Rezension zu Lustvoll körperwärts (PDF-E-Book)

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Rezension von Lea Belz und Henrike Heil

Thema und Zielgruppe
Das Methodenhandbuch »Lustvoll körperwärts« von Julia Sparmann bietet eine Sammlung körper- und sinnbetonter Methoden für die sexualpädagogische Arbeit in (Frauen-)Gruppen. Es richtet sich an Fachpersonen der sexuellen Bildung, Lehrende und Tätige im Bereich der Sozialen Arbeit sowie der angewandten Sexualwissenschaft und Sexualpädagogik, aber auch an therapeutisch arbeitende Psycholog*innen und Mediziner*innen (vgl. Sparmann, 2018, S. 9) und bietet »Körperorientierte Methoden für die Sexuelle Bildung von Frauen« (Sparmann, 2018).

Entstehungshintergrund
Das Buch erscheint als Band 12 der Reihe »Angewandte Sexualwissenschaft« im Psychosozial-Verlag. Dieser interdisziplinären Reihe sowie Sparmanns Publikation liegen ein positives Sexualitätsverständnis zugrunde und sollen eine bessere Verknüpfung zwischen Theorie und Praxis ermöglichen. Inhaltlich setzt sich Sparmann mit der methodischen (Weiter-) Entwicklung sexueller Bildung von Frauen(gruppen) auseinander und greift dabei auf verschiedene Ansätze körper(psycho)therapeutischer Traditionen, Sexocorporel, Neo-Tantra, Achtsamkeitstraining zurück (vgl. Sparmann, 2018, S. 11).

Autorin
Julia Sparmann ist M.A.-Sexualwissenschaftlerin, klinische Sexologin und Diplom-Theaterpädagogin. Sie arbeitet als freischaffende Referentin für sexuelle Bildung, Sexualberaterin für Frauen und Dozentin in Potsdam. Sie verknüpft kreative Methoden und achtsamkeitsbasierte Körperarbeit mit wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen der Sexologie sowie der Sexualwissenschaft (vgl. www.juliasparmann.de/über-mich/).

Aufbau
Neben der Einleitung sowie den Ausführungen zum Aufbau der Methodendarstellung ist das Buch in fünf Kapitel plus Anhang aufgeteilt. Innerhalb der einzelnen Kapitel erfolgt jeweils eine kurze theoretische Verortung der darauffolgenden Methoden und eine tabellarische Darstellung über deren Ziele, Ursprung, Charakter, Intimitätsgrad, Zeitempfehlung und Material.

Darauffolgend werden knappe Erläuterungen sowie der Ablauf zur Durchführung der Methode dargestellt und in den meisten Fällen abschließende Reflexionsfragen ergänzt. Die Methoden umfassen Einzelarbeit, Partnerarbeit und das Arbeiten in der Plenumsgruppe und sprechen die Teilnehmerinnen z.B. über Meditation, Bewegung, Berührung des eigenen Körpers sowie kreative Gestaltungsangebote an.

Inhalt
Zum Einstieg in die Thematik verweist die Autorin knapp auf die von ihr zu Grunde gelegten Ansätze und verdeutlicht den ganzheitlichen Ansatz zur Sexualität, der sich im Aufbau des Buches niederschlägt.

In dem kurzen Überblick Zum Aufbau des Methodenhandbuchs wird mit den Rahmenbedingungen bestehend aus Körperorientierung, Methodik, Zielgruppe, Leitung, Setting und Strukturbausteinen deutlich, dass die Methoden innerhalb von Frauengruppen durch erfahrene, qualifizierte Gruppenleiterinnen angewendet werden sollten. Dies erfordert einen geschützten Rahmen, in dem die Teilnehmerinnen die Möglichkeiten finden können, ihre eigene Sexualität zu erleben, zu reflektieren und neu (kennen) zu (er)lernen (vgl. Sparmann, 2018, S. 12- 16). Sparmann liefert für diese Seminareinheiten, zusammengestellt aus ihren eigenen Erfahrungen, offen strukturierte exemplarische Ablaufpläne (vgl. ebd. S. 16- 18).

Kapitel 1 Anfangsspiele bietet eine kleine Auswahl an spielerischen Einstiegsmethoden, die eine unaufgeregte Körperlichkeit in die Gruppe bringen sollen.

Das Kapitel 2 Wohnen im eigenen Körper befasst sich mit Methoden der Wahrnehmung und Wertschätzung des ganzen Körpers sowie im Besonderen des weiblichen Genitals. Die unterschiedlichen Methoden fordern eine intensive, ganzheitliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper. Dies soll zur Akzeptanz und Steigerung der eigenen Körperwahrnehmung sowie des (sexuellen) Selbstwertes führen.

Kapitel 3: Atem – Stimme – Sprache beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel von Muskulatur/ Bewegung und Atem, welches einer der »Hauptfaktoren für das sexuelle Erleben« (Sparmann, 2018, 53) sei. Neben unterschiedlichen Techniken zu Bewusstseins- und Wahrnehmungsübungen des Atemapparats werden Methoden zur Kommunikationsförderung in sexuellen Kontexten angeboten. Durch die Reflexionsfragen in diesem Themenbereich wird über die Selbstreflexion hinaus auch ein Bezug zur Sexualität mit anderen Personen/Partner*innen hergestellt und reflektiert.

Der Zusammenhang von Muskulatur, (Ver-)Spannung, sexueller Erregung und Orgasmus wird in Kapitel 4: Muskeltonus und Bewegung bearbeitet. Hier finden sich vornehmlich Methoden zur Muskellockerung, zum Verständnis der eigenen Anatomie und zur ganzheitlichen Wahrnehmung von Lustgefühlen.

Kapitel 5: Berührung befasst sich mit der Kommunikation über die eigene Sexualität in Bezug auf ganzheitliche Berührungen sowie Berührungen ohne Körperkontakt z.B. über Blicke.

Nach einer kurzen Danksagung und der Einladung zur gemeinsamen Weiterentwicklung im Schluss folgen im Anhang Erläuterungen zum sexuellen Reaktionszyklus von Frauen. In tabellarischer Form werden verschiedene Erregungsmodi vorgestellt und deren Eigenschaften knapp erläutert.

Diskussion
Insgesamt widmet sich Sparmann einem (nicht nur) pädagogisch sehr wichtigem Thema und leistet mit einem feministischen sowie sexpositiven Grundverständnis einen Beitrag, um den Forschungsstand bzw. die Methodenvielfalt für die sexuelle Bildung von Frauen(gruppen) zu erweitern. Mit »Lustvoll körperwärts« bietet sie praktisch arbeitenden Fachpersonen ein gut strukturiertes Methodenbuch für ein Feld, in dem insbesondere für die angesprochene Zielgruppe – erwachsene Frauen – bislang nur ein geringer Methodensatz existiert.

Die wissenschaftliche Verortung des Buches und die Erläuterung der zentralen theoretischen Ansätze ist sehr knapp gehalten. Das Methodenhandbuch umfasst insgesamt 161 Seiten, stellt 58 Methoden vor und beschreibt die theoretischen Zusammenhänge auf acht Seiten plus acht Seiten im Anhang. Wie sich die einzelnen Methoden aus den unterschiedlichen Ansätzen ableiten ließen, bleibt unbearbeitet und erschöpft sich in einem kurzen Verweis im Rahmen der Infokästen zu Anfang jeder Methodenbeschreibung. Der dem Werk beigefügte Anhang ist spannend und lässt sich gut auf die dargebotenen Methoden übertragen. Die Rezensentinnen hätten sich beim Lesen weiterführende Informationen und Verknüpfungen zu den Methoden gewünscht.

Aufgrund dieser nur sehr knappen theoretischen Verortung ist »Lustvoll körperwärts« vornehmlich an ein erfahrenes Fachpublikum gerichtet und benötigt eine weiterführende Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen. Es wird empfohlen weiterführende Literatur heranzuziehen, unter anderem bietet sich dazu das vorausgehende Buch von Julia Sparmann »Körperorientierte Ansätze für die Sexuelle Bildung junger Frauen. Eine interdisziplinäre Einführung.« (Sparmann, 2015) aus der Reihe ›Angewandte Sexualwissenschaft‹ an. Hier liefert Sparmann eine theoretische Auseinandersetzung, die den Zugang zum Methodenhandbuch erleichtern kann.

Der Aspekt der Aufarbeitung und Reflexion der durchgeführten Übungen wird von Sparmann besonders betont. Eine reflexive Methodenkompetenz der Praktiker*innen und eine Anleitung zum reflexiven Umgang mit dem Erlebten innerhalb der Methoden erweist sich als notwendig für die Durchführung/Anwendung des Handbuchs. So werden zusätzlich zur Anleitung der einzelnen Methoden (fast) immer auch mehrere Vorschläge für Reflexionsfragen angeboten, mit welchen der Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmer*innen als auch das Sprechen über die eigene Sexualität und die eigenen Bedürfnisse mit dem Ziel der Ermächtigung methodisch angeleitet werden kann.

Mit Blick auf dieses Ziel wären aus Sicht der Rezensentinnen weiterführende Überlegungen aus einer heteronormativitätskritischen Perspektive von Interesse sowohl für das anleitende Fachpersonal als auch für die angesprochenen Frauengruppen selbst. Eine Bewusstwerdung bzw. Bewusstmachung der Strukturen, die Einfluss auf die weibliche Sexualität hatten und haben, könnte über heteronormativkritische Reflexionsanleitung ein alternatives Verständnis von weiblicher Sexualität ermöglichen und könnte somit als Grundannahme für eine ermächtigende Position dienen. Insbesondere wäre eine Auseinandersetzung mit und über gesellschaftliche Konzepte/Konstruktionen/Machtverhältnissen in Bezug auf Weiblichkeit, weibliche Sexualität und Vorstellungen von Geschlecht sowie Sexualpraktiken bzw. der (einschränkende) körperliche Fokus auf Vulva und Vagina als Zentrum sexueller Erlebnisse von Interesse für eine kritische Betrachtung. Dies könnte eine spannende, methodisch reflexive (Weiter-)Entwicklung sexueller Bildungsangebote erlauben.

Fazit
»Lustvoll körperwärts« schafft eine umfassende Methodengrundlage, auf deren Basis ausgebildetes Fachpersonal gut aufbauen kann und bietet eine anregende Lektüre für alle, die mit der angesprochenen Zielgruppe arbeiten (möchten). Viele der vorgestellten Methoden sind so gestaltet, dass eine Übertragung auf weitere (insbesondere unfreiwillige!) sexualpädagogische Settings und Zielgruppen (wie beispielsweise der Bereich sexueller Bildung von Jugendlichen) sehr gut bedacht und begründet sein sollte, aber grundsätzlich denkbar ist. Das abwechslungsreiche Methodenangebot erlaubt bedarfsgerechtes Arbeiten mit gruppenspezifischen Bedürfnissen und Grenzen. Eine gründliche Auseinandersetzung mit der Publikation zugrundeliegenden theoretischen Auseinandersetzungen halten die Rezensentinnen für unbedingt notwendig, um die gebotenen Methoden gelungen anleiten zu können.

Literatur
www.juliasparmann.de/über-mich/ (letzter Zugriff: 26.02.2019)
Sparmann, Julia (2015): Körperorientierte Ansätze für die sexuelle Bildung junger Frauen. Eine interdisziplinäre Einführung. Gießen: Psychosozial-Verlag. Rezension unter: www.socialnet.de/rezensionen/20450.php (letzter Zugriff: 26.02.2019)
Sparmann, Julia (2018): Lustvoll körperwärts. Körperorientierte Methoden für die sexuelle Bildung von Frauen. Band 12 der Reihe Angewandte Sexualwissenschaften. Merseburg: Psychosozial-Verlag.

Rezensentin
Lea Belz
M.A. Bildungswissenschaftlerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik Technische Universität Darmstadt

Rezensentin
Henrike Heil
M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Material- und Geowissenschaften, Technische Universität Darmstadt

Zitiervorschlag
Lea Belz/Henrike Heil. Rezension vom 08.03.2019 zu: Julia Sparmann: Lustvoll körperwärts. Körperorientierte Methoden für die sexuelle Bildung von Frauen. Psychosozial-Verlag (Gießen) 2018. ISBN 978-3-8379-2736-8. Reihe: Angewandte Sexualwissenschaft - Band 12.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/24204.php, Datum des Zugriffs 13.03.2019.

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