Rezension zu Die seelische Krankheit Friedlosigkeit ist heilbar

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Rezension von Georg Blokus

Horst-Eberhard Richter hat nun im Jahr 2008 einen weiteren Beitrag zur Friedenspsychologie geleistet. Nach seinen renommierten und bekannten Werken wie »Eltern, Kind, Neurose« und »Der Gotteskomplex« sind seine psychoanalytisch fundierten Arbeiten zu Klassikern in der deutschen und internationalen Psychologie geworden.

Eingeleitet von einem Interview aus der »taz«, in welchem Horst-Eberhard Richter über seine persönlichen Erfahrungen mit Krieg und Frieden spricht und potentielle Hoffnungen formuliert, wird diese Arbeit mit einem Rückbezug auf einen Briefwechsel zwischen Sigmund Freud und Albert Einstein begonnen: »Warum Krieg?« Als Voraussicht des Holocaust haben Freud und Einstein in diesem historischen Dokument eine wortgewaltige Kraft gegen die Gewalt und für die Kulturentwicklung postuliert. Die destruktiven Triebe in der Natur des Menschen müssten zum Wohle der Gemeinschaft durch kulturell höherwertige ersetzt werden, um zu einem möglichen Frieden zu finden.

Die zwei Zitate zu Beginn dieser Arbeit schließen daran inhaltlich an: »Entweder wird die gesamte Menschheit physisch zugrunde gehen, oder der Mensch wird sich in seinem sittlich politischen Zustand wandeln.« (Karl Jaspers) und »Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nicht.« (Willy Brandt). Doch wie soll der Mensch als soziales Wesen mit den entsprechenden Trieb- und Konfliktpotentialen zu dieser Utopie gelangen?

Richter untersucht in seiner Analyse fortschreitend die Medizingeschichte und ihre ethischen Konflikte, Alexander Mitscherlichs Theorie über die Deutschen im und nach dem 2. Weltkrieg, die sexuelle Friedensrevolution der 68er, den Terror der RAF, die Atomrüstung während des Kalten Krieges und den Kampf der Kulturen am Beginn des 21. Jahrhunderts.

Mit seinen humanistisch-psychologischen Idealen begründet Richter selbstverständlich noch letztendlich ein Plädoyer für eine gerechtere, humanere und vor allem friedvollere Welt. Wie auch immer man als Leser zu den Thesen positioniert sein mag, die hoffnungsvolle und zugleich zuversichtliche Kraft der Worte dieses Psychoanalytikers zeugt von einer Wahrheit, die nur auf Realisierung drängen kann. Auch wenn die Komplexität und die Problematik unserer gegenwärtigen Zeit einen mit Skepsis gegenüber allgemein verbindlichen Utopien erfüllt, so bleibt doch eine Restspannung, die genau das will: das Noch-nicht-Existente.

Es hat mir persönlich unheimliche Freude bereitet dieses Buch zu lesen, weil ich schon vorher einige Arbeiten von Horst-Eberhard Richter mit Begeisterung gelesen habe und gerade in der psychoanalytisch orientierten Psychologie eine außerordentliche soziale Relevanz erkenne, die so leider nicht in anderen Bereichen der Psychologie erkennbar ist. Sich an die wirklich »großen Fragen« zu wagen und vielleicht teilweise in »optimistische Naivität« zu verfallen, kann deswegen durchaus mit Überzeugung toleriert werden. Persönlichkeiten wie Richter, die mit gutem Recht als Intellektuelle bezeichnet werden können, müssen ihre Begrenztheit im Wissen trotz aller möglichen Kritik um der Gemeinschaft willen transzendieren, um zu Positionen zu gelangen, die so nicht von anderen geäußert werden können.

Und genau darin liegen auch die Kraft und die Bedeutung dieser Arbeit. Sicherlich nicht in der methodischen Vorgehensweise aus empirisch-psychologischer Sicht. Es ist vielmehr eine philosophisch orientierte Gesellschaftsanalyse, die über das Phänomenale hinausgeht und zukünftige Möglichkeiten und Grenzen antizipiert.

Vielen Dank für diese lehrreiche und zugleich kritische Arbeit, die einen in Bereiche entführt hat, die bei allem gegenwärtigen Postmodernismus kaum noch vorstellbar ist. Plötzlich sieht jemand Sinn, der allgemein nicht mehr anerkannt ist. Plötzlich stellt jemand Thesen auf, die allgemein als verworfen bzw. unzureichend und naiv gelten. Und trotzdem macht er dies aus voller Überzeugung mit aller persönlichen Erfahrung, die nur einer vermitteln kann, der weiß, was Krieg bedeutet.


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