Rezension zu Wie die Geburtserfahrung unser Leben prägt (PDF-E-Book)
DGPFG-Rundbrief – Juni 2018
Rezension von Claudia Schumann
Ein komplexes Thema – entsprechend unterschiedlich sind die
Perspektiven und damit das Spektrum der Autorinnen und Autoren
dieses Buches. Alle eint die Überzeugung, dass die Geburt das
»zentrale Ereignis im Leben eines jeden Menschen« ist, das
langfristig Auswirkungen hat auf den Lebenslauf, und dass es dafür
der »interdisziplinären Aufmerksamkeit aller Akteure/'innen«
bedarf, wie die Herausgeberin Ines Brock in ihrer Einleitung
hervorhebt.
Die Geburtshilfe und das Wissen dazu hat sich in den letzten 50
Jahren deutlich gewandelt, wie in den unterschiedlichen Beiträgen
beleuchtet wird: Geburt ist sicherer geworden, Angebote zur
Geburtsvorbereitung gehören zum Standard, Väter werden mehr
einbezogen, die Wichtigkeit der frühkindlichen Bindung ist allen
begleitenden Fachleuten präsent. Und auf der anderen Seite: Die
Rate der operativen Interventionen ist problematisch hoch, es
mangelt an Hebammen, die Themen »Gewalterleben unter der Geburt«
und »Traumatisierung von Geburtshelfern« sind präsent.
Es würde den Raum sprengen, alle unterschiedlichen Beiträge einzeln
zu würdigen; ich beschränke mich auf zwei Texte aus den Reihen der
DGPFG.
Ulrike Hauffe, Psychologin und ausgewiesene Gesundheitspolitikerin,
früher DGPFG-Vizepräsidentin und inzwischen Ehrenmitglied, betont:
»Wie Kinder geboren werden, ist eine ganz persönliche
Angelegenheit, aber keine Privatsache«, und meint damit: Die
Politik muss entsprechende Strukturen schaffen, dass Frauen
»selbstbestimmt ihren Weg wählen« können. Ein wichtiger Schritt sei
erreicht mit der Verabschiedung des Nationalen Gesundheitsziels
»Gesundheit rund um die Geburt«, erarbeitet von >30 relevanten
Organisationen: »Leitgedanke ist ein positives Verständnis von
Potential und Ermächtigung«, nicht der »sonst übliche Risikoblick
auf Schwangere«, eine »Sensation«, wie U. Hauffe betont. Die in
diesem Papier erarbeiteten Handlungsaufträge gelte es
umzusetzen.
Aus der Sicht des klinischen Geburtshelfers erläutert Michael
Abou-Dakn die Entwicklung der Geburtshilfe, Chefarzt einer großen
Berliner Klinik und Beiratsmitglied der DGPFG.
Die Erfolge der Medizin angesichts der deutlich verbesserten
Überlebensraten von Müttern und Kindern dürfen nicht den Blick
verstellen darauf, dass es an gesicherten Daten fehlt, »inwieweit
Interventionen tatsächlich notwendig sind«. Er weist auf das
»Einfordern von Leistungen« hin seitens der Paare, die alle Risiken
reduzieren wollen, und auf die Ängste auf ärztlicher Seite,
»juristisch und letztlich finanziell belangt zu werden«. Insgesamt
müssten die »psychosomatischen Bedürfnisse« mehr einbezogen werden,
die erforderliche Kommunikation sei allerdings häufig von
»Zeitknappheit geprägt«. Auch er fordert mehr finanzielle
Ressourcen für eine »zugewandte Betreuung«, damit die Ängste
reduziert und eine physiologische Geburt möglich wird.
Kein Zweifel: Es bedarf weiterer Anstrengung, damit möglichst alle
Kinder einen guten Start ins Leben haben. Wer fundierte
Informationen und Argumente zu der aktuellen Debatte sucht, ist mit
dem Buch gut bedient!