Rezension zu Psycho-News
Psychotherapeuten-Journal 3/2007
Rezension von Sebastian Leikert
Die beiden Bände, um die es hier geht, haben eine ungewöhnliche
Entstehungsgeschichte: Innerhalb des Vorstands der DGPT –
Dachverband der psychoanalytischen Fachgesellschaften in
Deutschland – entstand der Wunsch, von Zeit zu Zeit
zusammenfassende Informationen über aktuelle Ergebnisse der
Psychotherapieforschung zu bekommen. Dieses Problem dürfte jedem
wohlbekannt sein, der ein Interesse an den vielfältigen
Entwicklungen seines Fachs hat, dessen Aufgabenfeld aber nicht
primär wissenschaftlich ist. Es überrascht auch nicht, dass diese
Anfrage an Herrn Buchholz gerichtet wurde. Zunächst
wissenschaftlicher Leiter der psychotherapeutischen Klinik in
Tiefenbrunn bei Göttingen, wurde auf den Lehrstuhl für
Sozialwissenschaften in Göttingen berufen. Vielen ist er daneben
auch als Herausgeber der Zeitschrift für qualitative
Sozialforschung bekannt.
Was aber ist nun herausgekommen bei dieser Anfrage und warum kommt,
was dabei herausgekommen ist, nun in Buchform heraus und für wen
sind diese zwei Bände von Interesse? Die bald so genannten
Psycho-News-Letter wurden und werden nun mit größter Regelmäßigkeit
jeden Monat versandt und bilden damit seit November 2002 eine
erstaunliche Kontinuität hochwertiger Information. Qualität und
Tonfall der Psycho-News-Letter machten sie darüber hinaus für einen
großen Kreis weiterer Leser interessant und so ergab sich – dem
world wide web sei Dank – bald eine größere Verbreitung der
kürzeren oder längeren Texte. Dabei ist es, neben der stupenden
Leseleistung des Autors, vor allem seiner Fähigkeit zu verdanken,
fast im Plauderton komplexe Themengebiete zu durchqueren, dass die
Lektüre der Texte nicht nur lehrreich, sondern fast unterhaltsam
ist. Die Verbindung zur philosophischen Tradition oder zur älteren
Wissenschaftsgeschichte wird nicht gescheut. Buchholz macht die
Einbettung der aktuellen Forschung in die Fragestellungen deutlich,
die auch frühere Epochen mit anderen Mitteln bearbeitet haben.
Inhaltlich bildet das Referat empirischer Ergebnisse der
Psychotherapieforschung, seien sie psychoanalytischer oder anderer
Provenienz, das Zentrum der Psycho-News-Letter. Es geht um Arbeiten
zum outcome verschiedener Therapieformen, um Langzeitstudien, um
Studien zur Verbreitung psychischer Störungen. Es geht um Themen
der Auseinandersetzung zwischen Psychoanalyse und Neurobiologie
oder um Arbeiten zu bestimmten Facetten der klinischen Begegnung,
wie z.B. dem Arbeitsbündnis oder zur Beforschung des Zusammenhangs
von Mimik, Gestik und therapeutischer Interaktion. Es geht aber
auch um etwas ferner liegende Themen der Therapieforschung, wie
z.B. die Anthropologie der Musik oder die Frage nach dem
Zusammenhang zwischen der Religion und der therapeutischen Rolle.
Kurz, die Themenvielfalt psychotherapeutischer Fragestellungen im
Spiegel des aktuellen Forschungsprozesses ist Inhalt der nun von
Buchholz veröffentlichten Texte.
Im zweiten Band setzt Buchholz dieses weit gestreute Panorama fort,
es lassen sich jedoch auch weitere Perspektiven erkennen. Wenn
Buchholz etwa einen Text zum Thema Widerspruch, Schönheit, Zeit
verfasst, so geht dies über ein schlichtes Referat von
Forschungsergebnissen weit hinaus. Buchholz nimmt sich die
Freiheit, literarische Bezüge von Robert Mush bis Phillip Roth zu
diskutieren. Nie verliert er jedoch den Diskussionsfaden zur
aktuellen Forschung, wenn er diese Diskussionslinien mit Sterns
inzwischen auch in deutscher Sprache erschienen Buch zum
Gegenwartsmoment zusammenführt. Was bleibt, ist das genaue Referat
aktueller Forschungsergebnisse, was hinzukommt, ist eine größere
Freiheit, diese Ergebnisse zu bewerten, einzubinden und
auszuwerten.
Kommen wir aber zurück zur Frage, für wen die Psycho-News – nun in
Buchform – interessant sind. Natürlich wird der regelmäßige Leser
der Letter sie gern in handlicher Form greifbar haben, vor allem
aber stellt die Veröffentlichung einen weiteren Schritt der Öffnung
des psychotherapeutischen Wissens dar. Und dies entspricht Buchholz
Intention: es geht ihm gerade darum zu zeigen, dass die
Psychotherapie und insbesondere die Psychoanalyse keine esoterische
Geheimlehre für Eingeweihte ist, sondern dass sie sich im
Tageslicht der wissenschaftlichen Reflexion zu beweisen hat und
dies auch kann.
Wo aber ist die Grenze der Lesbarkeit? Ich glaube, die
Psycho-News-Letter sind für jeden interessant, der sich mit
Psychotherapie befasst und der Psychoanalyse nicht grundsätzlich
ablehnend gegenüber steht. Der Leser kann ohne weiteres ein
Kritiker der Psychoanalyse sein. Er wird sich bei Buchholz gut
aufgehoben fühlen, kritisiert dieser doch selbst das starre und
forschungsblinde Festhalten einiger Gruppierungen an überkommenen
Überzeugungen. Der Reichtum der Perspektiven und Themen ist groß
und stellt ein fast enzyklopädisches Kompendium dar. Andererseits
sind die Psycho-News nichts weniger als eine Enzyklopädie, sie
gehen unsystematisch von Themen aus, die der Autor auswählt und mit
einer großen Freiheit der Kontextualisierung abhandelt, erreichen
aber, durch die Kontinuität der Arbeit, quasi auf rhapsodischem
Wege, eine gewisse Vollständigkeit der Themen.
An dieser Stelle meine einzige Kritik an dem Projekt: ich finde,
die Bände hätten durch ein Stichwort- oder zumindest durch ein
Personenregister sehr an Handhabbarkeit gewonnen. Zumindest ein
Personenregister dürfte für den Verlag – Herr Buchholz selbst hat
nun wahrlich genug geleistet – kein übertriebener Aufwand sein und
würde es sehr erleichtern, Querverbindungen zu erschließen.
Die Position Buchholz ist der Blick über den Tellerrand und diesen
Blick erlauben die Texte natürlich in beiden Richtungen: vom
Tellerinneren des Kerngebietes der Psychotherapie auf das Draußen
der Forschung und vom allgemein Rationalen der Forschung ins
Kerngebiet der Psychoanalyse hinein. Gerade diesen Blick zu
ermöglichen, halte ich für eine Leistung des Autors. Die
vorgestellten Bände sind eine Einladung an alle, die kritisches
Gespräch mit der Psychoanalyse für eine gute Sache halten.