Rezension zu Psychotherapie mit Müttern und ihren Babys
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Rezension von Ann-Kathrin Ehret
Das Buch »Psychotherapie mit Müttern und ihren Babys« von Bertrand
Cramer und Francisco Palacio-Espasa gilt als »das« Standardwerk,
wenn es um frühkindliche Therapie geht. Nun ist es endlich in
deutschsprachiger Übersetzung erschienen.
Das Buch ist in fünf Teile gegliedert, die wiederum aus mehreren
Kapiteln bestehen: einem ersten eher theoretischen Teil, in dem die
Geschichte und Entwicklung der Mutter-Kind-Therapie erläutert wird,
und den eher praktisch orientierten zweiten und dritten Teilen, in
denen konkrete Therapiefälle inklusive Katamnese ausführlich
dargestellt werden. Der vierte Teil widmet sich vornehmlich den
therapeutischen Techniken in Kurzzeittherapien und der fünfte und
letzte Teil beschäftigt sich induktiv aus allen vorherigen Teilen
ableitend und zusammenfassend mit einer allgemeineren Theorie zu
dem Zusammenhang zwischen elterlichen Konflikten und kindlichen
Psychopathologien. Die umfassende Einführung am Anfang des Buches
sowie nochmals separat zu jedem Kapitel erleichtert den jeweiligen
Einstieg in einen neuen Abschnitt bzw. in ein weiterführendes
Themengebiet.
Der erste – wie oben schon erwähnt – eher theoretische Teil stellt
die wichtigsten Einflüsse auf die Entwicklung der
Mutter-Kind-Therapie dar und geht auf die wichtigsten psychischen
Abläufe und Entwicklungen zwischen Eltern und Kleinkind ein. Dass
dieses Buch auch für Personen geschrieben ist, die in diesem
Bereich schon Erfahrung haben, merkt man vor allem an diesem Teil,
da hier viele psychoanalytische Konstrukte, Sachverhalte etc.
vorkommen, diese aber nicht noch einmal expliziert erläutert
werden. Insgesamt also ein Teil, der eher schwierig zu verstehen
ist, wenn man bisher mit psychoanalytischen Theorien wenig in
Berührung gekommen ist. Andernfalls – also wenn man in diesem
Bereich schon Vorwissen hat – stellt dieser Abschnitt sicher einen
gelungenen Überblick über die Geschichte und Entwicklung der
Mutter-Kind-Therapie dar.
Vor allem der zweite Teil ist auch für Personen, die noch nicht
viele Erfahrungen mit psychoanalytischer Mutter-Kind-Therapie
gemacht haben, sehr zu empfehlen. Durch die detaillierte
Beschreibung der Therapiestunden mit zahlreichen wörtlichen
Äußerungen der Mutter (mit genauer zeitlicher Angabe, wann im
Verlauf genau die Äußerung gefallen ist) erhält man einen
fundierten Eindruck, wie eine Therapie denn wirklich verläuft – ein
Einblick, der einem als Student durch Vorlesungen oder rein
theoretische Lektüre keinesfalls so gut vermittelt werden kann.
Auch wird durch unterschiedliche Kurzüberschriften für den Leser
genau ersichtlich, was genau in der Therapie passiert und was
anschließend formulierter Kommentar der Autoren ist.
Im dritten eher kürzeren Teil wird nochmals ein konkreter Fall
geschildert, allerdings nicht mehr so detailliert wie zuvor. Hier
wird der Schwerpunkt eher auf die theoretische Betrachtung des
Falles gelegt, um durch die Verbindung von Theorie und Praxis zu
veranschaulichen, wie Elternverhalten, -konflikte etc. sich auf die
Psyche des Kindes auswirken bzw. wie damit therapeutisch umgegangen
werden kann.
Der vierte Teil geht zuerst auf die unterschiedlichen Faktoren ein,
die für eine Veränderung in der Therapie verantwortlich sein
können. Bei der Beschäftigung mit den konkreten
psychotherapeutischen Techniken und Prinzipien werden wieder
unterschiedliche praktische Fälle dazu genutzt, je nach
Krankheitsfeld (bspw. depressive Erkrankung, erotische Erkrankung
etc.) jeweils individuelle Techniken vorzustellen. Neben den
spezifischen Vorteilen, die sich durch frühe Mutter-Kind-Therapien
ergeben, wird aber auch auf die Grenzen eingegangen, die eine solch
spezielle Therapieform mit sich bringt.
Der fünfte und letzte Teil geht das – auch laut den Autoren –
schwierige Wagnis ein, eine komplexe theoretische Ausarbeitung
hinsichtlich des Zusammenhangs von elterlicher Konfliktualität mit
(sich daraus entwickelnden, damit zusammenhängenden)
Psychopathologien des Kindes. Hier wird wirklich im Detail auf die
vielfältigsten psychoanalytischen Konfliktkonstellationen
eingegangen, so wird bspw. dargestellt, wie es durch etwaige
projektive Identifizierungen oder Trauer der Eltern (Vater und
Mutter werden aber zuerst jeweils getrennt behandelt) unbewusst zu
Verzerrungen der Interaktion zwischen Bezugsperson und Kleinkind
führen kann.
Insgesamt ist es ein Buch, das meiner Meinung nach eher für
Experten bzw. Personen gedacht ist, die schon einige Erfahrung mit
psychoanalytischen Konzepten in die Lektüre mitbringen. Für diese
Zielgruppe stellt das Buch tatsächlich ein umfangreiches Werk dar,
das auf die vielfältigen Aspekte von Psychotherapie mit Müttern und
ihren Babys fundiert eingeht.
Solchen Personen, die eher wenig Vorwissen besitzen bzw. einfach
Interesse am Thema haben, würde ich empfehlen, die Lektüre eher mit
den Kapiteln 2 und 3 zu beginnen, denn gerade ohne Vorkenntnisse
stellen die detaillierten Darstellungen echter Therapiefälle einen
guten Einstieg in die Thematik dar.