Rezension zu Psychodynamische Organisationsanalyse und Beratung

Punktum. Verbandszeitschrift des Schweizer Berufsverbandes für Angewandte Psychologie

Rezension von Prof. Dr. Christopf Steinebach

Entwicklungen in Praxis und Theorie folgen nicht selten »schrägen« Dynamiken. Dann wird es notwendig, Veränderungen zu systematisieren, zu ordnen und zu bewerten. So war es Ziel einer Vortragsreihe des Psychoanalytischen Seminars Zürich, im Rahmen einer Vortragsreihe »verschiedene Facetten von psychoanalytisch bzw. psychodynamisch orientierter Organisationsbetrachtung und -beratung aufzuzeigen«.

Mit ihrem Band liefern Franziska Lang und Andreas Sidler eine Dokumentation einer Vortragsreihe von sechs Beiträgen:
Rolf Haubl beschäftigt sich unter dem Titel »Die Umwelt bewegen …« mit dem Selbstverständnis einer psychoanalytisch bzw. gruppenanalytisch konzipierten Organisationsanalyse.
»Wir sehen immer nur die Spitze des Eisbergs«, meint Beate West-Leuer. Sie reflektiert Wege des Führungskräftecoachings und der psychodynamischen Beratung.
Burkhard Sievers stellt in seinem Beitrag »Vielleicht haben Bilder den Auftrag, einen in Kontakt mit dem Unheimlichen zu bringen« die Methode der sozialen Foto-Matrix als Zugang zum Unbewussten in Organisationen vor.
Mit »Learning from the Inside Out« macht Olya Khaleelee das Verhältnis von Gruppenbeziehungen und Organisationsberatung zum Thema.
Ausgehend von Robert E. Kelleys Ausdruck »Führende schaffen Folgende schaffen Führende« diskutiert Ross A. Lazar den »leader-follower loop« als Ausdruck des dynamischen Unbewussten in Gruppen und Organisationen.
Kurt Buchinger beschreibt »›Entinstitutionalisierung‹ und ihre Folgen für Personen und soziale Systeme«.

Auch wenn die Beiträge kaum Bezug aufeinander nehmen, so lässt sich doch eine Systematik erkennen. Der soziale Rahmen und die Dimensionen der sozialen Systeme werden von Beitrag zu Beitrag weiter, der Grad der Analyse des Sozialen nimmt an Tiefe und Weite zu. Damit umreißen die Beiträge trotz all ihrer Unterschiedlichkeit einen Bezugsrahmen, der im Detail noch mehrdeutig und vage ist, insgesamt aber eine gute Orientierung in Theorie und Praxis psychodynamischer Beratung und in diesem anspruchsvollen Praxisfeld liefert.
Komplettiert wird die Sammlung von Beiträgen durch ein Vorwort der Herausgeber, das nicht nur eine Zusammenfassung der einzelnen Beiträge liefert, sondern auch in Diskussion und Kritik Perspektiven für die Lektüre eröffnet. So entspricht dem Verweis auf die unterschiedliche Verwendung von Begriffen der Hinweis auf unterschiedliche Basistheorien und Praxeologien. Vor diesem Hintergrund erscheint die Frage nach einem integrativen Modell für die Beratung nicht nur naheliegend, sie schult auch den Blick für die Suche nach Gemeinsamkeiten und Unvereinbarkeiten der Beiträge.
Dass die vorliegende Textsammlung keine übergreifende Beratungstheorie liefern kann, wundert nicht. Dass sich im Feld der Organisationsberatung durchaus eine psychodynamische Praxis mit anspruchsvoller theoretischer Grundlegung etabliert, wird gleichwohl deutlich. Diese Erkenntnis wird über Beiträge vermittelt, die in ihren Fallbeschreibungen spannend zu lesen und in ihren Reflexionen anspruchsvoll und anregend sind.



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