Rezension zu Was wirkt in der Psychotherapie? (PDF-E-Book)

Zeitschrift für Transaktionsanalyse 4/18

Rezension von Bea Schild

Die Schweizer Charta für Psychotherapie will ein Direktstudium zum Psychotherapeuten / zur Psychotherapeutin ermöglichen und treibt dazu die wissenschaftliche Entwicklung in integrativer Psychotherapiewissenschaft voran. Das vorliegende Buch bietet dazu einen Überblick über das bisherige Schaffen und den Bericht zur Studie der Wirkfaktoren von Psychotherapie, der PAP-S-Studie der angeschlossenen Verbände und Institute (Kunst- und ausdrucksorientierte Therapie, Bioenergetische Analyse, Kognitive Verhaltenstherapie, Existenzanalyse und Logotherapie, Gestalttherapie, Integrative Körperpsychotherapie, Prozessorientierte Psychotherapie, Psychoanalyse / analytische Psychologie, Trans- aktionsanalyse).

• Ab 1989 erarbeitet eine Arbeitsgruppe des Schweizerischen Psycholog/inn/en-Verbandes (SPV: heute ASP) ein gemeinsames Verständnis zu Ausbildung und Anforderungen an Psychothera- peut/inn/en, die Charta.
• 1993: Ein Bundesgerichtsurteil hält fest, dass Psychotherapeut/inn/en mit Quali kation Psychotherapie ausführen dürfen.
• 1998: Die Charta für Psychotherapie mit 27 Ausbildungsinstituten und Berufs- oder Fachverbänden mit humanistischen, tiefenpsychologischen und körpertherapeutischen Verfahren wird gegründet. Seit 1997 tritt die Charta nicht mehr im SPV, sondern als eigener Verband mit dem SPV als Mitglied auf. Bei Wissenschaftskolloquien wurden innerhalb der Schweizer Charta für Psychotherapie Menschenbilder, Gesundheits-, Krankheits- und Therapieverständnisse diskutiert.
• 2002 erfolgte auf dieser Grundlage die Deklaration zu Begriff und Anforderungen an die Wissenschaftlichkeit von Psychotherapieverfahren und deren Überprüfung von und mit den angeschlossenen Verbänden und Institutionen.
• Auf der Grundlage dieser damals bereits 16 Jahre dauernden Diskussion wird das Forschungsdesign zur PAP-S-Studie (Praxisstudie ambulante Psychotherapie Schweiz) mit Unterstützung von Prof. Tschuschke, Klinikum und Universität zu Köln, erstellt. Ein Kooperationsvertrag zur Projektleitung wird mit Prof Tschuschke und Prof. Grünwald von der Hochschule für Angewandte Psychologie, Zürich, abgeschlossen.
• 2007–2012: Die Projektrealisierung mittels Datenerhebung bei allen neu angemeldeten Patient/inn/en durch die angeschlosse- nen Psychotherapeut/inn/en erfolgt.
• 2015: Als Abschluss wird ein Überblicksbericht herausgegeben.
Wirksamkeit von Psychotherapie ist nachgewiesen. Die Frage der PAP-S-Studie war, wie und bei welchen Patient/inn/en, mit welcher Problematik Veränderungsanstöße initiiert werden können. Die Forschung orientierte sich nicht am RCT-Design (oder EBM, evidence-based medicine), weil sie für Psychotherapie als unterkomplex irreführend und nicht durchführbar erachtet wurde (keine Patient/inn/en- und Therapeut/inn/en-Homogenität, d.h. keine Vergleichbarkeit herstellbar; keine Kontrolle über Störvariablen möglich; Psychotherapie ist nicht manualisierbar; es sind keine Kenntnisse über Aktivitäten in den Sitzungen bekannt etc.).

Die PAP-S-Studie ist eine naturalistische Studie zur Effektivität (nebst der wirksamen Beziehung) des kompliziertesten Forschungsgegenstandes: des menschlichen Denkens, Empfindens und Verhaltens in seiner hohen Komplexität und täglichen Veränderbarkeit. Die Ergebnisqualität von psychotherapeutischen Routinebehandlungen wurde nicht nur nach zugrunde liegenden Techniken untersucht, sondern auch nach dem Schweregrad der Störung, der Qualität der therapeutischen Beziehung, der Person der Therapeut/inn/en etc. Die Studie nutzte ein erstelltes Manual mit 100 psychotherapeutischen (davon 25 allgemeinen, schulenübergreifenden) Interventionskategorien.

Für die PAP-S-Studie wurden sowohl der aktuelle Forschungsstand zur Ergebnisvarianz als auch die Meta-Analysen der vergleichenden Psychotherapieforschung (mit der Frage: Woraus besteht die vergleichbare Wirksamkeit gänzlich unterschiedlicher theoretischer Schulen und den abgeleiteten Interventionen?) beachtet. Es wurden drei große Stichproben durchgeführt, die der Studie zugrunde liegen.

Vorab das Nebenergebnis: Die Konzepttreue gegenüber den Schulen nahm mit zunehmender Berufserfahrung der Therapeut/inn/en ab. Sie lag zwischen 4,7–32,5 %. Zwischen 51,4 und 73,2 % wurde nicht-konzepttreu und zwischen 19,6 und 32,7 % mit fremd-schulischen Interventionen gearbeitet.

Am meisten Zeit (71 %) füllten nicht-schulenspezi sche Interventionen der Kategorien Supportivität (Halt geben), Zuhören, klärendes Nachfragen, Informationsvermittlung und Beratung.

Von den 89 Interventionskategorien fiel die TA besonders in den folgenden auf:
• Bearbeiten von Verhaltensmustern und Überzeugungen (zusammen mit der Gestalttherapie)
• Halt geben, unterstützen
• Therapiekontrakt und
• Therapieziele thematisieren

Die PAP-S-Studie zeigt am Beispiel von 81 Behandlungsfällen, dass die Arbeitsbeziehung hoch signifikant durch das Ausmaß der psychischen Belastung bzw. Störung zum Therapieeintritt, der Krankheitsdauer und der Anzahl an bereits erfolgten Behandlungen im Vorfeld belastet und beeinflusst ist. Die Ergebnisqualität wurde im Prä-Post-Vergleich gemessen und ergab bei einer Stichprobe von 300 konsekutiv aufgenommenen Patient/inn/en (mit den häufigsten Hauptdiagnosen Affektive Störungen und Angststörungen) vergleichbar große signifikante Effektstärken bei den globalen Maßen der psychosozialen Beeinträchtigungen und der Symptombelastung. Patient/inn/en mit Persönlichkeitsstörungen (Borderline, narzisstische Störung) konnten ihre psychodynamische Struktur verbessern.

Die Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass die Wirksamkeit von humanistischen und tiefenpsychologischen Ansätzen unter Praxisbedingungen im gleichen Spektrum liegen wie diejenigen der kognitiv-behavioralen Ansätze.

Und noch ein Ergebnis zum Thema Gender: Die PAP-S-Studie legt nahe, dass Psychotherapeutinnen insgesamt und durchschnittlich empathischer und supportiver arbeiten und Psychotherapeuten eher konfrontativ (beide ungeachtet des Geschlechts der Patient/ inn/en und des schultherapeutischen Konzepts).

zurück zum Titel