Rezension zu Faszinosum Sexualität
Newsletter Nr. 1 – 2018 des Instituts für Sexualpädagogik (ISP) Koblenz
Rezension von Danilo Ziemen
Wenn das eigene Schaffen bereits museal ist, scheint einiges
erzählt worden zu sein. Historische Texte von Dannecker enthält der
Band nicht, dafür aber viel (sexuell) Aktuelles. Die
unterschiedlichen Inhalte wie (männliche) Homosexualität,
Geschlechtsidentitäten sowie Cybersex und Internet werden dabei von
dem Faszinosum Sexualität umklammert.
Einige Texte spiegeln Danneckers Auseinandersetzungen mit Freud und
die kritische Begleitung von psychoanalytischen Diskussionen wider.
Seine Reflexionen zeigen Freud dabei als »schwankenden
Essenzialisten« (Dannecker) und Theoretiker wider die Norm. Auch
wenn das bei Freud nicht immer sofort erkennbar ist. In dem Aufsatz
»Die Dekonstruktion der sexuellen Normalität in den Drei
Abhandlungen zur Sexualtheorie« analysiert Dannecker die erste
Abhandlung recht genau. Er möchte dabei verdeutlichen, wie Freud
die »normale« Sexualität in Anführungszeichen setzt. Gemäß
Dannecker wird bei Freud sichtbar, wie sich das Normale nicht aus
sich selbst heraus setzt, sondern nur in dramatischer Abhängigkeit
zum Nicht-Normalen. Die Freude darüber, normal zu sein, geht nur,
in dem sich zum aktuell Nicht-Normalen abgegrenzt wird. Eine
ziemlich unsichere Position. Wird doch das anfänglich
»polymorph-perverse« durch Scham, Ekel und sozialer Konstruktion
beschränkt.
Für Sexualpädagog_innen dürften besonders die Aufsätze »Verändert
das Internet die Sexualität?« und »Was heißt Sexualisierung?«
interessant sein. Beim ersten zeigt Dannecker auf, wie der reale
Körper in virtuelle Prozesse mit seinen realen Gefühlen eingebunden
ist und welche Möglichkeiten zur Andersverhandlung von Scham und
Moral in den Weiten des Internets liegen. Beim zweiten oben
vorgestellten Aufsatz kommt der heikel gemachte Begriff
Sexualisierung auf den Debattiertisch. Dannecker schreibt gegen den
Wahnsinn rechter und konservativer Kräfte an, eine Sexualpädagogik
der Vielfalt sexualisiere Kinder und Jugendliche. Fast mühselig zu
betonen, dass jeder Mensch zu jeder Zeit in unterschiedlichen
Formen sexualisiert wird. Schönheitsideale in der Reklame sind
dabei nur ein Beispiel. Sinnvoll ist es, diese gesellschaftliche
und individuelle Sexualisierung (sexual)pädagogisch zu
begleiten.
In dem Aufsatz »Zur Kritik des Begriffs Homophobie« veranschaulicht
Dannecker wie ambivalent Zugänge zu einem Begriff, welcher
versucht, eine gesellschaftliche Abwertung zu (be)greifen, sein
können. Antihomosexuelle Handlungen sind nicht homophob, da dem
Ganzen keine pathologische Angst vor Schwulen und Lesben zugrunde
liegt, sondern schlichte Feindlichkeit. Der Begriff ist falsch im
Bezeichnen, bezeichnet aber richtig das Falsche:
Homosexuellenfeindlichkeit.
Diese Ausführungen sind nur ein Streifzug durch das empfehlenswerte
Buch. Aber genauso kann der Band gelesen werden: Als ein
erhellender Streifzug durch sexuelle Themen im »Dunkel der Welt«
(Sigusch).
www.isp-sexualpaedagogik.org