Rezension zu Rache

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Rezension von Stefan Behrens

Das Buch »Rache – Zur Psychodynamik einer unheimlichen Lust und ihrer Zähmung« von Tomas Böhm und Suzanne Kaplan beantwortet diejenigen Fragen, die sich in der heutigen Zeit mehrfach stellen und niemand so richtig eine Antwort weiß: Was geht eigentlich in so einem vor, der plötzlich zum Täter wird?

In Bezug auf die grausamen Taten wie in Amstetten oder Winnenden, die in den letzten Tagen die Gemüter im gesamten Land bewegen, wird der Ruf nach Antworten immer lauter. Nun beziehen sich die Autoren natürlich nicht direkt auf Vergewaltiger und Schulamokläufe und stellen auch im Besonderen keine (von doch so vielen Laien gewünschten) kausalen Zusammenhänge her, doch geben sie dem geneigten Leser einen tiefen Einblick in die Gefühlswelt solcher Menschen. Der Aspekt der Rache ist dabei zwar durchaus logisch und von großer Bedeutung, doch lassen sich neben diesem Werk kaum wissenschaftliche Arbeiten finden, was noch einmal die Wichtigkeit einer solchen Literatur unterstreicht. Dabei nehmen die Autoren die fachlich wichtige Rolle eines externen Betrachters ein und geben neben der Beschreibung auch wichtige Hinweise auf den Umgang mit Rache um den spiralförmigen Teufelskreis aggressiven Verhaltens auf »dem Weg vom Opfer zum Täter« zu erkennen und aus diesem auszubrechen.

Das Thema der Rache wird dabei für jedermann verständlich anhand von Studien, Interviews und anderen vielseitigen Quellen untersucht, erläutert und anhand von eingängigen Beispielen verdeutlicht. Besonders in den Schwerpunktgebieten der Autoren (Tomas Böhm, Psychoanalyse und Gesellschaft; Suzanne Kaplan, Klinische Psychoanalyse) werden die einschlägigen Kenntnisse besonders hervorgehoben und diskutiert, was in dieser Kombination hierfür überaus wertvoll ist. Eingeleitet durch einen kurzen Überblick über den Inhalt des Buches ist dieses in drei große Bereiche eingeteilt: Der erste Teil beschäftigt sich mit der »Rache und ihren Ursachen«. Dort werden anhand umfassender Beispiele aus Literatur und neuen Medien die Wirkmechanismen der Rache dargestellt und in einen historischen Zusammenhang gebracht. »Die Entwicklung vom Opfer zum Täter« und ein Einblick in die Motive von Aggressionen vor allem aus sozialpsychologischer Sicht bilden den Schwerpunkt des Kapitels.

Der zweite Teil beinhaltet die Erfassung und Beschreibung der »Rachehandlung« innerhalb einer sich verselbstständigen Spirale von Gewalthandlungen.

Im letzten Teil geht es hauptsächlich um »den Verzicht auf Rache«. Hier wird auf die Fragen eingegangen, wie es auf einer Art Metaebende möglich ist diese Rachespirale zu erkennen und sich aus dieser zu befreien. Dabei dient diese Lektüre keinem therapeutischen Zweck oder Hilfe zur Selbsthilfe, auch wenn man sich viele nützliche Tipps merken sollte. Viel mehr geht es um individuelle Möglichkeiten extreme Gefühlszustände zu verstehen und Wirkfaktoren auf die psychische Entwicklung hervorzuheben.

Meiner Ansicht nach handelt es sich bei »Rache ‐ Zur Psychodynamik einer unheimlichen Lust und ihrer Zähmung« um einen wichtigen Schritt in eine erweiterte Sichtweise von Ursachen devianten und im speziellen aggressiven Verhaltens. Viele Aspekte sind im deutschsprachigen Raum noch neu, gilt die (reine) Ursachenforschung für gewaltevozierende Psychologie doch noch als dunkles Fass ohne Boden. Im Bereich der Rache lässt sich derzeit tatsächlich nicht viel finden. Das vorliegende Werk bietet da eine Möglichkeit sich zu orientieren und einen gut gestützten Anfang in ein nur marginal beforschtes Gebiet zu wagen. Die Stärke dieses Buches liegt in der breitspektralen Ausrichtung der sprachlichen Ausarbeitung, so dass es für Laien und Fachleute ansprechend ist. Genauso ist die exemplarische Verdeutlichung anspruchsvoller Theorien mit Hilfe alltagsgetreuer Beispiele.


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