Rezension zu Laudato Si’ (PDF-E-Book)
Neuro aktuell – Informationsdienst für Neurologen und Psychiater 4-18
Rezension von Friedhelm Katzenmeier
Der vollständige Titel der Enzyklika lautet im Original: »Über die
Sorge für das gemeinsame Haus«. Es geht dem Verfasser, »um das
Überleben eines im 20. Jh. notwendigen Humanismus, der sich am
Gemeinwohl der Menschen und dem nachhaltigen Schutz der Mitwelt
orientiert«. Ein Weckruf, der uns eigentlich alle angehen sollte,
ganz gleich auf welcher weltanschaulichen Position wir stehen. Der
Text beginnt mit einer Überlegung über Gerechtigkeit für alle,
verbunden mit einer Kritik am extensiven Verständnis der Priorität
des Privateigentums. Es gebe mehr als genügend Herausforderungen
für die Zukunft der Menschheit, beginnend mit »Ozean im Wandel«,
meist missbraucht als Abfallbecken für menschengemachte
»anthropogene« Stoffströme, z.B. Düngemittel, Chemieprodukte und
Plastikpartikel, bis Treibhauseffekt und drohenden Klimawandel. Zum
Kapitel Evolution und Schöpfung führt der Papst aus: »Die
Schöpfungsberichte im Buch Genesis enthalten in ihrer symbolischen
und narrativen Sprache tiefgründige Lehren über das Menschsein und
seine historische Wirklichkeit.« Diese Sicht passt in den Aufruf
des Papstes vom Gründonnerstag 2013 an die Gläubigen, sich dem
Alltag zuzuwenden. Neben dem theologischen Diskurs sind die
sachlichen Aspekte zum Auftrag zu beachten, »die Schöpfung zu
bewahren«. Dies liege in der Verantwortung der »Konsumenten«.
»Diese Probleme sind eng mit der Wegwerfkultur verbunden […]«, mit
Hinweis auf das Problem der Nachhaltigkeit. Ein Autor spricht sich
vehement gegen eine zunehmende Ökonomisierung aller Lebensbereiche
aus, verhängnisvoll spürbar im Gesundheitsbereich.
Die Enzyklika selbst wird – nach Meinung des Rezensenten zu Recht –
auf ihre Vorgeschichte in Bezug auf ihre Vorgänger und eine z.T.
restriktive Haltung der (katholischen) Amtskirche auf ihren
theologischen Gehalt hin betrachtet. Dabei wird kritisch von den
Verfassern der Beiträge angemerkt, dass keine Stimme aus einer
nicht-christlichen Religion Beachtung erfährt. So hätte z.B. der
Sonnengesang des Hl. Franz von Assisi viele Anknüpfungspunkte für
die Integration der paganen philosophischen Tradition der Antike
geboten. Immerhin wird der ominös missverstandene biblische Auftrag
aus der Schöpfungsgeschichte »Machet Euch die Erde Untertan!«
kritisch bewertet und nicht als Anweisung zu hemmungsloser
Ausbeutung verstanden. Hingegen setzt sich die Enzyklika für ein
Leben mit der Schöpfung ein, mündend in einen »Ökologischen
Humanismus«. So haben z.B. Länder wie Ecuador und Bolivien – die
wir kaum wahrnehmen und wohl allenfalls herablassend zur Kenntnis
nehmen – »den Schutz der Mutter Erde« in ihrer Verfassung
festgeschrieben. Immerhin hat Papst Franziskus in eine weltweite
Debatte über Umwelt und Gerechtigkeit eingegriffen, ohne wiederum
einen ›Deus ex machina‹ zu bemühen, oder auf die Allmacht Gottes zu
verweisen, die dies alles ja lösen könnte. Das Wort (gemeint ist
das Göttliche) sei ein »Geschenk der Mitmenschlichkeit«.
Es ist in unseren Tagen selten geworden, von Einrichtungen wie der
Kirche nicht nur Ermahnungen oder drohende apokalyptische
Sanktionen zu vernehmen, sondern Worte, die den Alltag und die
Probleme der Menschen im Blick haben, und zudem verständlich
geschrieben sind. Also: Lesen und Beherzigen.