Rezension zu Einsicht in Gewalt
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Rezension von Jennifer Niegel
Das Buch »Einsicht in Gewalt« von Svenja Taubner bietet eine andere
Sichtweise, als man es im Themenbereich der Jugendkriminalität
gewohnt ist. Hier wird einerseits der theoretische Hintergrund
beleuchtet, insbesondere die Einsichtsfähigkeit des
Täter-Opfer-Ausgleichs, sowie andererseits durch einen empirischen
Teil die ausführende Gewalt aus Sicht der Gewalttäter dargestellt
und kommt zu interessanten Schlussfolgerungen.
Taubner schafft es, durch ihre analytischen Fähigkeiten die Brücke
zwischen Theorie und Empirie zu schlagen und sie mit ihrer
deutlichen und verständlichen Sprache dem Leser näher zu
bringen.
Das erste Kapitel stellt umfassend dar, was überhaupt ein
Täter-Opfer-Ausgleich ist und in welcher Verbindung er verwendet
wird.
Im zweiten Kapitel werden die philosophische und juristische Sicht
von Einsicht übermittelt und man bekommt genügend Input, um die
Argumentation in den folgenden Kapiteln nachzuvollziehen. Danach
wird im dritten Kapitel der Begriff Einsicht von der
psychoanalytischen Seite her untersucht und im vierten Kapitel wird
von dort die Brücke geschlagen zum gewalttätigen Verhalten in der
Adoleszenz.
Insgesamt gesehen ist der theoretische Teil nicht zu nüchtern
formuliert und animiert zum Weiterlesen, da der zweite, empirische
Teil darauf aufbaut. Man kommt zu dem Ergebnis, dass man bei den
Gewalttaten der Adoleszenten unterscheiden muss, ob es sich um
schwer ich-gestörte Täter handelt oder um jugendtypische Delinquenz
und findet sich bereits automatisch im empirischen Teil wieder.
Hier werden überschaubar acht Annahmen der Autorin dargestellt, um
den Forschungsgegenstand abzugrenzen. Nach der Darstellung aller
nötigen Grundlagen für die Studie (Konzept, Forschungsinstrumente,
Forschungsdesign) werden auch die soziobiografischen Grundlagen
erläutert. Besonders gefallen haben mir die Auswertungsbeispiele
der reflexiven Kompetenzen, die Einblick geben, wie die
unterschiedlichen Stufen gewertet werden. Auch die
Bindungsrepräsentation ist interessant, da sie bei den untersuchten
Tätern größtenteils ein ungelöstes Trauma in Verbindung mit ihrem
Migrationshintergrund darstellen. Diese Ergebnisse werden in den
statistischen Auswertungen immer wieder aufgegriffen, wodurch man
den roten Faden in der Argumentation Taubners nicht verliert und
immer wieder selbst überprüfen kann. Die Darstellungen und
Graphiken in den statistischen Auswertungen sind klar dargestellt
und liefern schnelle Informationen, auch wenn man keine
Grundlagenkenntnisse im Bereich der Statistik aufweist.
Anschließend folgt der qualitative Teil im Hinblick auf die
Prä-Post-Veränderungen von Einsicht, wobei wieder die nötigen
Informationen zur Herangehensweise und Durchführung dargestellt
werden, der Überschaubarkeit halber durch Tabellen ergänzt.
Besonders interessant fand ich die idiografischen Falldarstellungen
im achten Kapitel, da sie Beispiele für das Fehlen von reflexiver
Kompetenz, für eine niedrige reflexive Kompetenz und
durchschnittliche reflexiver Kompetenz liefern, jeweils mit
Kurzbiografie, der Tat und der Einsichtsentwicklung im
Täter-Opfer-Ausgleich. Im neunten Kapitel werden letztendlich die
Zusammenhänge deutlich erklärt und die vorangegangen Annahmen
analysiert.
Insgesamt kann man das Buch nur empfehlen, wenn man sich mehr um
die reflexive Kompetenz adoleszenter Straftäter beim
Täter-Opfer-Ausgleich interessiert oder Grundlagen aneignen muss.
Psychologische Grundkenntnisse sind sicherlich von Vorteil, um die
Zusammenhänge schnell zu verstehen, jedoch kann ein Laie mit Geduld
sich dank des verständlichen Schreibstils Svenja Taubners auch
zusätzliches Wissen aneignen.