Rezension zu Einsicht in Gewalt

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Rezension von Jeanette Fordyce-Macon

Bei dem Buch »Einsicht in Gewalt« von Svenja Taubner handelt es sich um ein sehr übersichtlich strukturiertes Werk, das jegliche Facetten des Themas Täter-Opfer-Ausgleich beleuchtet. Die einzelnen Kapitel (insgesamt neun) sind in zahlreiche Abschnitte unterteilt, sodass man leicht nach speziellen Themen suchen oder diese wiederfinden kann, wenn man sie einmal gelesen hat. Dies erleichtert erheblich die Benutzung des Buches für Recherche etc.

Bei Gewaltstraftaten ist der Erfolg einer Sanktion und eine daraus resultierende Re-Integration in die Gesellschaft stark von der Einsichtsfähigkeit des Straftäters abhängig. Ist eine psychische und gesellschaftliche Desintegration die Folge einer Sanktion, hat diese keine korrigierende Wirkung, sondern schadet dem Täter für sein zukünftiges Verhalten zusätzlich. Besonders wichtig ist diese Beobachtung bei adoleszenten Straftätern, denn hier weist aggressives und gewalttätiges Verhalten auf eine beschädigte Persönlichkeitsentwicklung hin und kann durch solche Sanktionen, ohne dass Einsicht gezeigt wird, noch weiter beschädigt werden. Der Täter-Opfer-Ausgleich kann genau hier als pädagogische und psychotherapeutische Intervention solchen weiteren Schäden entgegenwirken.

Die Autorin ist selbst aktive Schlichterin im Täter-Opfer-Ausgleich Bremen und kann daher nicht nur den theoretischen Hintergrund der Methode, sondern auch die angewandte Realität darstellen. So untermalt sie die Theorie mit Beispielen und stellt den Prozess des Täter-Opfer-Ausgleichs, als Versuch der außergerichtlichen Schlichtung durch Gegenüberstellung von Opfer und Täter, sehr anschaulich dar.

Die zentralen Fragen, die dieses Buch zu beantworten versucht sind, wie Einsicht Gewalt verhindern kann und ob der Täter-Opfer-Ausgleich die Einsicht in Bezug auf Ursachen und Folgen einer gewalttätigen Straftat fördern kann. Die dabei zur Betrachtung des gewalttätigen Handelns benutzte Methode ist die Objektbeziehungstheorie. Allgemein teilt sie das Werk in einen Theorieteil (1. bis 4. Kapitel) und einen empirischen Teil (5. bis 9. Kapitel), der auf die vorangegangene Theorie aufbaut und sie mit exemplarischen Beispielen vertieft.

Der Theorieteil beginnt damit, den derzeitigen Stand der theoretischen und empirischen Forschung darzustellen, und macht dadurch eine fehlende theoretische Fundierung des Täter-Opfer-Ausgleichs deutlich. Kapitel 2 dreht sich komplett um den Begriff Einsicht, der aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird (unter anderem philosophischer und juristischer), da dieser im Mittelpunkt des Gelingens eines Täter-Opfer-Ausgleiches steht. Als Ergänzung wird in Kapitel 3 ein psychoanalytischer Begriff von Einsicht entwickelt, um ihn theoretisch tauglicher für den Täter-Opfer-Ausgleich zu machen. Kapitel 4 schließt den theoretischen Teil mit allgemeinen Überlegungen zu Einsichtsfähigkeit in der Adoleszenz, auf Basis kriminologischer und psychoanalytischer Erkenntnisse ab.

Im empirischen Teil findet eine Ergebnisforschung mit den Ergebnissen eines reellen Täter-Opfer-Ausgleich-Programmes im Prä-Post-Design statt. In Kapitel 5 werden die Fragestellungen mit Hilfe des Konzepts der Reflexiven Kompetenz in die Tat umgesetzt. Ein Täter-Opfer-Ausgleich ist nämlich auch auf die Förderung der reflexiven Fähigkeiten der Täter aus. Eine Untersuchungsgruppe mit 19 männlichen adoleszenten Beschuldigten (Gewaltstraftat) bietet hier die nötige Verdeutlichung. Die zentrale Untersuchungsmethode ist das Erwachsenen-Bindungs-Interview (auch »Adult Attachment Interview« genannt) und in Kapitel 6 findet zunächst eine deskriptive Auswertung der Ergebnisse statt. Hier wird besonderer Fokus auf soziodemografische Merkmale der Beschuldigten gelegt. Kapitel 7 beschreibt die Zufriedenheit der Probanden in der erwähnten Untersuchungsgruppe, deren eventuelle Veränderung innerhalb ihrer Reflexiven Kompetenzen, aber auch eventuelle Rückfälligkeit. Kapitel 8 bietet eine qualitative inhaltsanalytische Auswertung und Kapitel 9 rundet das Werk mit einer abschließenden Interpretation und Diskussion im Hinblick auf die anfänglich erwähnten Hauptforschungsfragen ab.

Das Werk bietet in jedem dieser Kapitel schöne Beispiele, die jeweils auch optisch gekennzeichnet sind. Allgemein ist es von der Aufmachung her sehr übersichtlich und eignet sich gut zur Benutzung für schriftliche Arbeiten. Wie anfänglich schon erwähnt, könnte das einer möglichen Post-It-Ansammlung beim Lesen entgegenwirken, da man auch so alles gut wiederfindet. Tabellen und Diagramme veranschaulichen zusätzlich die erläuterte Theorie und Ergebnisse aus der Untersuchungsgruppe.

Inhaltlich ist das Werk sehr schön theoretisch fundiert und bietet eine sehr gute Basis, bevor es dann tatsächlich an den empirischen und quasi praktischen Teil geht. Es ist durchaus lesenswert, auch unabhängig davon, ob man es für eine Arbeit oder Ähnliches verwenden will. Auch einem Laien, der sich für das Thema interessiert, bietet es einen sehr schönen Einblick, um auch mal hinter die Idee des Täter-Opfer-Ausgleichs zu sehen und zu wissen, warum so etwas überhaupt gemacht wird. Ich kann dieses Buch also wirklich jedem empfehlen, der sich in diesem Gebiet weiter informieren will, egal welches Interesse dahinter steckt (psychoanalytisch, juristisch, sozialwissenschaftlich, privat,...).



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