Rezension zu Coaching an Schulen
Kommunikation & Seminar
Rezension von Birgitta M. Schulte
Bruch mit einem Tabu
Beate West Leuer plädiert für Coaching an Schulen
Beziehungsfähigkeit ist die Kernkompetenz von Lehrenden. Wenn
Lehrer und Lehrerinnen sich menschlich auf die Kinder in der Schule
einlassen, können die Kinder faktisch und fürs Leben lernen.
Coaching, meint Beate West Leuer, kann helfen, diese
Beziehungsfähigkeit zu professionalisieren. Die Autorin hat zehn
Jahre lang als Studienrätin an einem Berufskolleg gearbeitet. Heute
ist sie Psychologische Psychotherapeutin, Supervisorin und Coach in
eigener Praxis in Neuss. Aus der Kenntnis des Schulgeschehens
begründet sie die Besonderheit der Kommunikation in der Schule
deren Möglichkeiten und vor allem: deren Grenzen. Das ist spannend,
weil sie es am eigenen Erleben erläutert und damit ein
schultypisches Tabu bricht: Beate West Leuer spricht über eigene
Fehler.
Beate West Leuer arbeitet mit psychoanalytischen Kategorien. Da das
Büchlein insgesamt knapp gehalten ist, ist das Kapitel, in dem die
Autorin diese Kategorien auf die Schule anwendet, bei fehlender
Vorbildung nicht einfach zu verstehen. Dennoch gibt der Band viel
Grundlagenwissen an die Hand und ermöglicht so die Einordnung von
Erfahrungen, die wir alle mit der Schule gemacht haben. Er ist
bestens strukturiert und gut visualisiert. Leider bleibt die
Darstellung nah an der Dissertation der Autorin und bekommt dadurch
zuweilen den legitimierenden Tonfall des Sich Beweisens. Die
historische und gesellschaftliche Einordnung der Schule ist jedoch
profund. Hier zeigen sich die Loyalität und auch die Sympathie, die
die Autorin ihren einstigen Kollegen und Kolleginnen
entgegenbringt.
In der Einleitung rät Beate West Leuer unter anderem zu
»beraterischer Bescheidenheit in Bezug auf den Umgang mit
eschlechterstereotypen«. Das entsprechende Kapitel ist kurz. Es
enthält überraschende Begründungen für das unterschiedliche
Verhalten von Männern und Frauen zum Beispiel in
Konfliktsituationen. Es seien die ersten Erfahrungen, die früh
verinnerlichten Geschlechterklischees, die sich Bahn brächen. Die
Hierarchie in einer Schule sei nicht etwa durch die Ämter diktiert,
sondern richte sich zuerst am Geschlecht und erst dann an Rollen
und Funktionen aus. Die psychoanalytische Begründung setzt hier
bedenkenswerte Schlaglichter.
Insgesamt lässt sich viel lernen. Das Buch kann von Ärger,
Schuldgefühlen und Schuldzuschreibungen entlasten. Eine
Fundgrube.