Rezension zu Herausforderung Integration (PDF-E-Book)
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Rezension von Wahied Wahdat-Hagh
Herausforderung Integration
Wie das Zusammenleben mit Geflüchteten und MigrantInnen gelingt
Aktuelle Fragen der Integration von Migrant*innen in die
bundesdeutsche Gesellschaft stehen im Fokus dieses Sammelbandes –
wie etwa die nach der Eingliederung von Geflüchteten, dem Gelingen
der Integration, der Einstellung der Bevölkerung zu Flüchtlingen
sowie die Frage nach den Ursachen von Ängsten und
Unsicherheiten.
Die Integration von Migrant*innen, die naturgemäß unterschiedliche
Wertvorstellungen repräsentieren, bezeichnen die Herausgeber
einleitend als eine »gesellschaftliche Dauer- und Zukunftsaufgabe«
(24) – die Heterogenität der Gesellschaft sowie die zunehmende
Diversität gelte es anzuerkennen. Der Integrationsprozess könne
nicht konfliktfrei verlaufen, sondern rufe Spannungen, Ängste und
Aggressionen in Wort und Tat hervor.
Als sich im Herbst 2015 abzeichnete, dass bis zum Jahresende rund
800.000 Menschen nach Deutschland einwandern werden, habe die
Bevölkerung eine unkontrollierbare Lage befürchtet. Dass die
Bevölkerung diese Entwicklung als problematisch bewertete, lässt
sich Umfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach vom November
2015 entnehmen, auf die Thomas Petersen eingeht: Danach äußerten
sich 48 Prozent der Befragten kritisch und brachten »ihr weniger
gutes Vertrauen« (67) gegenüber der Regierung zum Ausdruck. Selbst
wenn sich die Geflüchteten mehrheitlich bemühen sollten, sich in
die deutsche Gesellschaft einzufügen, fiele es vielen Deutschen
schwer, »sie als Nachbarn und Mitbürger zu akzeptieren« (76), so
die Annahme Petersens. Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen
habe den Beitritt der Türkei in die EU abgelehnt, lange bevor dort
ein autoritäres System etabliert worden sei. Petersen zufolge haben
lediglich 22 Prozent der Deutschen dem Satz ›Der Islam gehört
inzwischen zu Deutschland‹ zugestimmt und die Ablehnung dieser
Aussage habe unter den Ostdeutschen sogar 75 Prozent betragen. Der
Autor plädiert dafür, solche Befunde ernst zu nehmen, denn es gebe
Integrations- und »Integrierungsprobleme« (77).
Elmar Brähler und der 2011 verstorbene Horst-Eberhard Richter
analysieren in einem Artikel, der in diesem Band
wiederveröffentlicht wird, die Problematik der innerdeutschen
Integration und gelangen dabei zu folgendem Schluss: »[W]enn sich
in einer Beziehung ein Teil vom anderen entwertet fühlt, wird er
sich dem anderen nicht annähern, sondern sich eher trotzig
abgrenzen, weil Annäherung heißen würde, die eigene Selbstachtung
noch mehr zu gefährden.« (95) Dies würde die Bereitschaft zur
Selbstkritik bremsen, weil diese wie Unterwerfung unter den anderen
Teil empfunden werde. Eine solche Erkenntnis ist in der Tat auch im
Hinblick auf die Frage der Integration von Flüchtlingen
interessant.
Ulrich Wagner gibt aus sozialpsychologischer Sicht Empfehlungen zum
Umgang mit Geflüchteten. In der Sozialpsychologie werde unter
Integration eine Form des Zusammenlebens verstanden, die es den
Mitgliedern zweier Gruppen erlaube, aufeinander zuzugehen und
gemeinsam neue Kulturstandards zu entwickeln. Integrationsmaßnahmen
sollten sich »weniger auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen
beziehen, als auf den alltäglichen Umgang miteinander« (136). Auch
wenn die Gleichstellung von Frau und Mann anerkannt werde, bedeute
dies nicht, dass die Diskriminierung von Frauen nicht mehr
existiere – unter Einheimischen sowie unter Geflüchteten.
Elmar Brähler, Oliver Decker, Eva Eggers und Johannes Kiess widmen
sich in ihrem Beitrag der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland.
Dieser Begriff habe in den 1990er-Jahren den Begriff
»Ausländerfeindlichkeit« abgelöst. Lediglich 4,1 Prozent der
fremdenfeindlich eingestellten Menschen haben Abitur und vertreten
in hohem Maße rechtsextreme Positionen. Fremdenfeinde haben weniger
Vertrauen in Verfassungsinstitutionen und sehen sich »politisch
depriviert« (241), schreibt das Autorenteam. Autoritarismus und
Deprivation habe für fremdenfeindliche Einstellungen einen hohen
Erklärungswert.
In Anlehnung an den französisch-litauischen Philosophen Emmanuel
Lévinas stellt Siegfried Karl Überlegungen zu einer Humanität einer
ethischen Integration an. Lévinas Denken ziele auf den
»unbestimmbaren« (246) Fremden ab und zeige Verantwortung für den
Anderen. Dabei sei es unmöglich, den Anderen umfassend zu
verstehen. Dieser könne in seiner »unaufhebbaren Andersheit und
bleibenden Fremdheit niemals vollständig integriert werden« (247).
Karl geht davon aus, dass Lévinas Philosophie die Möglichkeit
biete, »dem Verständnis von Integration zu einer neuen Fundierung
und Qualität zu verhelfen« (249). Dabei handele es sich um ein
vertieftes Verständnis von Humanität und Verantwortung. Es sei zwar
berechtigt, den Fremden in seiner Nützlichkeit und
Leistungsfähigkeit für das ökonomische System zu betrachten, aber
diese Diskussion dürfe nicht alles dominieren und dazu führen, dass
die Einzigartigkeit und Würde des Menschen aus dem Blick gerate.
Die Integration sei zudem nicht eine automatische Sache des
Staates, sie könne nur gelingen, wenn sie sich in Verbindung mit
dem Fremden vollziehe.
Insgesamt bietet dieser Band einen guten Überblick über die
verschiedenen Aspekte im Zusammenhang mit der Frage nach einer
gelingenden Integration.
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