Rezension zu Wie gefährlich ist Donald Trump? (PDF-E-Book)
Frankfurter Neue Presse vom 11. August 2018
Rezension von Dierk Wolters
Es schlug in den USA hohe Wellen, als sich vor knapp einem Jahr 27
renommierte amerikanische Psychiater in »The Dangerous Case Of
Donald Trump« über die psychische Disposition des US-Präsidenten
äußerten. Jetzt ist das Buch auf Deutsch erschienen.
Sie hatten mit einer heiligen Regel gebrochen: Ein Psychiater
stellt keine Diagnose, wenn er den Patienten nicht kennt. Diesen
Ehrenkodex außer Kraft zu setzen, würde einen Sturm der Entrüstung
nach sich ziehen. Und er kam. Unverantwortlich, sagten Kritiker. Es
widerspreche der Berufsehre, unwissenschaftlich sei es ohnehin.
Doch die 27 Psychologen und Psychiater, die zu den angesehensten
ihres Metiers gehören und zum Teil an Elite-Universitäten lehren,
wussten, was sie taten. Der Psychosozial-Verlag hat das von dem
Psychiater Bandy X. Lee und dem Sprachwissenschaftler Noam Chomsky
herausgegebene Buch jetzt ins Deutsche übersetzen lassen. Verleger
Hans-Jürgen Wirth, Psychotherapeut, Autor eines Buchs über
»Narzissmus und Macht« und Professor an der Frankfurter
Goethe-Universität, hat ihm ein differenziertes Vorwort
beigegeben.
Eindeutige Zeichen
Es ist unethisch, sagt die Goldwater-Regel der American Psychiatric
Association, wenn ein Psychiater über eine öffentliche Person
urteilt, ohne sie selbst gesprochen und untersucht zu haben. Das
sehen auch die Autoren des Bandes so. Doch dagegen stehe, dass
Wissenschaftler, das Vertrauen der Öffentlichkeit verletzen, wenn
sie nicht warnen, »wenn eine Persönlichkeit, die Macht über uns
alle hat und in der Lage ist, über Leben und Tod zu entscheiden,
eindeutige Zeichen einer gefährlichen mentalen Beeinträchtigung
erkennen lässt«. Es gibt den Eid des Hippokrates, der jedem
Patienten »Vertraulichkeit« zusichert. Es gibt bei Gefahr aber auch
die Pflicht und ›Aufgabe‹, Unglück zu verhindern. Die Autoren von
»Wie gefährlich ist Donald Trump?« haben es sich nicht leicht
gemacht. Sie urteilen nicht vorschnell und affektgeladen, sondern
stets nach sorgfältiger Abwägung. Die Wissenschaftler stützen sich
bei ihren Einschätzungen auch auf Zeugnisse aus der Zeit vor der
Präsidenschaft Trumps, seine öffentlichen Auftritte als
Geschäftsmann oder als Hauptdarsteller seiner eigenen Show.
Hunderte Stunden Video-Material lagen vor. Hinzu kommen Reden und
nicht zuletzt seine Äußerungen per Twitter.
Die Muster, die die Psychologen entdecken, sind immer wieder
ähnlich, angefangen mit dem Tag seiner Amtseinführung, als er gegen
jeden Augenschein behauptete, keine Vereidigung eines Präsidenten
sei je besser besucht gewesen als die seine. Dass Trump etwa immer
wieder an leicht als Lüge zu entlarvenden Behauptungen festhält,
sie wiederholt und durch andere tatsachenwidrige Erklärungen
füttert, deutet auf die Psyche eines pathologischen Narzissten, der
sich selber immer als Gewinner sehen muss, der die Welt
alternativlos in Freund oder Feind, Gewinner oder Verlierer
teilt.
Tony Schwartz etwa verfolgt diese Weltsicht eindrucksvoll in die
Kindheit Donald Trumps zurück: Im Alter von 13 Jahren steckte ihn
sein extrem dominanter Vater Fred Trump in eine Militärschule. Aus
einer luxuriösen, behüteten Umgebung wurde der Junge »einfach
weggeschickt«. Donald Trumps Bruder, Fred junior, starb mit 42
Jahren als Alkoholiker. Donald habe überlebt. In jeder Situation
behaupte er bis heute auch gegen allen Augenschein, dass er der
Sieger sei. Dazu schaffe er sich ein Umfeld, das ihm diese Sicht
spiegelt: Ja-Sager, Untertanen-Geister, Manipulatoren, die ihn
immer wieder bestätigten, so Schwartz.
Dass Trump immer wieder in kindliche Verhaltensweisen zurückfalle,
zeigten auch seine extreme Sprunghaftigkeit, Impulsivität und seine
Unfähigkeit, die Folgen einer Handlung abzuschätzen. Ein »extremer
Gegenwarts-Hedonist« sei Trump, einer der aus dem Moment handele,
unfähig, die Konsequenzen in der Zukunft abzuwägen.
In dem Aufsatz »Er hat die Welt in Händen und seinen Finger am
Atomknopf« zeigen zum Schluss Nanette Gartrell und Dee Mosbacher
die politischen Dimensionen auf. Trumps »feindseliges, impulsive,
provozierendes, auffälliges und erratisches Verhalten« sei »eine
große Bedrohung für unsere nationale Sicherheit«, schließen
sie.
Die Beiträge des Bandes argumentieren klar, präzise und
nachvollziehbar. Sie zeichnen ein Profil. Es ist das Profil eines
gefährlichen Mannes.
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