Rezension zu Die Macht der Metapher in Psyche und Kultur
Kunst & Therapie. Zeitschrift für bildnerische Therapien 2017/1
Rezension von Antje Hackenthal
Das vorliegende Buch »Die Macht der Metapher« versammelt zehn
Beiträge von zehn Autorinnen. Auf dem Cover befindet sich eine
Abbildung des Gemäldes »Bilderbogen« von Paul Klee aus dem Jahr
1937. Es ergänzt den Titel und weist auf den Kontext
(Sprach-)Bilder in der Psychotherapie hin. Als Herausgeber führt
Michael Buchholz, Analytiker und Professor an der IPU Berlin, mit
einem Beitrag in die Thematik ein. Wer schon einmal auf einer
Tagung in den Genuss seiner brillanten Vorträge zu Aspekten der
aktuellen Psychotherapieforschung gekommen ist, der kann ahnen,
dass auch dieses Buch eine gehaltvolle, anspruchsvolle Lesekost
verspricht. Für Kunsttherapeuten kann das Buch an der einen oder
anderen Stelle zur Herausforderung werden, widmen sich doch einige
Abschnitte des Buches spezifischen Themen der
Psychotherapieforschung. Deren Untersuchungs- und
Auswertungsmethoden gehören bisher in der Regel nicht zum
Handwerkszeug unserer Berufsgruppe und sind möglicherweise schwer
zugänglich. Ich habe solche Abschnitte eher überflogen und sehe
es als sinnvoll an, den Wert dieses Buches in einem großzügigen
Streifzug durch die wesentlichen Inhalte herauszustellen und die
Details der Entdeckungsfreude den potentiellen Lesern zu
überlassen.
Bei Metaphern geht es um Sprach-Verbildlichungen, die, als
Bedingung sprachlicher Ausdrucksfähigkeit, die Kommunikation
bereichern. Auf der Grundlage allgemein-menschlicher und
kultur-spezifischer Erfahrungen sind insbesondere Sprachbilder
empathisch nachvollziehbar. Und weil sich hier bildhaftes und
sprachliches Denken verbindet, ist dieses Buch gerade auch für
Kunsttherapeuten interessant. Auch in der Kunsttherapie findet
verbale Kommunikation statt, werden Versuche unternommen,
Phänomene und Wahrnehmbares zu übersetzen in Wortsprache, Bilder
werden mit weiteren Sprachbildern beschrieben oder
künstlerisch-bildhafte Resonanzen auf entstandene Werke
geäußert.
Michael Buchholz führt in seinem Eingangsbeitrag eine neue Theorie
der Metapher ein, welche den traditionellen Gegensatz von Metapher
und Begriff aufhebt. War bisher der Begriff höherwertiger als das
Bild angesiedelt, hebt Buchholz beide auf eine gleichwertige Ebene
und verbindet sie schlüssig miteinander. In faszinierenden
Beispielen von Sprachanalysen stellt er heraus, dass Metaphern
nicht die Darstellung eines Wortes sind, sondern vielmehr eine
Verbindung zwischen dem sinnlichen Ursprungsbereich mit einem
abstrakten Zielbereich. Er verortet den Ursprung der Metapher in
körperlichen, sinnlich-gestischen Erfahrungen und rehabilitiert
damit die Bedeutung des Körpers in der verbalen Psychotherapie.
Das Verhältnis von Körper und Geist wird umgedreht und mit der
Idee des Embodiment verknüpft. Indem wir mit Metaphern auf
körperlich Bekanntes zurückgreifen, können wir Unbegreifliches
verständlich machen. Zwei kleine Beispiele dafür: Eine
»Kränkung« kann man zwar nicht sehen, man kann aber sagen »das tut
weh«. Ebenso ist »Schuld« nicht sichtbar, aber im Kontext einer
gefühlten »Last« nachvollziehbar für jeden.
Im zweiten Kapitel stellen die Autoren Huberta Ulmen und Johann
Wirth einige auch für die Kunsttherapie relevante Aspekte »Zur
Entwicklung metaphorischen Denkens« vor. Metaphern seien in der
Psychologie heute nicht mehr nur ein sprachliches Phänomen,
sondern mit Bezug auf Lakoff und Johnsson Denk-, Fühl- und
Handlungsmodelle. Ulmen und Wirth unterscheiden zwischen manifesten
und konzeptuellen Metaphern. Während uns manifeste Metaphern
alltagssprachlich vertraut und somit leicht erkennbar sind, stehen
hinter konzeptuellen Metaphern in der Regel unbewusste
Konzeptsysteme, die beim Sprechen, Schreiben und Gestikulieren zum
Vorschein kommen. Sie betonen, dass durch Sprache nur ein Teil
unseres Erlebens repräsentiert werde, nie komme damit eine
Ganzheit des Erlebens zum Ausdruck, sondern nur isolierte
Erfahrungsaspekte. Der spielerische Gebrauch von Metaphern stelle
eine Möglichkeit dar, mit verbalen Mitteln Kontakt mit dem prä-
und non-verbalen Erleben herzustellen. Somit werde ein Zugang zu
den nicht-sprachlichen Erfahrungsdimensionen eröffnet. Metaphern
helfen demnach, Gefühle zu konzeptualisieren und zu regulieren,
den anderen zu verstehen im Sinnhaften. Als Beispiele dafür, dass
wir uns die Psyche als Körper denken, bringen die Autoren an, dass
wir davon sprechen, »verletzt« zu sein oder dass wir Ärger als
»Hitze« beschreiben, dass wir »vor Wut kochen« oder
»niedergeschlagen« sind (S. 43). Des Weiteren ziehen sie
Verbindungen zwischen den beiden Als-Ob-Konstruktionen von Spiel
und Metapher, indem sie ihre jeweiligen Funktionen beschreiben,
»die Realität zu verarbeiten und zu beschreiben, indem sie eine
psychologische Distanzierung ermöglichen« (S. 57). Der Gebrauch
von Metaphern diene demnach der Konzeptualisierung mentaler
Zustände sowie der Erweiterung des Metaphernrepertoires und somit
dem Aufbau von Affektrepräsentanzen. Dieser Zusammenhang spiele
insbesondere in der Verarbeitung von traumatischen Erfahrungen eine
wichtige Rolle. Da hier der »Sinnrahmen für Erfahrung« gesprengt
werde, reichen die bisherigen Metaphern nicht für das Erlebte aus,
so dass eine Erweiterung des Metaphernrepertoires notwendig sei (S.
58).
Ein weiteres spannendes und themenaktuelles Kapitel beschäftigt
sich mit der Kultur- und Metaphernanalyse in der Psychotherapie mit
arabisch-muslimischen Patienten. Der Autor, Marwan Dwairy, stellt
hier eine metaphernorientierte Therapiemethode vor, die es möglich
macht, mit unbewussten Inhalten zu arbeiten, ohne diese aufzudecken
und die individuellen Abwehrkapazitäten von Patienten
überzustrapazieren. Dazu greift er auf das Konzept der
Kulturanalyse zurück, welches zur Anwendung der Psychoanalyse bei
Personen entwickelt wurde, deren Identität aufgrund ihrer
kulturellen Prägung im Kollektiv der Gemeinschaft verankert ist
und sich somit von einem auf das Individuum bezogenen Verständnis
von Persönlichkeit unterscheidet, wie es in unserem westlichen
Kulturraum vorherrscht. Der Autor geht davon aus, dass es für
einen Menschen, der mit seinem Kollektiv identifiziert ist,
kontraproduktiv sein kann, unbewusste Inhalte und Konflikte bewusst
zu machen. Da er in strikte Familienstrukturen eingebunden ist,
resultiere daraus ein Normendruck, der nicht zu einer Besserung
beim Patienten führen würde, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit
zu einer Verschärfung der Probleme. Dwairy empfiehlt, in solchen
Fällen mit Metaphern zu arbeiten. Sie repräsentieren das Problem
symbolisch und ermöglichen, im Behandlungsverlauf kreative
metaphorische Weiterentwicklungen oder Lösungen anzusteuern. Es
geht hierbei also um eine indirekte Art der Arbeit mit dem
Unbewussten eines Patienten, welches Verbindungsstränge zur
Kunsttherapie erkennen lässt.
Auch die beiden letzten Beiträge bieten vielfältige Perspektiven
auf das Metaphernfeld. Mit »Kinometaphern« bringt Andreas Hamburger
die Frage auf, ob die Struktur hinter Bildern sprachförmig ist
oder ob »ästhetische Bildrelationen« eigenständig sind (S. 194).
Unter den Aspekten Beziehung, Entwicklung, Körper und Zeit
arbeitet er heraus, dass Filmmetaphern an emotionale
»Erinnerungseinträge« anschließen, die weit in die
Lebensgeschichte des Zuschauers hineinreichen (S. 228).
Besonders anregend für die kunsttherapeutische Atbeitspraxis und
ihre Fragestellungen fand ich schließlich das letzte Kapitel dieses
Sammelbandes. In seinem Beitrag »Empfindungen sind sprachlos – eine
Annäherung an das Reden über Musik« ist Jürgen Oberschmidt dem
Dilemma des Verhältnisses von Sprache und ästhetischer Erfahrung
auf der Spur. Als Kunsttherapeutin frage ich mich selber immer
wieder, wie ich Worte in ein angemessenes Verhältnis zu
künstlerischen Werken von Patienten setzen kann. Gibt es
überhaupt passende Worte? Wo liegt die Wahrheit? Oft beobachte
ich, dass die Begegnung mit einem Werk zu weiterer innerer
Bildentstehung führt. Eine Annäherung an solche Resonanzen ist
insbesondere dann fruchtbar, wenn die Kommunikation darüber auf
bildlicher und sprachlicher bzw. bild-sprachlicher Ebene
stattfindet. Ein solches Vorgehen in der Kunsttherapie entspricht
dem metaphernorientierten Arbeiten in der verbalen Psychotherapie.
Oberschmidt geht es um das Verlassen des »Sehens« des Verstandes
zugunsten des Erlebens einer Sprache jenseits der Sprache. Er sieht
die Analogie der Metapher geeignet, um ästhetische Erfahrungen zu
übersetzen und gleichzeitig neue Wirklichkeiten im Moment zu
schöpfen. Den letzten Satz, zitiert nach Musil (1930) möchte ich
stehen lassen, er rundet die Eindrücke des Buches wunderbar ab:
»Die Wahrheit ist eben kein Kristall, den man in die Tasche stecken
kann, sondern eine unendliche Flüssigkeit, in die man
hineinfällt« (S. 258).
Dieses interessante, wissenschaftlich dicht gepackte und weitgehend
gut lesbare Buch kann ich Kunsttherapeuten als Lektüre sehr
empfehlen. Etwas Zeit sollte man haben, wenn man es im Ganzen lesen
und verstehen möchte. Aber auch einzelne Kapitel zu lesen ist sehr
lohnenswert!