Rezension zu Die Krise der Männlichkeit in der unerwachsenen Gesellschaft
dpa / Juni 2007
Rezension von Ursula Mommsen-Henneberger
Zusammenfassung (Sammelrezension):
Hamburg (dpa) – Jahrtausendelang haben sie selbstbewusst Häuser
gebaut, Bäume gepflanzt, Söhne und Töchter gezeugt, Kriege geführt
und das Denken in der Gesellschaft bestimmt: Doch nun sind die
Männer in Deutschland und auch anderswo in der Krise. Sie haben
erfüllende Ziele und ihr Selbstbild verloren und wissen offenbar
nicht, wo es für sie neben den persönlich stärker gewordenen Frauen
lang geht. (...) Der Psychoanalytiker Prof. Horst-Eberhard Richter
führt «Die Krise der Männlichkeit» auf das übersteigerte Ego des
Mannes zurück.
(...)
Der politische und ökonomische Bereich ist angesichts von atomaren
Overkill-Kapazitäten, Klimakatastrophe und negativen Folgen der
Globalisierung auch für Richter sehr wichtig. Seine These,
anknüpfend an sein Hauptwerk «Der Gotteskomplex», ist: Angesichts
der Endlichkeit des Lebens versucht der Mann, seine Ohnmachtsangst
durch einen Allmachtsdrang zu kompensieren. Zugleich hat er in
unserer Kultur auf dem jahrhundertelangen Weg zur
Individualisierung sein Ich überhöht und Beziehungen abgewertet.
Doch diese «Superman»-Träume sind Illusion, denn alles Leben
basiert auf wechselseitiger Abhängigkeit, wie der Wissenschaftler
betont. Dies müssten die Männer annehmen lernen, denn sonst würden
die weltweite Armutskluft und kriegerische Gewalt noch
zunehmen.
Haben die Frauen von den Männern Durchsetzungswillen gelernt, so
müssten die Männer ihren egozentrischen Machtwillen überwinden und
von den Frauen soziale Sensibilität lernen, Gefühle der
Verbundenheit und des Sorgens umeinander. Richter illustriert seine
Analyse mit Beispielen aus der europäischen Kulturgeschichte, dazu
führt er Persönlichkeiten wie Einstein, Wernher von Braun, Freud
oder Nietzsche an. Eine Hoffnung setzt er auf die
globalisierungskritische Bewegung, in der sich grenzüberschreitend
auf allen Kontinenten Männer und Frauen für eine gerechtere
Weltwirtschaftsordnung einsetzen. «Der heute zu bestehende
Reifetest ist keine Männlichkeits-, sondern eine
Menschlichkeitsprobe», schreibt Richter.