Rezension zu Einführung in die französische Ethnopsychiatrie (PDF-E-Book)
psychoscope. Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP), 6/2018
Rezension von Ralph Erich Schmidt
Die therapeutische Behandlung von Migrantenfamilien am Centre
Georges Devereux und im Krankenhaus Avicenne
Im Jahr 1979 überraschte der renommierte französische
Psychoanalytiker Serge Lebovici den damals 30-jährigen Psychologen
Tobie Nathan mit dem Vorschlag, im Krankenhaus Avicenne nördlich
von Paris eine ethnopsychiatrische Beratungsstelle für Migrantinnen
und Migranten aufzubauen. Tobie Nathan, der bei Georges Devereux,
dem Begründer der Ethnopsychiatrie, studiert hatte, liess sich auf
das Abenteuer ein. Damit begann eine Lehr-, Forschungs- und
Behandlungstradition, die bis heute am Centre Georges Devereux in
Paris fortgesetzt wird.
Während Tobie Nathans ethnopsychiatrischer Ansatz in den
französischsprachigen Ländern früh Beachtung fand, ist er in den
deutschsprachigen Ländern noch immer weitgehend unbekannt. Die
belgische Ethnologin Sophie Kotanyi bietet der deutschsprachigen
Leserschaft nun eine Entdeckungsreise in die Welt der französischen
Ethnopsychiatrie.
Anhand von zwei Fallbeispielen beschreibt sie, wie im
ethnopsychiatrischen Mehrpersonensetting ein Experimentierfeld
aufgetan wird, wo zwischen dem jeweiligen traditionellen
Krankheits- und Heilungsverständnis und westlichen Theorien in
kreativer Weise vermittelt werden kann. Schade ist, dass das Buch
nicht sorgfältig lektoriert wurde – aber angesichts des
interessanten Inhalts werden die Leserinnen und Leser über die
Tippfehler hinwegsehen.
Ralph Erich Schmidt, Fachpsychologe für Psychotherapie FSP
www.psychologie.ch