Rezension zu Einsicht in Gewalt

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Rezension von Georg Blokus

Svenja Taubner wagt sich mit dieser Arbeit in einen gerade in den letzten Jahren sehr populären Bereich der Sozial- und Kriminalpsychologie: Jugendliche Gewaltstraftäter und die Täter-Opfer-Diskussion. Inwiefern haben jugendliche Straftäter die Einsichtsfähigkeit als reflexive Kompetenz, sodass ein Täter-Opfer-Ausgleich ermöglicht werden könnte?

Diese Fragestellung ist nicht nur aus soziologisch-psychologischer Perspektive von Bedeutung, sondern hat durch ihre akute praktische Relevanz gerade in der Rechtswissenschaft tiefe Verwurzelung. Durch eine sowohl philosophisch als auch empirisch fundierte Untersuchung der Einsichtsproblematik im Gewaltkontext gelingt der Autorin eine ganzheitliche Sichtweise. Die Arbeit umfasst sowohl qualitative als auch quantitative Elemente, die zusammen ein ganzheitliches Bild formen sollen.

Was sind die Faktoren, die einem Menschen zu Einsicht verhelfen, welche Persönlichkeit, welche Situation und welche zusätzlichen Einflüsse spielen dabei eine Rolle? Es wäre wohl fatal zu glauben, dass Empirie zu eindeutigen Ergebnissen führen würde, nein, vielmehr stellen sich danach viele weitere neue Fragen, die nach Antworten verlangen. Und so ist es auch in diesem Fall. Gerade ein Themenkomplex wie Gewalt besitzt unterschiedlichste Facetten, die zu ergründen die Wissenschaft seit jeher versucht, aber bei weitem noch nicht am Ziel angekommen ist.

Die Arbeit von Svenja Taubner ist deshalb so interessant und eindrucksvoll, weil sie einerseits den Prozess der Entstehung bzw. Nicht-Entstehung von Einsicht beschreibt und andererseits Erklärungen und Vorhersage formuliert, die auf der empirischen Basis eine Fundierung erhalten, die gerade im Bereich der Gewaltforschung, die größtenteils auf Korrelationsstudien beruht, von herausragender Qualität ist.

Besondere Begeisterung ruft bei mir die sozialwissenschaftliche Orientierung dieser Arbeit hervor. Es ist keine Psychologie, die sich einzig auf naturwissenschaftlich-quantitative oder geisteswissenschaftlich-qualitative Methoden stützt, sondern sie versucht einen Spagat zwischen beiden einzugehen, der Forschungsgegenstand und -methodik aufeinander abstimmt, sodass ein ganzheitliches Verstehen überhaupt erst ermöglicht wird.

Hervorragend ist auch die methodische und didaktische Qualität dieser Arbeit. Sowohl Methoden als auch Ergebnisse werden in anschaulichen Diagrammen und Grafiken dargestellt. Und der Sprachstil der Autorin ermöglicht ein einfaches Verständnis in einen Themenkomplex, der gerade durch seinen interdisziplinären Anwendungsbezug von komplizierten Begriffen und Zusammenhängen gefüllt ist.

Was aber bleibt bei mir nach der Lektüre dieser Arbeit davon hängen? Zugegebenermaßen ist die Einsicht in die empirischen Befunde nicht die einfachste und stellt viel mehr Fragen, als dass sie Antworten geben würde. Vor allen Dingen bleibt für mich als angehenden Diplom-Psychologen deshalb das vertiefte Interesse an einer praxisbezogenen Thematik, die medial oftmals nur unzureichend beschrieben und erklärt wird. Gerade die Komplexität wurde mir aufgrund dieser Arbeit zumindest teilweise genommen und die grundlegende Angst vor einem solch tiefen und weiten Thema ist einer Freude an den Forschungsmöglichkeiten und zukünftigen Erkenntnissen gewichen.

Es bleibt nur zu danken für viele Stunden Lektüre, die mich viel Gedankenarbeit gekostet, aber mir auch umso mehr Nutzen gebracht haben. Es ist wohl das erste Mal gewesen, dass ich eine solche Studie gelesen habe, die sowohl ihren als auch meinen Anspruch erfüllen konnte. Es ist schön zu wissen, dass fundierte empirische Forschung nicht nur auf Zahlen basieren muss, sondern den direkten, verstehenden Kontakt zum Forschungssubjekt – dem Menschen – nicht verlernen will und hoffentlich wird.


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