Rezension zu Handbuch Bioenergetische Analyse (PDF-E-Book)
Psychotherapie Forum 16 04/2008
Rezension von Ulrich Sollmann
Nachdem die bioenergetische Analyse (BA) durch die zahlreichen
Bücher des Begründers und Erfolgsautors Alexander Lowen im
deutschsprachigen Raum bekannt gemacht wurde, gibt es jetzt endlich
ein differenziertes Handbuch/Nachschlagewerk zur BA. Das Handbuch
ist keine Sammlung von Fachartikeln, sondern Ausdruck eines
integrativen, kollegialen »Gemeinsamkeits-Projekts«. Die
Herausgeberin, Vita Heinrich-Clauer hat sich gemeinsam mit ca. 30
KollegInnen das Ziel gesetzt, relevante wissenschaftliche Beiträge
zur BA aus dem internationalen Raum zusammenzustellen. Diese
beleuchten einerseits Wurzeln, Tradition, Entwicklung der BA,
andererseits beschreiben sie neueste Konzepte der BA. Das Projekt
baut auf einem jahrelangen, sehr engagiert geführten
Kommunikations- und Abstimmungsprozess auf, der sowohl im
internationalen Institut, als auch in den nationalen Instituten vor
Ort geführt wurde. Dies kommt einerseits in der Auswahl der
Beiträge zum Ausdruck, andererseits findet er Eingang in die
jeweiligen Einführungskapitel zu den jeweiligen
Themenbereichen.
Das Buch richtet sich an psychotherapeutische KollegInnen von
unterschiedlicher fachlicher Provenienz. Primäres Interesse ist es,
die Integration des Körpers in die Psychotherapie zu fördern, bzw.
diesen Prozess in den kollegialen Diskurs einzuführen.
Mit dem »Handbuch: Bioenergetische Analyse« stellen sich die
bioenergetischen Analytikerlnnen erstmalig international der
kollegialen Öffentlichkeit. Insoweit ist das kollegiale
»Gemeinsamkeits-Projekt« Ausdruck eines internationalen,
kollegialen Abstimmungsprozesses. Gleichzeitig wird es in
verschiedene Sprachen übersetzt und publiziert. Gerade hierdurch
nimmt die BA aktiv Teil am wissenschaftlichen Diskurs im
psychotherapeutischen Feld.
Das »Handbuch Bioenergetische Analyse« wird den wissenschaftlichen
und praxeologischen Diskurs im psychotherapeutischen Feld
wesentlich befruchten. Gleichzeitig, so finde ich, wird erstmalig
im internationalen Raum ein differenziertes, vielschichtiges und
integriertes Konzept der BA vorgestellt. Gerade dies zeigt den
therapeutischen Erfahrungsschatz und wissenschaftlichen Stand. Das
Buch hilft aber auch so manches Vorurteil, das immer noch im
psychotherapeutischen Feld der BA gegenüber besteht, auszuräumen.
Das Buch ist gut gegliedert, ist aktuell, ist wirklich als Handbuch
zu gebrauchen, kann man doch gerade unter einem jeweiligen
Interessenschwerpunkt/Stichwort gezielt an die nötige Information
kommen.
Das Buch enthält eine Auswahl an Beiträgen, die von klassischen
Arbeiten (nach Lowen) bis hin zu aktuellen Theoriebeiträgen und
Fallstudien reichen. Die AutorInnen zeigen das breite Spektrum der
aktuellen Konzepte und therapeutischen Vorgehensweisen der BA und
wie diese in Anlehnung an Bindungstheorie, relationale
Psychoanalyse, Säuglingsforschung und Neurobiologie modifiziert
werden. Die Beiträge haben durch die anschaulichen
Fallschilderungen einen deutlichen Praxisbezug. Insoweit
unterstreicht dieses Buch den Stand der Weiterentwicklung der BA in
Bezug auf die aktive wissenschaftliche und praxeologische
Mitgestaltung im Kontext neuerer, wissenschaftlicher
Erkenntnisse.
Das Buch gliedert sich in sieben Kapitel:
- Grundlagen der BA
- das »Selbst in Beziehung zum Anderen«
- Sexualität und Liebe
- Trauma: wiederherstellen der Einheit von Körper und Seele
- bioenergisch-analytische Behandlungsansätze bei psychosomatischen
Störungen
- konzeptuelle Integration von Forschungsergebnissen
- wissenschaftliche Evaluation der BA
Grundlagen der BA
Die Einführungskapitel fokussieren die Grundlagen der BA und lassen
Alexander Lowen, den Begründer der BA, gezielt und anschaulich zu
Wort kommen. Die Bezugnahme auf Wilhelm Reich und seine
bahnbrechenden Studien verdeutlichen die historische,
psychoanalytische Grundlage der BA. Helfaer zeichnet den Übergang
zu den Lowenschen Entwicklungskonzepten auf und bringt die
Kernthemen der BA auf den Punkt, wie: Beweglichkeit und
pulsatorische, energetische Prozesse im Körper; Charakterpanzer und
muskulärer Panzer sind funktional identisch; der Mensch wird als
ganzer Mensch, auch mit seinem Körper-Selbst, gesehen; Primat der
direkten Arbeit mit Muskelpanzer, körperlicher Bewegung, Atmung,
Grounding, Sexualität und Reifung der Persönlichkeit.
Lowen zeigt in seinem Artikel »Was ist bioenergetische Analyse« auf
die, vielen so vertraute Art und Weise, wie eine erweiterte
Bestimmung der Probleme des Klienten aufgrund der Form und der
Motilität des Körpers (Sprache des Körpers) bestimmt werden kann.
Körper und Geist sind nach Lowen eins. Die BA baut auf dem
Reichschen Konzept auf, wonach eine spezielle Energie mit dem
lebendigen Prozess verbunden ist. »Die Energiemenge, die eine
Person zur Verfügung hat, und die Art und Weise, wie sie diese
Energie verwendet, sind wichtige Gesichtspunkte, um Persönlichkeit
und Charakter zu verstehen. Jede neurotische Charakterstruktur
bedeutet ein Herabsetzen des Energieniveaus und eine Einschränkung
des natürlichen Energieflusses durch den Körper«.
- Lowen beschreibt im Einzelnen die hierauf auftauenden primären
Dimensionen der BA:
- Das Verstehen von und Arbeiten mit muskulären
(Ver-)Spannungen.
- Das Analysieren von Assoziationen, Verhalten und Übertragung.
- Das Verstehen der energetischen Dynamik.
- Die Betonung der Rolle der Sexualität.
Er illustriert diese Dimensionen und die Arbeit mit dem Menschen
auf der Grundlage der BA in einer anschaulichen und lebendigen Art
und Weise, so wie man Lowen eben kennt.
Selbst-Andere
Für Freud »ist das Ich vor allem ein Körperliches«, für Lowen »das
Selbst immer ein Körperliches Selbst«. Mit der Trennung von Reich
und Ferenczi kommt es im Werk und im Denken Freuds zu einer
kartesianischen Spaltung zwischen Körper und Geist. Dies führte
beispielsweise dazu, dass es im ICD-10 und DSM-IV keine
entsprechenden Items in den Dioagnosekriterien, beispielsweise
bezüglich PatientInnen mit Borderline-Persönlichkeitsveränderungen
gibt. Vielfach überwiegt in der psychotherapeutischen Sichtweise
eine Bezugnahme auf die emotionalen und kognitiven psychischen
Prozesse. Erst in jüngster Zeit, vor allem angeregt durch die
Ergebnisse von Neurobiologie und Säuglingsforschung, kommt es zu
einem erweiterten Bezug zum Körper. Die früher eher auditive und
mentale Betrachtung des Patienten durch die Psychoanalyse, sowie
die eher visuelle Betrachtung des Körpers und Nutzung körperlicher
Interventionen durch die frühe BA, unterstützte bei vielen
Patienten den Eindruck einer »einseitigen Beurteilung ihrer Gefühle
und der Prozesse von Scham und Isolation«, derentwegen man aber
gerade eine Therapie aufgesucht hatte. Insoweit konnte eine solch
eingegrenzte Vorgehensweise das Problem, was es zu beheben galt,
sogar noch verstärken.
Viele Patienten (vor allem in der heutigen Zeit) leiden unter einer
tiefen Scham, die folgendermaßen verstanden werden kann: »Jede
Einschränkung von Ausdrucksbewegungen beinhaltet eine Hemmung,
welche das Empfinden von Scham annehmen kann«. Scham ist eine Form
der Affektregulation, welche die Erregung und den Selbstausdruck in
einem Rahmen halten soll, der uns vor Entblößung und einer
Beschädigung unserer Integrität schützen soll. Kommt es zu einer
unglücklichen diesbezüglichen Entwicklung, beschädigt dies die
Selbstachtung und Selbstsicherheit des erwachsenen Menschen. im
zweiten Kapitel beziehen sich die Autoren daher u.a. auf folgende
Dimensionen:
Helfaer erläutert die Bedeutung des Hasses und Selbsthasses, sowie
die Schwierigkeiten in der Bearbeitung des Schamaffekts. Er tut
dies auf dem Hintergrund der Betonung der Bedeutung von Übertragung
und Gegenübertragung (als körperlicher Resonanzprozess). Inzwischen
erfährt dieser Prozess durch die neurophysiologischen Erkenntnisse
über die Spiegelneurone eine wissenschaftliche Bestätigung.
Tonella erweitert das Grounding-Konzept um die
entwicklungspsychologische Dimension, in dem er sich in seinem
Fallbeispiel direkt auf die Erkenntnisse der Bindungsforschung und
Säuglingsforschung bezieht. Zeigen doch gerade Videoaufzeichnungen
von Spielszenen zwischen Säugling, Mutter und Vater, wie wichtig
die Körper-Selbstentwicklung und die triadische
Entwicklungsgeschichte für die Selbstentwicklung wichtig ist.
Lewis stellt in seinen Arbeiten dar, wie es zu einer frühen,
sicheren Verwurzelung (Grounding) oder aber Traumatisierung des
Säuglings in seiner Körperstruktur und den Mustern seines
seelischen Funktionierens kommt. Einerseits zeigt er auf, dass es
und wie es bei entsprechenden Störungen zu einer Störung der
Regulation der Affekte und der Selbst-(Wert-)Regulation kommt. Dies
äußert sich vor allem im nicht verbalen, impliziten
Gedächtnisbereich. Er führt andererseits im Einzelnen aus, wie man
durch die Arbeit mit dem cephalen Schock die energetische Vitalität
des Klienten verbessern kann. Die fördert die Fähigkeit immer
wieder zur homöostatischen Balance zwischen struktureller Kohäsion
und Integration des Selbst zurückzufinden. Insoweit kommt es zu
einem deutlichen Bezug zur Säuglingsforschung, die sich ja gerade
auch mit den Vitalitätsaffekten befasst.
Sexualität
Im Zentrum des analytischen Denkens von Freud, Reich und Lowen
steht die entscheidende Bedeutung der Sexualität, der sexuellen
Energie und der Wechselbeziehung von sexueller Entwicklung und
Erfahrung des Menschen. Für Lowen war Selbstausdruck das Ziel und
Befreiung der Sexualität der Schlüssel dazu. Während Lowen anfangs
noch Übungen und Techniken zum kathartischen (Selbst-)Ausdruck
entwickelt hatte, damit die Klienten lernen, Empfindung, Gefühl und
Intensität in Ihrem Körper anzunehmen, zu tolerieren und
zuzulassen, um sie dann schließlich als diese verkörperten
Emotionen in ihrer kraftvollen Wirkung auf die energetische
Lebenskraft zu integrieren, so schlagen neuere Arbeiten der BA
einen weiten Bogen hin zu: Zärtlichkeit und Liebe,
Beziehungsfähigkeit, Sexualität und Übertragung uws.
Shapiro bezieht sich in ihrem Beitrag auf die kathartische Arbeit
und führt im Einzelnen die Bedeutung der Aufmerksamkeit des
Therapeuten für die Phänomenologie von Empfindungen und die
Ermittlung der somatischen Sprache aus. Sie zeichnet in sensibler
Weise den therapeutischen Prozess nach, durch den ein Mensch von
dem Gefühl der Leblosigkeit oder der Erstarrung zu einem Erleben
von Gefühl und Energie gelangen kann. Dies beinhaltet natürlich
auch die Arbeit mit der Abwehr, der Kontraktion und des
Widerstands.
Rablen stellt in Ihrer Fallstudie die Arbeit mit einem Mann dar,
der unter dem Symptom der Impotenz leidet. Sie führt im Einzelnen
aus, wie wichtig es ist, energetische und dynamische Themen zu
verstehen, die im Körper von Menschen in den somatopsychischen
Schichten und dem Geflecht emotionaler und relationaler Realität
strukturiert sind. Körperbeziehung und Übertragung sind in ihrer
Fallstudie eng miteinander verwoben.
Wink-Hilton illustriert die tiefe Beziehungsdynamik als Teil
menschlicher Sexualität. Sie ist untrennbar mit ihr verbunden.
Wink-Hilton warnt, im Unterschied zu den kathartischen Konzepten,
die Therapeuten davor, mit öffnenden, intensiven, körperbezogenen,
invasiven Techniken zu arbeiten. Dies würde, wenn denn nicht die
Beziehung und Übertragung berücksichtigt wird, zu einem sexuellen
Ausagieren, das letztendlich destruktiv und traumatisch für die
Klienten ist, führen. Insoweit würde ein zu eng gefaster
kathartischer Ansatz gerade zu einer Verstärkung der Problematik
beim Klienten führen. Wichtig für Wink-Hilton ist daher die
Integration der Arbeit mit dem Körper und der Sexualität in die
Analyse der komplexen Beziehungsdynamik.
Trauma
Dies Kapitel befasst sich mit dem Zusammenspiel von Trauma,
Körpergedächtnis und BA. Lange bevor die Neurowissenschaften die
Aktualität eines somatischen Gedächtnisses bestätigten, hat die BA
die Beobachtung dafür geliefert, dass wichtige signifikante Aspekte
des Gedächtnisses nur über den Körper bewusst gemacht werden
können. Die BA hat dann im Einzelnen durch ihre Praxis und
Konzeptionierung verständlich gemacht, wie somatisches Gedächtnis
funktional mit bewusster verbaler Erinnerung zu verknüpfen ist.
Während die meisten verbalen Traumatherapien sich primär den
expliziten Komponenten von traumatisierenden Ereignissen zuwenden,
beginnt im Unterschied zu diesen »Top-Down-Therapien« die BA als
»Buttom-Up-Therapie« bei den somatischen und affektiven Elementen
der Erfahrung. Hierdurch wird ein besonderer Wert auf die Valenz
oder Bedeutung von Reizen auf der Körperebenen Rechnung legt.
Reagiert doch das Individuum gerade auf traumatisierende
Erfahrungen mit inneren Zuständen, die sich automatisch einstellen
(z.B. Übererregung, Untererregung des autonomen Nervensystems).
Eckberg beschreibt im Einzelnen die Folgen von politischer Folter
bei Erwachsenen und stellt diese der Foltererfahrung gegenüber, die
ein Kind während seiner Entwicklung erlebt, wenn das Gefühl des
Selbst noch im Entstehen ist. Berceli hat seit Jahrzehnten mit
traumatisierten Menschen, vor allem in Kriegs- und Krisengebieten
(Vorderer Orient und Afrika), gearbeitet. Ihm ist es gerade
wichtig, die natürlichen Entspannungsmechanismen des Organismus zu
unterstützen, zu fördern, die ihrerseits dem Körper signalisieren,
wie man zu einem Zustand der Genesung zurückkehren kann
(Resilienz). Baum und Lewis illustrieren die
bioenergisch-analytische Arbeit an Hand von konkreten
Fallschilderungen (Schrecken im Terrain der
Persönlichkeitsorganisation bei Borderline-Klienten, sowie
kritische Diskussion des Ansatzes »somatic expiriencing« von Peter
Levin kritisch). Lewis bezieht dies auf traumatische Ereignisse und
traumatische Erfahrungen im Sinne eines Entwicklungstraumas.
Psychosomatik
Der wesentlichste Beitrag der BA zu Psychosomatik ist das Konzept
der funktionellen Identität von Körper und Psyche und die hierauf
aufbauende Praxis. Insoweit stellt die BA eine originäre, sowie
wirkungsvolle Behandlung von Psychosomatosen, Neurosen und
Persönlichkeitsstörungen dar. Sie kommt zur Wirkung bei zwei
psychosomatischen Behandlungsnotwendigkeiten, nämlich nach
körperlicher Krankheit, Unfall, Operation usw., sowie bei
körperlichen Krankheiten, die durch psychische Faktoren ausgelöst
und aufrecht erhalten werden. Die BA stellt einen dynamischen und
prozessorientierten Ansatz zur Verfügung, in dem die körperliche
Ausdruckssprache zusammen mit den Klienten erarbeitet wird
(sogenanntes Körper lesen). Es wird gemeinsam mit dem Klienten
analysiert, durchgearbeitet und auch körperlich integriert. Es
geschieht auf dem Hintergrund von Übertragung, Gegenübertragung,
Arbeit mit dem Widerstand und den unterschiedlichen Modi der
Stressverarbeitung (Coping), der bewussten Schulung der
Körperwahrnehmung usw. Bandini verknüpft in ihrer Fallschilderung,
dass Zusammenspiel von Biographie, Psychodynamik und deren Einfluss
auf das Körper-Selbst. Die psychosomatische Symptomatik versteht
sie als ein Echo auf frühe Beziehungserfahrung. Sie illustriert
dies durch ihre prozesshafte Beschreibung des Fallbeispiels.
Bellis veranschaulicht an drei typischen
Beschwerdebildern/Erkrankungen: Atemwegerkrankung, Hyperventilation
und Erkrankung des Margen-Darm Bereichs, wie das »funktionale
Denken«, das den psychosomatischen Charakter der BA begründet im
Einzelfall zu verstehen und zu behandeln ist. Clauer verknüpft
Krankenbehandlung und Salutogenese, wenn er als Arzt und
bioenergetischer Analytiker, sowohl mit dem Körper und der
pathologischen Dimension arbeitet, als auch gleichzeitig
beziehungsdialogisch und unterstützend mit der basalen
Selbstfunktion.
Wissenschaftliche Integration
Die Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Körper und Psyche
werden seit gut einem Jahrzehnt durch neurobiologische Forschung,
fortlaufend erweitert und haben enorme Bedeutung für
psychotherapeutische Konzepte und Methodologie. Reich, Lowen und
ihre Schüler sahen ihr Erfahrungswissen über den Zusammenhang von
Körper und Psyche als eine Selbstverständlichkeit an, die sie auf
der Basis eingehender, differenzierter, klinischer Beobachtung
gewonnen hatten. Lowen war insoweit ein Pionier auf dem Gebiet der
Körperpsychotherapie als es ihm wichtig war, den körperbezogenen
Zugang nicht vorschnell, und wenn dann aber auch diskursiv und
kritisch, den gesellschaftlich etablierten Wissenschaftskreisen im
psychotherapeutischen Feld zu überlassen. Hatte er doch genauso wie
Reich und Freud Sorge, dass die Entwicklung eines neuen
bahnbrechenden Ansatzes vorschnell durch die traditionellen
Wissenschaften absorbiert, verwässert oder gar verfälscht werden
würde.
Es helfen daher systematische empirische Untersuchungen zu den
Grundkonzepten der BA, inzwischen werden diese zunehmend in der
Fachöffentlichkeit publiziert und wahrgenommen. Das Buch stellt
einen wichtigen Meilenstein in dieser Richtung dar. Der Rückzug
Lowens als Präsident des Internationalen Instituts für
bioenergetische Analyse führte zu einer eingehenden, oftmals
schwierigen, kritischen, daher besonders wichtigen Entwicklung im
Feld der BA. Der Umstand, dass die bioenergetischen AnalyterInnen
»sich notwendiger Weise mit sich selbst beschäftigen mussten«, ging
auf Kosten des Anschlusses im psychotherapeutische, insbesondere im
körperpsychotherapeutischen Feld. Dies führte auch dazu, dass
zentrale Konzepte der BA, sowie Erkenntnisse von Wilhelm Reich,
sozusagen zur Technik erklärt, von anderen Verfahren absorbiert
wurden. Das vorletzte Kapitel ist daher insoweit ein wirklicher
Entwicklungsschritt in der Historie der BA. Werden doch dort drei
exemplarische Konzepte der Integration von Forschungsergebnissen
vorgestellt. Resneck verdeutlicht wie wichtig die frühen
Bindungserfahrungen (der ersten drei Monate) im Rahmen einer
Beziehung durch Kommunikation mit dem Körper, also nicht verbal,
aktualisiert werden. Dies bedeutet für die
Therapeut-Klient-Interaktion oftmals eine besondere Beachtung der
somatosensorischen Signale. Also einer Berücksichtigung der
unbewussten nonverbalen Erfahrung. Diese wird im Sinne der
Affektregulation unterstützt, analysiert und gefördert (hierbei
wird insbesondere Bezug genommen auf die
Eltern-Kind-Interaktions-Forschung von Alan Schore). Kloppstech
rehabilitiert die Katharsis in der Körperpsychotherapie. Sie stellt
die Katharsis als eine fördernde Intervention dar, die klar
konzeptioniert und definiert ist. Sie sieht diese Rehabilitation
der Katharsis durch neurowissenschaftliche Studien unterstützt.
Insoweit kommt es zur Flexibilität im Therapieprozess, wenn
einerseits die autonome Selbstregulation, andererseits die
interaktive Selbstregulation betrachtet und genutzt werden.
Koemeda-Lutz zeigt an Hand einer Fallvignette, in einer kleinen
Therapiesequenz zwischen Therapeutin und Klientin, dass das
menschliche Verhalten, insbesondere die soziale Interaktion, zu
einem großen Teil unbewusst gesteuert wird. Relativiert werden
insoweit, die kognitiv-verbalen Einsichten gegenüber emotionaler
Beteiligung und handelnde Erfahrung bei psychotherapeutischen Lern-
und Veränderungsprozessen. Der Einbezug des Körpers in die
Psychotherapie ist somit unabdingbar.
Forschung
Seit den 8o-er Jahren wird von Gesundheitspolitikern und
akademischen Institutionen gefordert, die verschiedenen
Psychotherapieverfahren hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und ihres
Nutzens empirisch zu überprüfen. Während die BA bis dato primär
Anwendung, Konzept und Wirksamkeit durch Einzelfallschilderung
beschrieben hat, ist sie seit mehr als 10 Jahren mit prospektiven
Wirksamkeitsstudien unter naturalistischen Bedingungen, sowie
retrospektiven Befragungen von Patienten, nach abgeschlossener
BA/Körperpsychotherapie befasst. Gerade das prospektive
Forschungsdesign ermöglicht eine die Therapie begleitende Befragung
von Patient und Therapeut, über einen festgesetzten Zeitraum, mit
dem Ziel valide Aussagen über den Zusammenhang von Interventionen
und deren unmittelbarer Wirkung auf den Patienten, bzw.
langfristigen Therapieerfolg zu liefern. So sind nicht nur
Therapieergebnisse im Sinne von rückwirkenden Bewertungen möglich,
sondern auch Einblicke in den Therapieprozess selbst, mit seinem
spezifischen körperbezogenen Einfluss auf die Befindlichkeits- und
Symptomveränderung von Messzeitpunkt zu Messzeitpunkt.
Inzwischen gibt es auch eine Forschungsstudie, die zusammen mit
Vertretern anderer körperpsychotherapeutischer Schulen durchgeführt
wurde. Ebenso katamnestische Befragungen, die bis zu ca. 6 Jahren
nach Abschluss der Therapie durchgeführt wurden. Die spezifische
bioenergetische Körperarbeit wurde bei mehr als der Hälfte der
Patienten als ausschlaggebend für neue Einsichten genannt.
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