Mit zur Niedens einleitendem ersten Kapitel hingegen wird die Homologie von männlichem und weiblichem Körper sowie deren Funktionen verdeutlicht und mit Vorurteilen bezüglich rein weiblicher bzw. männlicher Geschlechtsorgane aufgeräumt: Scheinbar nicht existente Termini wie die weibliche Prostata und die männliche Klitoris werden lokalisiert und anhand zahlreicher wissenschaftlicher Literaturquellen begründet und dem Leser somit zum Teil neue Einblicke in den menschlichen Körper gewährt.

Ich studiere selbst Medizin und hatte von ein paar dieser Termini noch nie etwas gehört bzw. sie für schlichtweg nicht existent gehalten, da sie teilweise in der Gesellschaft nicht thematisiert werden, obgleich sie für das körperliche Selbstverständnis durchaus von Bedeutung wären. Andere wiederum waren mir (alleine aus meinem persönlichen Interesse gegenüber der menschlichen Sexualität) wohlbekannt und konnten mich nicht »vom Hocker reißen«, da sie (in diesem Buch wie ein Novum klingend) bereits in meinen Studienbüchern verankert sind.

Das mag auch daran liegen, dass das Buch nicht mehr das aktuellste ist. Trotz der wiederholten Neuauflage scheinen die mittlerweile veralteten Daten nicht überarbeitet worden zu sein. Weder im Laufe der Zeit neu erworbene wissenschaftliche Erkenntnisse zur Sexualität wurden eingeflochten, noch wurde eine neue Befragung von Frauen zum Thema des Buches erhoben. Somit kann man sagen, dass das Buch auf dem Stand von 1994 blieb – und meiner eigenen Wahrnehmung nach hat sich seitdem viel geändert. Ich kann mich kaum mit den im Buch befragten Frauen identifizieren bzw. komme mir in Bezug auf meine Sexualität aufgeklärter vor, als es die Befragten gewesen zu sein schienen.

Zudem ist das Buch durchzogen von feministischen Parolen, die immer und immer wieder die sexuelle Bevormundung der Frau durch den Mann (siehe die Beschreibung der weiblichen Klitoris durch diverse männliche Wissenschaftler, die sie als »verkümmerten Penis« und infantiles und indiskutables Sexualorgan schildern) aufwärmen und unangenehm oft und intensiv thematisieren. Dass die Autorin diese (teilweise absichtlich degradierenden) Darstellungen anspricht und richtig stellt, ist vollkommen in Ordnung – dennoch kam mir das Buch stellenweise aufgrund verbittert klingendem und Gerechtigkeit um jeden Preis schaffen wollenden Tonfalls mehr wie eine Ausgabe der EMMA, für die die Autorin diverse Berichte schrieb, vor, als dass es wissenschaftlich distanziert gehalten war.

Trotz dieser feministischen Einlagen, die ich, so gut es irgendwie ging, zu überlesen versuchte, war auch das zweite Kapitel, in dem nun das eigentliche Thema des Buches, die weibliche Ejakulation, thematisiert wurde, wirklich gut und lehrreich. Die Suche nach dem Ursprung der weiblichen Ejakulation und die abermals gut erklärte Homologie zwischen Mann und Frau macht das Buch in diesem Punkt sehr schlüssig und empfehlenswert. Das Gleiche gilt für das dritte Kapitel, in dem Definitionen verschiedener »Orgasmustypen« gegeben werden. Auch hier ist das Buch bis auf den hin und wieder aufflammenden feministischen Unterton wirklich lesenswert, wenn auch für den Nicht-ganz-Laien nicht unbedingt voll neuer Aspekte – was aber auch am mittlerweile stolzen Alter des Buches von mittlerweile 15 Jahren liegen könnte.

Dieses Alter lässt auch das vierte Kapitel, in dem die Autorin eine von ihr durchgeführte Befragung zu diversen Themen der Sexualität mit Fokus auf die »weibliche Ejakulation« und deren Ergebnisse beschreibt, veraltet wirken. Natürlich wird hier ein mehr oder weniger repräsentativer Überblick bezüglich der 1994 befragten Frauen gegeben, jedoch ist die Aktualität und somit der Sinn einer zweiten, nicht überarbeiteten Neuauflage fraglich.

Abschließend möchte ich noch zwei Sachen anmerken, die mich seit der Lektüre der Danksagung beschäftigen: Die Autorin bedankt sich bei einer gewissen Frau Angela Räderscheidt, deren Buchillustrationen gelobt werden, sich aber leider nicht in der Neuauflage finden. Ich finde es schade, dass die Bebilderung (aus welchem Grund auch immer) weggelassen wurde. Außerdem bedankt sich die Autorin in ihrer Danksagung bei sich selbst. Persönlich halte ich das für etwas übertrieben.

Summa summarum kann man sagen, dass das Buch in der Darlegung der Fakten wirklich gut und lehrreich ist, obgleich das Fehlen der in der vorausgehenden Danksagung angekündigten Bebilderung etwas enttäuschend ist. Es ist eine gute Ergänzung zu neuen Lehrbüchern, obgleich es nicht unbedingt bahnbrechend neue Erkenntnisse besteuert – zumindest im heutigen Kontext gelesen. Über die feministischen Parolen sollte hinweggesehen werden.


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