Rezension zu Weibliche Ejakulation

Mitteilungen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft 37-38/2007

Rezension von Marion Hulverscheidt

(Diese Rezension bezieht sich auf die erste Auflage des Titels; die angezeigte Version ist eine unveränderte Neuauflage.)


Sabine zur Nieden, Ärztin und Sexualtherapeutin, legt hier ihre Dissertation in einer Neuauflage vor. Das Thema ist delikat, wohl auch deshalb lohnt sich die Wiederherausgabe nach 10 Jahren, wobei sich am Text nichts Wesentliches geändert hat.

Das Buch beginnt mit einer Beschreibung der Anatomie und der Embryologie der Sexualorgane beider Geschlechter, der streng dem Prinzip der Homologie folgt und den Anspruch erhebt, die traditionell patriarchal geprägte Sichtweise auf die Anatomie der weiblichen Sexualorgane durch eine feministische, egalitäre Perspektive zu korrigieren. So beinhaltet diese Beschreibung auch eine Darstellung der weiblichen Prostata. Entgegen üblicher anatomischer Darstellungen trennt zur Nieden nicht zwischen Vagina und Klitoris, sie beschreibt die Vulva als funktionelle und anatomische Einheit.

Die Ejakulation wird ausführlich sowohl beim Mann als auch bei der Frau beschrieben, ergänzt durch einen historischen Parforceritt über den Forschungsgegenstand. Auch die Störungen, sowohl die physischen als auch die psychischen, der männlichen Ejakulation werden dargestellt. Ausführlich wird die historische Kontroverse um den vaginalen und klitoralen Orgasmus dargestellt. Hauptteil der Dissertation ist eine empirische Untersuchung, die aus einem Fragebogen zur weiblichen Ejakulation bestand. Im Fazit stellt zur Nieden fest, daß einen mit der orgastischen Exzitation korrelierenden Flüssigkeitserguß signifikant häufiger diejenigen Frauen feststellten, die von der Existenz einer weiblichen Ejakulation wußten. Im befragten Kollektiv waren dies in einem signifikant höheren Grade lesbische Frauen. Zur Nieden führt dies jedoch nicht nur auf das breitere Wissen um die weibliche Sexualität zurück, sondern auch auf die Tatsache, daß der Flüssigkeitserguß »in der Homosexualität viel eindeutiger und unverwechselbarer zu beobachten ist« (S. 121). Die spannende Frage, ob es sich bei der weiblichen Ejakulation um ein Phänomen der geschulten Wahrnehmung handelt, wird nicht beantwortet, hier wird ein real existierender und kein phänomenologisch postulierter Forschungsgegenstand bearbeitet.

Zentrales Anliegen dieser Arbeit ist es, Worte zu finden und die Dinge und Geschehnisse beim (neuen) Namen zu nennen. In ihrem Schlußwort hofft zur Nieden, »die Existenz dieser Reaktion bekannter zu machen und die Verunsicherung der Frauen und der TherapeutInnen bezüglich des weiblichen Flüssigkeitsergusses zu verringern« (S. 126).

Zehn Jahre sind nach der ersten Drucklegung dieser wertvollen Arbeit ins Land gegangen, leider wurden in der Neuauflage die Abbildungen nicht mehr abgedruckt. Diese handgezeichneten Darstellungen der männlichen und weiblichen Schwellkörper zeigen noch klarer als Worte, worum es sich bei der sexuellen Erregung handelt. Schade, daß sie fehlen. Ansonsten ein Standardwerk für die weibliche Sexualität, das einen festen Platz in der feministischen Sexualliteratur gefunden hat.

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