Rezension zu Die seelische Krankheit Friedlosigkeit ist heilbar
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Rezension von Desislava Karanedialkova-Krohn
Prof. Richter gehört seit langem zu den Leitfiguren der
Friedensbewegung, ist Initiator verschiedener Projekte und
Mitgründer der westdeutschen Sektion der Internationalen Ärzte
gegen den Atomkrieg, die 1985 mit dem Friedensnobelpreis geehrt
wurden. Die seelische Krankheit Friedlosigkeit, wie sie von Carl
Friedrich von
Weizsäcker genannt wurde, ist in den letzten Jahren ein Hauptthema
seiner kulturpsychologischen Analysen. Das Buch stellt eine
Sammlung von Texten dar, die nach Vorträgen und Interviews zu
verschiedenen Zeitpunkten und Anlässen entstanden sind.
Am Anfang findet sich eine kurze Übersicht über die einzelnen Texte
sowie auch die Erklärung des Begriffs Friedlosigkeit. In den
nachfolgenden Kapiteln findet er Beispiele für die Ausbreitung der
seelischen Krankheit Friedlosigkeit in der jüngsten Geschichte,
anhand derer er dann ihre schweren Folgen aufzeigen kann.
Schwerpunkte dabei sind die Unterstützung Hitlers durch die
Ärzteschaft in Deutschland bei der Planung und Organisation der
Euthanasie von psychisch gestörten sowie geistig und körperlich
behinderten Menschen, die Aufarbeitung der RAF-Geschichte sowie die
Atomaufrüstung. Viele dieser Beispiele sind der persönlichen
Geschichte und den Erlebnissen des Autors entnommen. So berichtet
er über seine eigenen Erfahrungen mit den Internationalen Ärzten
gegen den Atomkrieg und über persönliche Begegnungen mit namhaften
Psychiatern und Denkern unserer Zeit. In vielen dieser Texte gibt
er Erklärungen für Geschehnisse und Denkmuster aus der Sicht eines
psychoanalytisch orientierten Psychiaters.
Der Band ist in einem lebendigen und allgemein verständlichen Stil
geschrieben. Die Texte, welche mit vielen eigenen Erfahrungen
unterlegt sind, wirken dadurch sehr authentisch. Auch werden die
kulturellen und geschichtlichen Hintergründe der verschiedenen
Geschehnisse gut und ausführlich erklärt, so dass die Erläuterungen
des Autors im Kontext gesehen werden können. Für den
psychoanalytisch interessierten Leser mögen die analytischen
Ausführungen teilweise etwas zu kurz und nicht ausführlich genug
erscheinen. Sie stehen weniger im Vordergrund der Texte, sondern
stellen eher einen Zusatz dar. Trotzdem bleibt das Buch eine
spannende Lektüre mit tiefgründigen Kulturanalysen der letzten 80
Jahre unserer Geschichte, welche viele philosophische und
existenzielle Fragen aufwirft.