Rezension zu Keine Angst vor Babytränen
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Rezension von Barbara Brüning
Was tun, wenn dein Baby ständig weint?
So ein herrlich entspannt schlafendes Baby, belohnt für viel
Anstrengung. Egal, auch wenn man alle zwei Stunden raus muss in der
Nacht, oder auch im eigenen Bett stillen oder füttern muss. Wenn es
dann wieder einschläft und so zufrieden atmet, dann liegt da auch
eine tiefe Befriedigung drin.
»Ein Schreibaby ist die Hölle«
*Carolin aber kommen schon die Tränen, wenn sie solche Bilder nur
sieht. Ihr Töchterchen Noelle schläft praktisch nicht. Und wenn,
dann nur auf ihr. Tagsüber ist an Schlaf kaum zu denken. Und was
noch schlimmer ist, wenn sie wach ist, dann schreit sie nur. Sie
schreit ohne Ende. Und wenn sie nicht schreit, dann ist sie
unzufrieden und unruhig. Scheint immer auf der Suche nach etwas zu
sein. »Es ist die Hölle«, sagt Carolin. »Ich habe das Gefühl total
zu versagen als Mutter. Warum kann ich ihr nicht helfen, warum
verstehe ich nicht, was ihr fehlt? Warum genügt es ihr nicht, dass
ich da bin und sie über alles liebe?« Carolin will das Haus nicht
mehr verlassen. Sie geht nicht mehr zu Eltern-Kind-Gruppen. Sie
erträgt den Anblick der zufriedenen Babys nicht mehr. Der Mütter,
die zwar müde aber auch glücklich sind. So glücklich, dass man es
ihnen ansieht. »Dann kommen Ratschläge von allen Seiten: probier
doch mal, mach doch mal, hast du schon?« Sie kommt sich so blöd vor
dabei. Als hätten sie und ihr Mann nicht schon sämtliche Foren im
Internet durchforstet. Alles ausprobiert. - »Es war ein Fehler ein
Kind zu bekommen, sagte sie zuletzt. Wir sind nicht gut darin. Wir
hatten es immer befürchtet und es ist so. Wir sind zu hölzern. Zu
ernst. Wir können das eben nicht. Noelle tut mir leid, weil sie so
inkompetente Eltern hat.« – Ja, so weit kommt es und nicht selten.
Die meisten sprechen nicht darüber. Vor andern geben sie es nicht
zu. Sie ziehen sich zurück.
Babytränen sind Hölle. Wenn sie nicht mehr aufhören wollen, sind
sie so ziemlich das Schlimmste, was Eltern und vor allem Müttern
heutzutage passieren kann. Zeugen sie doch ganz offensichtlich
davon, dass das Baby unzufrieden und unglücklich ist. Und davon,
dass die Mama kein Gefühl dafür hat, was ihrem Kind fehlt. (Das
gilt natürlich auch für den Vater – aber sie fühlen sich häufig
nicht so verantwortlich dafür. Sie erwarten von sich selbst nicht
so unbedingt, dass sie ihr Kind mit ihrer purer Gegenwart glücklich
machen.) Mütter aber haben (meist) sofort das Gefühl – eine
schlechte Mutter zu sein. Und das Schlimmste daran: Mit einem
weinenden Baby unterwegs zu sein ist wie Spießruten laufen. Jeder
sieht einen. Und jeder sieht, dass diese Mutter versagt hat. So
jedenfalls fühlt es sich an. Den Blicken schutzlos ausgesetzt,
outet sich dann praktisch jeder Zweite als Mutter oder Vater oder
Oma oder Tante mit Erfahrung und alle wissen, was dem Kind fehlt
und was es braucht. Dass die betreffende Mutter schon alles
ausprobiert hat, darauf kommen anscheinend die wenigsten.
Deshalb vermeiden es Mütter von Babys, die schnell anfangen zu
Weinen und nur schwer wieder damit aufhören können, meist überhaupt
das Haus zu verlassen oder meiden so gut es geht Plätze, Orte,
Geräusche, Gerüche oder einfach Situationen, in denen ihr Kind
anfangen könnte zu weinen. Glückliche zufriedene Mamas, die mit
ihrem Säugling im Café sitzen, die mit einem zufrieden brabbelnden
Baby Einkaufen oder sich auf ein Schwätzchen verabreden können,
beneiden sie zutiefst.
Keine Angst vor Babytränen
Thomas Harms ist Kinderpsychologe und Autor und wendet sich in
seinem ersten Buch, das nicht für ein Fachpublikum bestimmt ist,
sondern für ratsuchende Eltern selbst, an genau jene Eltern, deren
Babys weinen. Viel weinen. »Keine Angst vor Babytränen« heißt es.
Und im Untertitel »Wie Sie durch Achtsamkeit das Weinen Ihres Babys
sicher begleiten«. Ich finde es einfach genial. Zudem ist es ein
echter Rettungsanker! Und er verspricht wirklich nicht zu viel: Das
beängstigende an den Babytränen ist ja zunächst mal, dass man sie
nicht versteht. Und man kann nicht einfach nachfragen, was los ist.
Als Mama oder Papa ist man ihnen erst mal hilflos ausgeliefert. Und
dann beginnt man auszuprobieren. Das scheint einem wie ein Fragen:
brauchst du Abwechslung?: (mit dem Spielzeug vor der Nase
wackelnd), „Brauchst du Ruhe?“ (Baby ins Bettchen legend),
„Brauchst du frische Luft?“ (Baby ins Tragetuch verfrachtend und
spazieren gehend), „Hast du Hunger?“ (Brust in den Mund schiebend),
„Bist du nass?“ (Windel wechselnd) ... damit ist man schon bald mit
seinem Latein am Ende. Was sonst könnte es noch sein, was so ein
Winzling brauchen könnte?
Drei Formen des Babyweinens
In einem der Schlüsselkapitel des Buches – dem mit der Nummer 6 und
der Überschrift: Die drei Formen des Babyweinens – erklärt Harms
glasklar, dass es da durchaus so manches andere noch gibt. Ich
wünschte wirklich, das schon früher gekannt zu haben, denn ein
Aspekt, der uns beim Babyweinen ja so kirre macht, ist ja, dass wir
nicht wissen was los ist und zunächst mal eben davon ausgehen es
gebe nur das Bedürfnisweinen, das ich oben schon beschrieben habe:
Das Baby weint, weil es Hunger oder Durst hat, müde ist oder sich
langweilt. Oft kommen wir damit ja ganz gut zurecht.
Dann gibt es aber noch das, was Harms das Erinnerungsweinen nennt.
Das kommt daher, dass Babys sich tatsächlich körperlich an frühere
Erfahrungen etwa der Geburt oder auch in der Schwangerschaft
erinnern. Und bestimmte äußere Reize können diese Erinnerung
wachrufen. Denn es handelt sich um eine Art Traumatisierung. Das
kann zum Beispiel die schnelle Lage, Geräusch-, Lichtveränderung
durch einen Kaiserschnitt sein, das kann eine zu schnelle und zu
lange Trennung kurz nach der Geburt sein, aber auch ein Eingriff
während der Schwangerschaft.
Und dann gibt es noch das Resonanzweinen, wenn ein Baby Stimmungen,
Situationen oder Schmerzen der Eltern aufnimmt, die es so
beunruhigen, dass es weint und nicht so einfach wieder zur Ruhe
kommen kann. Erinnerungsweinen und Resonanzweinen lassen sich nicht
einfach abstellen. Sie brauchen eine sanfte Begleitung. Ein
Gehaltenwerden, von einer engen Bezugsperson zu der eine Bindung
besteht – und die mit sich im Reinen ist: die selbst keine Angst
hat, sich keine Vorwürfe macht, die das Weinen eben mittragen
kann.
So und ab hier möchte ich eigentlich das Buch nur noch abschreiben
– aber das führt ja nun auch zu nichts. Habt ihr ein Problem mit
dem Weinen und der Unruhe eures Babys – kauft euch das Buch und
lest nach. Oder sucht euch jemanden, der euch begleitet. Es ist
einfach eine unglaublich wichtige Zeit im Leben eurer Kinder. Lasst
euch selbst ein Stückchen tragen – wenn es gut tut. Du bist nicht
allein! Und auf diesem Weg zeigt dein Kind dir einen Weg zu deiner
eigenen Heilung. Das führt zu einer tiefen Dankbarkeit in der
Beziehung - zu einer großen Harmonie, die durch den Rest des Lebens
tragen kann!
Selbstanbindung
Der Weg zu einer guten Begleitung bei Erinnerungs- und
Resonanzweinen ist nämlich einzig die Selbstheilung: In Kapitel
über »Selbstanbindung – Oder: die Kunst ein guter Leuchtturm zu
sei«, wird ganz viel davon erklärt. Bauchatmung und innere
Sicherheit zum Beispiel. Es gibt einen genialen Teil II über die
Praxis des betreuten Babyweinens, der echte Auswege aus dem Dilemma
– Babyweinen macht mich verrückt – ich mache mein Baby verrückt –
zeigt. Neben vielem anderen geht es darum, wie man sich selbst
Rückhalt geben kann, den eigenen Bauch findet und wieder in eine
emotionale Bindung zum Baby kommt.
Also kurz und knapp – ich finde das Wissen, das hier drin steckt,
sollte allen Eltern bei der Geburt mitgeliefert werden. Ich kann
aus eigener Erfahrung alles nur bestätigen.
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