Rezension zu Traumapädagogik in der Schule

behinderte Menschen 4/5 2018

Rezension von Thomas Müller

Das Buch folgt einem roten Faden: der Frage nach der Gestaltbarkeit pädagogischer Beziehungen mit stark belasteten Kindern und Jugendlichen. Dafür werden soziale Rahmenbedingungen erörtert und über diese deutlich, wie zusätzlich zu den biographischen Erfahrungen der Betroffenen gesellschaftliche Entwicklungen die pädagogisch institutionelle Arbeit belasten. Dies mündet unweigerlich in die Frage, wie emotional hoch belastete Kinder ausgehalten werden können. Schließlich wird die Kategorie Trauma mit Blick auf eine Pädagogik bei emotional-sozialer Beeinträchtigung gefasst, um sie als Form der Beziehungsstörung zu bedenken. Beachtenswert ist dabei die Auseinandersetzung um das Verhältnis von Pädagogik und Therapie, die auch über das Buch hinaus für die Teildisziplin bedeutsam ist. Die folgenden Kapitel widmen sich der traumatisch beeinflussten Beziehungs-gestaltung in der Schule anhand eines auf Interaktionsgeschichten beruhenden Forschungsprojektes. Über vier Geschichten eröffnen sich zwölf Themenfelder, die zeigen, was pädagogische Reflexivität und Beziehungsgestaltung in der Schule ausmacht. Seine Erkenntnisse überführt der Autor in die Konzeptualisierung einer intensiv- wie inklusivpädagogischen Förderung. Der Begriff ›Förderung‹ erscheint dabei fast zu schwach, denn es bilden sich zwei zentrale Aspekte heraus: zum einen die Auseinandersetzung mit bedrohlicher Beziehungsgestaltung und der Wahrscheinlichkeit der Nicht-Integrierbarkeit traumatischer Erfahrungen und zum anderen emotionale Belastungen, die zu Grenzverletzungen führen. Daher ist es richtig, dass der Verfasser nicht scheinbar Hilfreiches aus seinen Erkenntnissen heraus operationalisiert, sondern die Reflexionsfähigkeit als zentralen Aspekt pädagogischer Professionalisierung thematisiert. Hoch anzurechnen ist ihm, dass er diese nicht nur einfordert, sondern durch seine Forschung zu traumapädagogischer Lehrerfortbildung auch fundiert: Ob Fortbildung hilfreich ist, lässt sich mit Blick auf eine inklusive Schule schließlich nicht einfach bejahen, sondern zeigt, wie lange der Weg zu einer traumasensiblen Arbeit ist; sein muss – in Verantwortung für die subjektiven Verstehens- und Erlebenslogiken betroffener Kinder und Jugendlicher.

Thomas Müller,
gekürzt, zuerst erschienen VHN 86 [20V] [3], 273-274

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