Rezension zu Das Unbewusste, Band 1-3
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Rezension von Stephan Günzel
Das Unbewusste ist erfasst
Der erste Band des neuen Standardwerkes zur Theorie und Praxis des
Unbewussten liegt vor
Mit dem Band »Auseinandersetzungen in Philosophie, Medizin und
Psychoanalyse«, liegt der erste des auf drei Bände angelegten
Überblickswerkes zur »Macht und Dynamik des Unbewussten« im
Gießener Psycho-Sozialverlag vor. Die Besonderheit liegt dabei
nicht nur in der thematischen Auffächerung des Themas vor und
jenseits der einschlägigen, Freud’schen Deklination des
Unbewussten, sondern in dem Ausgreifen in Praxis und Theorie
gleichermaßen: Die ist den beiden Herausgebern Michael Buchholz und
Günter Gödde zu verdanken, die sowohl als Psychoanalytiker
praktizieren als sich auch als Autoren historischer und
systematischer Arbeiten zum Unbewussten tätig sind. Von Gödde ist
zuletzt im gleichen Verlag eine biografisch-dokumentarische
Monografie zu Freuds ältester Tochter Mathilde erschienen und 1999
bereits die extensive Arbeit über die »Traditionslinien des
Unbewussten« im Verlag Kimmerle.
Der vorliegende Band nun braucht keine Vergleiche zu scheuen, da er
seinem Umfang von über 700 Seiten auch inhaltlich gerecht wird:
Gemäß dem Bandtitel widmet er sich den theoretischen Vorboten des
Unbewussten bei Descartes, Leibniz und Kant, die allesamt begannen,
der ›dunklen‹ Seite des Menschen einen Platz in seiner
anthropologischen Erfassung freizuhalten. Dass dieser nicht durch
die Philosophie oder Anthropologie, vielmehr erst durch die
Psychophysiker und existentiellen Denker wie Fechner, Schopenhauer
und anderen erfolgen konnte, wird hier durch die insgesamt 23
Einzelbeiträge nebst zusammenfassenden Einleitungen der Herausgeber
im Detail belegt.
Das Gros der Beiträge widmet sich gerechterweise der Psychologie
und Psychoanalyse: Die Ansätze von Lacan, Kohut, Klein, Bion,
Bollas und Mitchell werden verständlich dargestellt und auf zwei
potentielle Leserkreise zugeschnitten: Theoretiker angrenzender
Gebiete mit Interesse für die gegenwärtig diskutierten Kernkonzepte
des Unbewussten und Praktiker der psychoanalytischen Therapie, die
nach kompakten Überblicksdarstellungen der Grundlagen ihres Tuns
suchen.
Die Herausgeber haben Sorgfalt darauf verwendet, den Band in keiner
Richtung hermetisch abzuschließen oder zu einer polemischen
Plattform gerinnen zu lassen. Alle Beiträge sind mit umfangreichen
Literaturhinweisen versehen und ermöglichen so das effiziente
Weiterarbeiten am einzelnen Thema. Zumindest dieser erste Band, so
kann man bereits feststellen, wird Bestand haben und setzt hohe
Maßstäbe für die beiden folgenden, welche die beiden hier
integrierten Perspektiven vertiefen werden: einmal im Kontext
gegenwärtiger Theoriebildung, ein anderes mal im Bereich der
praktischen Arbeit. Leider ist das Fehlen eines Namensindex zu
beklagen. Dennoch ist das Buch allen Interessierten zur Anschaffung
zu empfehlen, zumal der Preis trotz des Umfangs niedrig gehalten
wurde.
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