Rezension zu Bindung und Autonomie in der frühen Kindheit

Konzentrative Bewegungstherapie 2018

Rezension von Ulrike Gritsch

Bindungs- und Autonomieverhalten entwickelt sich, so Ursula Henzinger, wenn die Selbstanbindung von Mutter, Vater und Kind nicht durch kulturelle Überformungen gestört wird. Dann ist es den dreien möglich, sich von den Bedürfnissen ihrer Körper leiten zu lassen.
Die Autorin verknüpft akkurat recherchierte Erkenntnisse aus unterschiedlichen Wissenschaften und ihre eigene Beobachtungen aus Mutter-Kind-Gruppen auf kurzweilige Weise miteinander. Sie beginnt den ersten Teil des Buches damit, die vergleichende Verhaltensforschung als wissenschaftliche Methode vorzustellen. Gleichzeitig beschreibt sie, welche evolutionären Vorteile eine sichere Bindung Stammes- und lebensgeschichtlich hat. Durch die vielen Querverbindungen zu wissenschaftlichen Disziplinen wie Neurophysiologie, Psychologie und Verhaltensbiologie und praktischen Beispielen, die immer wieder in den Text eingewoben werden, gelingt es der Autorin den Spannungsbogen trotz der Dichte der Informationen zu halten. Am Ende des ersten Teiles weiß die/der Leserin auch mehr über mütterliches Bindungsverhalten bei Vögeln, Primaten und in steinzeitähnlichen Kulturen Neuguineas oder Afrikas.

Im zweiten Teil stellt Ursula Henzinger die Ergebnisse ihrer eigenen human-ethologischen Forschung in Mutter-Kind-Gruppen vor. Nun wird deutlich, warum die Autorin den Begriff der ›Autonomie‹ in den Buchtitel aufgenommen hat: Egal auf welcher Altersstufe, nach jedem neugierigen Ausflug in die Welt, wendet sich das Baby/Kleinkind wieder sich selbst und seiner Innenwelt zu und forscht dort weiter. Die Autorin untermauert ihre Beobachtungen mit den Theorien von Norbert Bischof, der zeigen konnte, dass die Bowlby’schen Motivationssysteme Sicherheit und Erregung um das der Autonomie erweitert werden müssen (Zürcher Modell). Wie nebenbei erfahren LeserInnen entwicklungspsychologische Details zu Begriffen wie Nähe-Distanz-Regulation, Stimmungsübertragung, Intuition, Empathie und Theory of Mind. KBT-Therpapeutlnnen können sich Anregungen zum Thema ›Geben und Nehmen‹ oder zu ihrem therapeutischen Rollenverständnis holen. Darüberhinaus ergibt sich durch die formale Gestaltung (Zusammenfassungen nach jedem Abschnitt), ein Glossar am Ende des Buches und leicht verständliche Wortwahl ein flüssig lesbares, empfehlenswertes Buch.


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