Rezension zu Tat-Sachen
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Rezension von Ann-Katrin Ehret
Gegenstand dieses Buches ist die wissenschaftliche Analyse von
Gruppentherapiesitzungen mit Sexualstraftätern mit pädophiler
Neigung. Neben einer genauen Darstellung der für die Betrachtung
notwendigen methodischen Werkzeuge werden vor allem
Konversationstranskripte aus real stattgefundenen Sitzungen Satz
für Satz im Detail analysiert.
Bereits im Vorwort kündigen die Autoren an, dass sich in ihrem Buch
kein Stoff verbirgt, den man typischerweise aus plakativen
Medienberichten über Sexualstraftaten kennt. Vielmehr ginge es um
die wissenschaftliche Betrachtung des bis dato weitgehend
unbekannten Forschungsgebiets der gruppentherapeutischen Behandlung
von Sexualstraftätern. Dieses Versprechen wird zweifelsohne
eingelöst. Erst nach umfangreicher (ca. 150 Seiten) theoretischer
Einführung in die methodischen Werkzeuge (genau geht es um die
Kombination der drei qualitativen Werkzeuge Konversations-,
Narrations- und Methapernanalyse) geht es nach und nach darum,
charakteristische Konversationsaspekte und -strukturen von
Sexualstraftätern im Rahmen von Gruppentherapiesitzungen genauer
unter die Lupe zu nehmen.
Auch weisen die Autoren bereits einleitend darauf hin, dass sie
sich der psychoanalytischen Betrachtungsweise nahe fühlen, was
insofern Auswirkungen hat, als dass sich die Lektüre für jemanden,
der sich mit der Freudschen Theorie noch nie auseinandergesetzt
hat, um einiges erschweren könnte, da sich die Autoren bei den
Interpretationen der Gesprächsprotokolle nicht selten
psychoanalytischer Grundmuster bedienen.
Die Autoren meistern meiner Meinung nach das schwierige
Unterfangen, hinter die »Maske« von Sexualstraftätern zu blicken
und sie glaubhaft nicht als die Monster zu entlarven, wie sie oft
in anderen weniger wissenschaftlich orientierten Schriften
skizziert werden, und andererseits die zweifelsohne mit den Tätern
verhaftete Schuld in keinster Weise zu minimieren oder durch
eventuell zugesprochene eigene Missbrauchserfahrungen
abzumildern.
Insgesamt ist das Buch nicht als Einstiegslektüre für
kriminologisch Interessierte zu empfehlen, sondern eher für ein
Leserfeld, das sich gezielt und vor allem methodisch fundiert über
die Möglichkeiten informieren will, die gruppentherapeutische
Interventionen in diesem Arbeitsgebiet mit sich bringen.
Wie reden Sexualstraftäter über ihre Taten, welche Themen vermeiden
sie bzw. wie reden sie über Schuld? Und welche Muster lassen sich
in diesen Gesprächen erkennen, welche Denkstrukturen verbergen sich
hinter scheinbar unbedacht ausgewählten Worten? Auf all diese
Fragen wird ein Leser mit Ausdauer, der die wörtlichen Trankskripte
an einigen Stellen bedürfen, zweifelsohne Antwort finden.