Rezension zu Wie die Geburtserfahrung unser Leben prägt (PDF-E-Book)
Buchblögchen vom 24. April 2018
Rezension von Simone Blaß
Die letzten Jahrzehnte können wir uns in vielen Dingen nicht gerade
auf unsere Fahnen schreiben und die Geburtshilfe gehört
zweifelsohne dazu. Wir haben verlernt auf unsere innere Stimme zu
hören und gehorchen stattdessen regelrecht dem Diktat von außen.
Beziehungsweise dem der Medizin. Dabei ist auch ein ganz
elementares Wissen fast verlorengegangen: Das Wissen um die
Relevanz von Schwangerschaft und Geburtserlebnis und um deren
Auswirkungen auf unser weiteres Leben. Der Kaiserschnitt ist zum
Alltag geworden, jede kleine vermeintliche Schwierigkeit lässt so
manchen Arzt schon zögern. Allein die Tatsache, dass Ärzte statt
Hebammen gefragt werden, sagt alles. Doch langsam drängt eigentlich
sehr altes Wissen wieder an die Oberfläche und wir erkennen, dass
unser Leben nicht erst dann beginnt, wenn wir unseren ersten Schrei
von uns geben. Und dass es durchaus ausschlaggebend sein kann,
unter welchen Umständen dies geschieht. Stärkt man das
Selbstvertrauen einer Frau im Vorfeld und lässt sie dann während
der Geburt selbst entscheiden, welche Position sie zum Beispiel
einnimmt, dann spürt man, das sie intuitiv weiß, was sie tut.
Das Angenommen-, das Willkommensein ist enorm wichtig für einen
Menschen. Erwachsene, die schon als Ungeborene nicht gewollt waren,
kämpfen in ihrem Leben häufiger mit Ängsten und Depressionen, mit
Suchtproblemen und Kriminalität. Nicht grundlos gehen Therapeuten
in ihrer Arbeit immer weiter zurück im Leben eines Menschen, oft
bis zur Zeugung. Denn die pränatale Phase kann, genau wie die
ersten Lebensmonate, entscheidend prägend sein.
»Das neue Wissen um die lebensgeschichtliche Bedeutung von
Schwangerschaft und Geburt und früher Entwicklung stellt also die
Gesellschaften vor neue Verantwortlichkeiten im Umgang mit
Schwangerschaft und Geburt« heißt es in einem der Artikel. Eine
Verantwortung, die wir alle ernst nehmen sollten: Schwangere Frauen
genauso wie Hebammenschüler von heute und morgen, Wissenschaftler,
Psychologen und Therapeuten und vor allem Ärzte.
Inés Brock ist Kinder- und Jugendpsychotherapeutin, Supervisorin
und Erziehungswissenschaftlerin und hat in diesem Buch zahlreiche
Beiträge von unterschiedlichen Berufsgruppen zum Thema
zusammengefasst. Bei allen kristallisiert sich heraus: Die Geburt
ist ein zentrales Ereignis für den Menschen und die Autoren
thematisieren durchaus auch die Einwirkungen der medizinischen
Möglichkeiten, das Nicht-Abwartenkönnen der heutigen Zeit und die
Folgen, die ein negatives Geburtserlebnis auf einen Menschen haben
kann.
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